Existenzangst der Unternehmen Deutsche Unternehmen fürchten Stellenabbau und Produktionsstopps
Die steigenden Energiepreise machen den Unternehmen zu schaffen. Für die deutsche Wirtschaft könnte das verheerende Folgen haben.
Ein Viertel der Unternehmen in Deutschland plant einer Umfrage zufolge wegen der gestiegenen Energiepreise den Abbau von Arbeitsplätzen. 57 Prozent gaben an, sie wollten deswegen geplante Investitionen verschieben. Und 17 Prozent der Firmen planten, energieintensive Geschäftsfelder ganz aufzugeben, wie aus der am Montag veröffentlichten Ifo-Umfrage für die Stiftung Familienunternehmen hervorgeht. Im April hatten die Firmen demnach noch deutlich optimistischer auf dieselben Fragen geantwortet.
In der deutschen Wirtschaft wachsen die Sorgen angesichts der steigenden Strom- und Gaspreise. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag warnt vor Produktionsstopps bei Unternehmen. Laut der Umfrage denken 13 Prozent der Firmen über einen Produktionsstopp nach, neun Prozent über eine Verlagerung der Betriebsstätten ins Ausland. Fast alle Unternehmen (90 Prozent) wollen demnach ihre Preise erhöhen, um die Energiekostenbelastung aufzufangen.
DIHK-Präsident Peter Adrian sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Quer durch die Branchen erreichen uns täglich Hilferufe von Unternehmen, die für das kommende Jahr keinen Energieversorgungsvertrag mehr bekommen. Wenn hier keine Lösung gefunden wird, stehen zum Jahreswechsel Teile unserer Wirtschaft still." Adrian forderte die Bundesregierung zum Handeln auf.
"Staatlichen Garantierahmen wie bei der Finanzkrise"
Viele Energieversorger könnten die Sicherheitsleistungen nicht mehr bezahlen, die sie bei ihren Termingeschäften zur Absicherung von Energiepreisschwankungen hinterlegen müssten, so Adrian. "Diese Sicherheitsleistungen haben analog zu den Börsenpreisen so astronomische Höhen erreicht, dass Stadtwerke und andere Lieferanten ihren Kunden keine Angebote für die Belieferung mit Strom und Gas mehr machen können. Wir brauchen daher schnell einen staatlichen Garantierahmen wie bei der Finanzkrise." Die vorgeschlagene Gaspreisbremse löse dieses Problem nicht. "Denn sie reduziert mit dem staatlichen Zuschuss den Preis für den Endkunden, nicht beim Versorger."
Die Stiftung Familienunternehmen forderte die Ausweitung des Energieangebots – dies müsse oberste Priorität haben. In der Umfrage nannten die Unternehmen demnach an erster Stelle die Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken. "Eine Verlängerung nur um wenige Monate reicht nicht aus. Wir benötigen die Kernkraft für längere Zeit als Brückentechnologie", erklärte Kirchdörfer.
Der Vorstand der Stiftung, Rainer Kirchdörfer, nannte die Ergebnisse der Umfrage ein Alarmsignal: "Wir sehen seit einiger Zeit eine schleichende Verlagerung industrieller Wertschöpfung. Dies werden wir als Deindustrialisierung und Wohlstandsverlust erst in Jahren spüren – dann aber unumkehrbar." Diese "fatale" Entwicklung am Standort Deutschland beschleunige sich, sagte Kirchdörfer weiter. Die Unternehmen würden die Fertigung in Deutschland zurückfahren oder ihre Produktion dorthin verlagern, wo Energiekosten, Steuern und Bürokratielasten niedriger sind.
Größere und mittlere Betriebe fordern Unterstützung
Anders als für private Haushalte und sehr kleine Unternehmen hätten größere und mittlere Betriebe keinen Anspruch auf Ersatz durch Grundversorger. "Diese Unternehmen stehen deshalb ohne Vertragsangebot komplett ohne Energie da und müssten den Betrieb einstellen."
Auch der Ausbau der erneuerbaren Energien müsse beschleunigt werden, und Kohlekraftwerke müssten im Einsatz bleiben. Außerdem seien die Senkung der Energiesteuern und die staatliche Deckelung der Gas- und Strompreise am besten geeignet, um die Energiepreise zu begrenzen.
Die Bundesregierung plant einen "Abwehrschirm" in Höhe von bis zu 200 Milliarden Euro, um Verbraucher und Unternehmen wegen der hohen Energiepreise zu unterstützen. Geplant ist, daraus auch erweiterte staatliche Hilfen für Unternehmen zu finanzieren. Viele Firmen im Mittelstand haben dennoch Existenzsorgen. Die wirtschaftliche Lage sei aber vorerst noch relativ stabil, ergab eine Konjunkturumfrage des Mittelstandsverbunds unter seinen Mitgliedern.
Mehr als ein Drittel existenzgefährdet
Konkret schätzen demnach laut Verband mehr als ein Drittel der Verbundgruppen, dass die Energiekrise für einen großen Teil ihrer Mitglieder existenzgefährdend werde, wenn die Politik nicht mit Überbrückungsmaßnahmen gegensteuere. Die Bundesregierung hat im Zuge des geplanten milliardenschweren Schutzschirms erweiterte staatliche Finanzhilfen für Firmen angekündigt.
Laut Stiftung Familienunternehmen entfielen im vergangenen Jahr 5,1 Prozent des Gesamtumsatzes der Unternehmen auf die Energiekosten. In diesem Jahr liege der Anteil bei durchschnittlich 8,2 Prozent. An der Umfrage des Ifo-Instituts beteiligten sich 1.060 Unternehmen. Die Mehrzahl von ihnen waren Familienunternehmen.
- Nachrichtenagentur afp, dpa