Straffe Geldpolitik Jetzt stehen die USA vor dem nächsten Problem
Die Inflation ist hoch, die Fed kämpft mit straffen Zinsen dagegen an. Doch das birgt ein anderes Risiko: eine Rezession.
Die US-Wirtschaft ist im Frühling erneut geschrumpft – damit scheinen sich die Ängste vor einem wirtschaftlichen Abschwung zu bestätigen. Das Bruttoinlandsprodukt fiel im zweiten Quartal aufs Jahr hochgerechnet um 0,9 Prozent, wie das Handelsministerium am Donnerstag mitteilte. Da die Wirtschaft bereits im Winter geschrumpft war, ist nun die Definition einer sogenannten technischen Rezession erfüllt.
Ein Grund für den erneuten Rückgang dürfte auch der aggressive Kampf der US-Notenbank Fed gegen die grassierende Inflation sein. Sie hatte erst am Vortag wieder deutlich an der Zinsschraube gedreht. Doch daran, dass die größte Volkswirtschaft der Welt wirklich in eine Rezession geschlittert ist, gibt es zumindest Zweifel.
Die Fed hatte den Leitzins am Mittwoch erneut um beachtliche 0,75 Prozentpunkte angehoben. Fed-Chef Jerome Powell deutete bereits weitere Erhöhungen in dieser Größenordnung an. Der jetzige Zinsschritt ist die vierte Erhöhung in diesem Jahr. Erst im Juni hatte die Fed den Leitzins um 0,75 Punkte angehoben. Es war der größte Zinsschritt seit 1994.
Geldpolitik kann Aufschwung ausbremsen
Der Grund für die scharfen Maßnahmen der Fed sind die hohen Verbraucherpreise. Die Teuerungsrate in den USA ist mit 9,1 Prozent so hoch wie seit rund vier Jahrzehnten nicht mehr. Damit liegt sie weit entfernt von jenen 2 Prozent, die sich die Fed zum Ziel gesetzt hat.
Daher setzen die Zentralbanker auf eine straffe Geldpolitik. Das Problem: Damit könnten sie den Aufschwung abwürgen. Erhöhungen des Leitzinses verteuern Kredite und bremsen die Nachfrage. Das hilft dabei, die Inflationsrate zu senken, schwächt aber auch das Wirtschaftswachstum.
"Ich glaube nicht, dass sich die USA derzeit in einer Rezession befinden", hatte Powell am Mittwoch – vor der Veröffentlichung der neuen Wirtschaftsdaten – beschwichtigt. Gleichzeitig mahnte er, die Zahlen seien mit Vorsicht zu genießen und machte deutlich, dass ein etwas langsameres Wachstum im Kampf gegen die hohe Inflation notwendig sei.
Auch EZB steht vor Balanceakt
Die Fed geht deutlich aggressiver gegen die Inflation vor als die Europäische Zentralbank (EZB), die im Juli zum ersten Mal seit elf Jahren die Zinsen erhöhte. Die Anhebung im Währungsraum der 19 Mitglieder fiel mit einem halben Prozentpunkt zwar überraschend stark aus. Kritiker werfen der EZB aber vor, die Zinswende zu spät eingeleitet zu haben. Die Teuerung im Euroraum zieht seit Monaten auf Rekordniveau an.
Zugleich haben sich in Europa die Wirtschaftsaussichten infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine deutlich eingetrübt. Hebt die EZB die Zinsen in diesem Umfeld zu rasch an, könnte das vor allem für hoch verschuldete Staaten in Südeuropa zur Belastung werden. Europas Währungshüter stehen ebenso wie die US-Notenbank damit vor einem Balanceakt.
Ökonomen sprechen von einer technischen Rezession, wenn die Wirtschaftsleistung zwei Quartale hintereinander zurückgeht – so wie nun in den USA. Im Weißen Haus ist man bemüht, die Schätzung nicht zu hoch zu hängen. In einer Mitteilung von US-Präsident Joe Biden zu den neuen Daten kommt das Wort "Rezession" nicht einmal vor – der wirtschaftliche Rückgang sei wegen der straffen Geldpolitik der Fed "keine Überraschung".
Das Wort Rezession möchte keiner aussprechen
Der Direktor des Nationalen Wirtschaftsrates im Weißen Haus, Brian Deese, betonte: "Wir befinden uns in einer Übergangsphase, und es besteht kein Zweifel, dass sich die Wirtschaft verlangsamt." Alle Anzeichen deuteten aber auf eine Wirtschaft hin, die angesichts der globalen Herausforderungen "außerordentliche Widerstandsfähigkeit" zeige.
Ökonominnen und Ökonomen betonen, dass es nun wichtig sei, sich mehrere Indikatoren wie etwa Einkommen, Ausgaben und Beschäftigung anzuschauen. Die Arbeitslosenquote liegt in den USA zum Beispiel auf ähnlich niedrigem Niveau wie vor Ausbruch der Corona-Pandemie im Februar 2020.
Laut Handelsministerium ist der erneute Rückgang des BIP etwa auf geringere Lagerbestände und Investitionen der Unternehmen zurückzuführen. Die Exporte und die Konsumausgaben der privaten Haushalte seien dagegen gestiegen. Allerdings habe der Zuwachs nicht ausgereicht, um den Rückgang in den anderen Bereichen auszugleichen.
Biden steht vor Kongresswahl unter Druck
"Die Zahlen sind im Moment verblüffend – es ist nicht normal, dass das BIP sinkt und die Beschäftigung steigt", zitierte die "Washington Post" die Ökonomin Betsey Stevenson von der Universität Michigan. Selbst bei einem wirtschaftlichen Rückgang im zweiten Quartal müsse man ernsthaft darüber nachdenken, ob das wirklich ausreiche, um von einer Rezession zu sprechen.
US-Präsident Biden kann sich mit Blick auf die Kongresswahlen im Herbst weder einen wirtschaftlichen Abschwung noch anhaltend hohe Verbraucherpreise leisten. Seine Zustimmungswerte sind im Keller.
Gut angekommen im Weißen Haus sind daher vermutlich die Worte von Fed-Chef Powell – der gab sich überzeugt: "Wir glauben, dass es einen Weg gibt, die Inflation zu senken und gleichzeitig einen starken Arbeitsmarkt aufrechtzuerhalten." Doch ganz ohne Schmerzen dürfte der Kampf gegen die Inflation nicht zu gewinnen sein. Die nächste Zinsentscheidung der Fed steht im September an.
- Nachrichtenagentur dpa