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Friedrich Merz: Stolpert er zur AfD?


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Umstrittene Äußerung
CDU-Basis wütet, AfD feiert – droht Merz der große Knall?

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

21.07.2023Lesedauer: 4 Min.
imago images 0298858059Vergrößern des Bildes
Alice Weidel (AfD) und Friedrich Merz (CDU): Der CDU-Chef bringt derzeit Teile der Parteibasis gegen sich auf und erfreut die AfD. (Quelle: IMAGO/Christoph Hardt/Chris Emil Janßen)

Friedrich Merz fischt am rechten Rand – und verärgert seine eigene Partei. Die widerspricht mittlerweile zum Teil öffentlich im Netz. Droht Merz eine Revolution?

Seit der Nacht auf Donnerstag ist die Republik in Aufruhr: Ein großes Tier hat sich mutmaßlich aus seiner bisherigen Umgebung befreit, ist in ungewohntem Gebiet unterwegs und stellt möglicherweise eine massive Gefahr für Menschen dar. Sie haben es sicher längst erraten: Die Rede ist von der angeblichen Löwin, die in der Nähe von Berlin ausgebüxt sein soll. Gut, es soll wohl doch nur ein Wildschwein gewesen sein. Egal – bleiben wir mal beim Bild von der Löwin.

Diese Löwin hat einiges gemeinsam mit Friedrich Merz. Klingt komisch, ist aber so. Auch der CDU-Chef hat die eigene Komfortzone verlassen, wirkt wie befreit – und zwar von sämtlichen Strategie-Instinkten. Oder aber, um es mit den Worten einiger seiner Parteikollegen zu sagen: Merz versucht, in fremdem Revier zu wildern. Am rechten bis rechtsradikalen Rand. Dies tut er nach Ansicht mancher jedoch dermaßen ungeschickt, dass er dadurch allmählich zur Gefahr für seine eigene CDU wird. Aber der Reihe nach.

Ebenfalls am Mittwoch tätigte Merz eine Aussage mit Sprengkraft: Auf einer Pressekonferenz sagte er, er wolle deutlich machen, dass CDU und CSU "eine Alternative für Deutschland mit Substanz sind".

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich, ihr Blog findet man hier. Außerdem ist sie Co-Host des Podcasts "Gegen jede Überzeugung".

Eigentlich will Merz sich mit dieser Absage abheben von der AfD. Also von der in Teilen rechtsextremen Partei, die sich selbst als "Alternative für Deutschland" bezeichnet und die, das ist die implizite Aussage von Merz, eben keine Substanz besitzt. Merz will den aktuellen Höhenflug der AfD stoppen, ihren Erfolg zügeln. Merz will sagen: Wir sind die Guten, also bitte, wählt uns!

Das Problem dabei: Neben dem Zusatz "mit Substanz" sagt Merz eben auch "Wir sind eine Alternative für Deutschland". Und begeht damit einen für Teile seiner eigenen Partei ungeheuerlichen Tabubruch: Der Zusatz "mit Substanz" wiege die Adelung, die die AfD durch diese Gleichsetzung mit der Union erfahre, nicht auf – so ihre Befürchtung. Merz setze die Unionsparteien mit der AfD gleich, statt sich von ihr abzugrenzen.

Jetzt reicht es einigen CDU-Funktionären mit Merz' Kurs

Nun reicht es einigen CDU-Funktionären – darunter auch hochrangigen. Und zwar so sehr, dass sie mit einem ursprünglich eisernen Prinzip der Union brechen: Sie wenden sich nicht erst mal diskret und vertrauensvoll an ihren Parteivorsitzenden, um nachzufragen, ob man über diese Strategie (sollte es denn eine sein) vielleicht mal reden, oder Merz und sein Team zumindest mal nachdenken könnten. Sie wählen lieber den Weg über die Öffentlichkeit, über Social Media. Wo dieser Ausschnitt aus der Pressekonferenz natürlich längst große Empörungskreise zieht.

So macht ein CDU-Mann, immerhin Bürgermeister in Hessen, seinem Ärger auf Twitter unmissverständlich Luft: "Ich bin nicht Mitglied einer 'Alternative für Deutschland'. Ich bin christlich, nicht fundamentalistisch, sozial, nicht sozialistisch, liberal, nicht libertär, konservativ, nicht reaktionär. Ich bin Christdemokrat und wünsche mir mehr Kommunikation für die Mitte aus dem KAH", so der Mann namens Alexander Heppe.

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Dieser Frontalangriff auf das Konrad-Adenauer-Haus, das er mit der Abkürzung "KAH" meint, also auf die Parteizentrale der CDU, scheint einen Nerv zu treffen. Sein Tweet wird von vielen Leuten geteilt. Unter anderem auch von CDU-Urgestein und Ex-CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz.

Subtiler, aber in der Haltung ebenso klar, äußert sich auch Karin Prien, immerhin stellvertretende Parteichefin: "CDU mit Substanz, sonst nix", lautet ihr Beitrag zur hitzigen Debatte. https://twitter.com/PrienKarin/status/1682012878390345728?s=20

Und auch die Parteijugend meldet sich zu Wort: Clara von Nathusius, JU-Mitglied und das, was man Influencer nennt, äußert sich: "Wir sind die CDU. Keine Alternative für Deutschland. Ob mit oder ohne Substanz", schreibt sie auf Twitter.

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Zerstrittenheit ist Gift für Parteien. Wähler mögen das nicht, Wähler belohnen das nicht. Das wissen auch Karin Prien und Alexander Heppe. Offenbar reicht es ihnen aber allmählich und sehen sie keinen anderen Weg mehr, Friedrich Merz einzufangen. Zudem wissen die beiden: Das Netz vergisst nichts. Was einmal gepostet ist, bleibt. Ihre Hoffnung: Das, was man entgegenzusetzen versucht, auch.

Es wird nur allmählich ein wenig schwierig mit dem Entgegensetzen. Anfang des Monats nämlich stellte Merz einen Zehn-Punkte-Plan vor. Innere Sicherheit, Wirtschaftspolitik – das Papier sollte die Unionsparteien als Partei der Mitte präsentieren, die sich auf ihre traditionellen Kernthemen besinnt, so im Herbst in Hessen und Bayern Landtagswahlen gewinnen, 2025 dann die Bundestagswahl und Merz endlich mit dem versehen, wovon er träumt: einem Platz im Kanzleramt. Die Überschrift des Papiers: "Agenda für Deutschland". Kurz: AfD.

Dort kam man aus dem Feixen nicht mehr raus. Man müsse gar nichts mehr tun, freute sich ein prominenter Parteifunktionär, Merz würde ja die komplette Arbeit für sie erledigen. Der Merz übrigens, der die AfD einst zu halbieren versprach – die stattdessen momentan einen Umfragerekord nach dem anderen knackt – gerade auch in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Eben dieser Merz hat der AfD nun eine bärenstarke Vorlage geliefert – die die AfD-Co-Chefin Alice Weidel prompt verwandelte: "Auch wenn sich Herr Merz noch so verbiegt, das Original bleiben wir", twitterte sie.

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Auch in der AfD herrscht nun also Aufruhr ob Merz' neuerlicher Aussage – allerdings nicht in Form von Entsetzen, sondern von purer Begeisterung. Verrückte Welt: In der AfD feiern sie Friedrich Merz – und der empfindet wahrscheinlich gerade liebevollere Gefühle für die vermeintliche Löwin, die in den vergangenen Tagen einen Teil der Aufmerksamkeit auf sich und damit von ihm weggezogen hat, als für manche seiner Parteifreunde.

Die Löwin hat sich mittlerweile also als Wildschwein entpuppt, gewissermaßen als die jüngste Sau, die kurz durchs Dorf getrieben wurde – das Sommerloch lässt grüßen. Einfangen muss man sie also nicht mehr. Bei Friedrich Merz sieht das eher anders aus.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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