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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Fake News und Angst vor Spionage Streitpunkt 5G – wie weit ist die neue Funktechnik wirklich?
Vor einem Jahr endete die Versteigerung der 5G-Frequenzen. Passende Handys und Tarife gibt es nun – gleichzeitig wüten im Netz die Verschwörungstheoretiker. Wie steht es heute um 5G?
"5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig", sagte Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) im November 2018. Mit dem Zitat machte sie sich nicht gerade beliebt, ist der neue Mobilfunkstandard doch vor allem in Bereichen wie der hochtechnologisierten Landwirtschaft relevant – um etwa schweres Gerät fernzusteuern oder autonom arbeiten lassen zu können.
Am 12. Juni 2019 wurden die Lizenzen für 5G nach 497 Runden versteigert – für insgesamt 6.549.651.000 Euro, also über 6 Milliarden, an Telekom, Vodafone, Telefonica (O2) und Drillisch 1&1.
Heute ist die neue Technik immer öfter auch Teil von Unterhaltungselektronik: Neue Smartphones großer Hersteller können 5G und Netzanbieter bewerben ihre Handyverträge schon mit "5G-ready".
Werden Verbraucher einen Unterschied zum LTE-Netz spüren? Wann wird flächendeckend 5G in Deutschland verfügbar sein? Und was ist mit der Kritik an der Sicherheit, den Gesundheitsrisiken und aktuell: den angeblichen Zusammenhängen mit der Corona-Pandemie?
Verschwörungstheorien zu 5G und Covid-19
Vor allem in Großbritannien grassierten die wildesten Mutmaßungen über 5G und das Coronavirus. Durch den neuen Mobilfunkstandard würden etwa Zellen des Menschen geschädigt und so zum Einfallstor für das Virus werden. 5G sei am 1. November in China – bekanntermaßen Epizentrum der Corona-Pandemie – gestartet worden, daraufhin wären Menschen dort sogleich tot umgefallen.
So krude diese Theorien klingen, so haltlos sind sie auch. Immerhin sah sich aber sogar die Weltgesundheitsorganisation (WHO) genötigt, eine Stellungnahme zur Verbreitung dieser Falschinformationen abzugeben und nannte sie analog zum Virus "infodemic".
Was ist dran an den Gesundheitsrisiken durch 5G?
Im Frühjahr 2020 berichteten Medien von Brandanschlägen auf 5G-Sendemasten in mehreren europäischen Ländern. In Großbritannien wurden laut der "Süddeutschen Zeitung" gar Arbeiter von Netzgesellschaften angegriffen, mutmaßlich von Mitgliedern der Anti-5G-Bewegung.
In der Schweiz zum Beispiel läuft noch die Sammelfrist für eine Volksinitiative unter dem Titel "Für einen gesundheitsverträglichen und stromsparenden Mobilfunk". Ohnehin ist der Schweiz wegen der "Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung" nur der Betrieb reichweitenschwacher 5G-Masten gestattet, obgleich die Verordnung schon im Sinne der Netzbetreiber angepasst wurde.
Schon frühere Funkstandards hatten solche Kritik verursacht. Sowohl das Bundesamt für Strahlenschutz als auch die WHO betonen, dass in Studien keine gesundheitlichen Schäden von Drahtlostechnologien wie 5G nachgewiesen werden konnten.
Gibt es Sicherheitsrisiken bei 5G?
Vor allem im Zusammenhang mit dem Netzausbau durch Unternehmen aus dem Ausland gab und gibt es Sicherheitsbedenken bei 5G. Die USA machten eine Staatsaffäre aus dem Ausbau durch den chinesischen Hersteller Huawei, bei dem Verquickungen mit der Regierung der Volksrepublik vermutet werden. Auch die EU hat eine besondere Risikobewertung von 5G-Netzen veranlasst, ohne sich auf den chinesischen Hersteller einzuschießen.
Die Europäische Union befand das Risiko von Cyberspionage durch fremde Regierungen für groß und mahnt die Rolle von Lieferanten und möglichen Abhängigkeiten an. In dem Bericht wird außerdem auf die zunehmende Attraktivität des Netzes als Angriffsziel hingewiesen.
Zusammengefasst steht dort: Weil davon auszugehen ist, dass immer mehr Bereiche des Lebens von der Funktion und Stabilität des Funknetzes abhängen, erhöht das auch die Verletzbarkeit einer solchen technologisierten Gesellschaft. Sollte zum Beispiel irgendwann etwa die Verkehrssicherheit durch autonom fahrende Autos von dem Netz abhängen, wären die Folgen eines Angriffes verheerend und könnten Menschenleben gefährden.
Wie steht es um den Netzausbau?
Bei der Versteigerung der 5G-Lizenzen im vergangenen Jahr haben sich die verantwortlichen Netzanbieter zur Einhaltung von Versorgungsauflagen verpflichtet. Die Bundesnetzagentur überprüft die Fortschritte regelmäßig. So schreibt die Agentur in einer Mitteilung vom Mai, dass die Anbieter die Erfüllung ihrer Verpflichtungen nicht in vollem Umfang nachweisen konnten.
Gegenüber t-online.de bestätigte ein Sprecher der Bundesnetzagentur, dass auch Zwangs-, beziehungsweise Bußgelder verhängt werden könnten, wenn die Netzanbieter bis Jahresende nicht nachbesserten.
Neben der Versorgung der Haushalte mit dem schnellen Internet geht es vor allem auch um besseres Netz an Bundesstraßen und Bahnstrecken. Hier dürfte der Ausbau für Endverbraucher am ehesten zu spüren sein. Allerdings weniger wegen der höheren Datenrate von 5G gegenüber dem aktuellen LTE-Netz, sondern weil grundsätzlich Versorgungslücken im Netz geschlossen werden.
Im Detail verlangen die Auflagen bis Ende 2022 von den Anbietern jeweils 98 Prozent der Haushalte in jedem Bundesland abzudecken, außerdem alle Bundesautobahnen sowie die wichtigsten Bundesstraßen und Schienenwege mit mindestens 100 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) zu versorgen. Zwei Jahre später gilt das auch für alle übrigen Bundesstraßen, Landes- und Staatsstraßen sollen bis dahin mit wenigstens 50 Mbit/s angebunden sein.
Test: LTE versus 5G
Das sind Geschwindigkeiten, die sich auch mit dem Funkstandard der vierten Generation, LTE, realisieren lassen. Und überhaupt bleibt die Frage: Wo können Verbraucher im Alltag einen Unterschied merken? Dazu hat t-online.de eine Stichprobe gemacht.
Im Berliner Randbezirk Spandau steht bereits einer von drei Vodafone-5G-Masten der Hauptstadt. Mit einer Test-SIM des Netzanbieters im 5G-fähigen Samsung S20 verglichen wir die Geschwindigkeit ein paar alltäglicher Anwendungen mit einer herkömmlichen LTE-fähigen SIM im iPhone 8 Plus.
Der Speedtest ergab: Die Downloadgeschwindigkeit des S20 mit 5G lag bei 60,4 Mbit/s, das LTE-iPhone lud Daten mit 35,3 Mbit/s. Beim Upload war 4G schneller: 31,7 Mbit/s standen 18,9 Mbit/s beim Hochladen gegenüber. Bei alltäglichen Funktionen ließ sich kaum ein Unterschied ausmachen. Hochauflösende 4K-Videos auf YouTube wurden von beiden Geräten ohne Verzögerung in der maximalen Auflösung abgespielt.
Zumindest derzeit kaum ein Unterschied zu LTE
Eine weitere Stichprobe mit einer 5G-fähigen SIM-Karte der Telekom am Berliner Alexanderplatz zeigte deutlich bessere Datenraten von bis zu 300 MBit/s. Zumindest theoretisch ist das aber auch im LTE-Netz leistbar. Außerdem änderte sich die gefühlte Handhabung von Webanwendungen nicht. Nur der Download größerer Apps ging spürbar schneller. Aber das macht man im Zweifel ohnehin im heimischen WLAN um das Funk-Datenpaket nicht abzuschmelzen.
Diese Ergebnisse sind natürlich nicht repräsentativ. Beide Anbieter bieten je nach Standort und Auslastung mal bessere, mal schlechtere 5G-Leistungen. Außerdem spiegeln die Ergebnisse nicht das Potenzial der Technologie wieder – sie zeigen aber auch: Heute profitiert man nicht unbedingt von 5G, selbst wenn man Empfang hat.
Das mobile Internet wird also in den bekannten Anwendungsgebieten vorerst nicht von 5G revolutioniert werden. Davon abgesehen wird der flächendeckende Ausbau mit dem neuen Standard noch einige Zeit in Anspruch nehmen: "Es braucht acht bis zwölf Jahre, um mit einem neuen Netz eine gute Abdeckung zu erreichen", sagte Vodafone-Chef Hannes Ametsreiter 2019 der "Welt am Sonntag".
Interessant wird zu sehen sein, welche neuen Technologien und Innovationen von dem neuen Funkstandard ausgehen werden. Die hohen Geschwindigkeiten und quasi Echtzeit-Datenübertragung ermöglichen Anwendungen, die wir uns heute kaum vorstellen können und die sicher Einzug in unser Leben finden werden.
6G wird schon erforscht
Unterdessen wird auch schon an der Nachfolgegeneration gearbeitet. Die Fraunhofer-Gesellschaft forscht bereits seit 2017 im Rahmen eines EU-Projekts zu 6G und in China ist das Ministerium für Wissenschaft und Technologie laut "Computer Bild" auch schon mit dem Thema befasst.
Doch vorher gilt es beim Netzausbau erst einmal, überall für LTE zu sorgen. Denn Flecken auf der Deutschlandkarte ganz ohne mobiles Internet gibt es noch genug.
- Eigene Recherchen
- Bundesnetzagentur