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Zum journalistischen Leitbild von t-online.5G-Auktion knackt 6-Milliarden-Marke "Es werden jeden Tag Millionen verbrannt"
Am Donnerstag Nachmittag haben die Gebote für die 5G-Mobilfunkfrequenzen erstmals eine Gesamtsumme von sechs Milliarden Euro überschritten. Und es geht weiter.
Am 19. März fiel der Startschuss für die Versteigerung der Lizenzen für den neuen Mobilfunkstandard 5G. Vier Unternehmen – Telekom, Vodafone, Telefónica (O2) und Drillisch (1&1) – schachern seither um die 41 Frequenzblöcke, die zum Verkauf stehen.
Nach mehr als zwei Monaten und 405 Bieterrunden wurden bis Donnerstag Nachmittag über sechs Milliarden Euro geboten – weit mehr als erwartet. Und die Versteigerung läuft weiter. Beobachter deuten das als schlechtes Zeichen. Wir erklären die Hintergründe.
Wie läuft die Auktion ab?
Die Mobilfunkfrequenzen werden in Deutschland vom Staat versteigert. So war es schon bei den LTE-Vorgängern UMTS und 3G und so ist es auch beim extrem leistungsfähigen Mobilfunkstandard der fünften Generation (5G).
Erstmals beteiligte sich neben den bereits etablierten Netzbetreibern Telekom, Vodafone und Telefónica auch die Firma Drillisch ("1&1") an dem geheimen Verfahren. Die Teilnehmer bieten in einem rundenbasierten System simultan auf 41 Blöcke im 3,6- Ghz- und 2-Ghz-Spektrum.
Jede Bieterrunde dauert eine Stunde. Die jeweiligen Ergebnisse werden auf der Website der Bundesnetzagentur bekannt gegeben. Erst, wenn keine neuen Gebote mehr eingehen, ist die Auktion vorbei.
Warum dauert das so lange?
Nach Ansicht des Mikroökonomen und Spieltheoretikers Hasan Alkas von der Hochschule Rhein-Waal hätte die Auktion schon vor mehr als 200 Runden zu Ende gehen können. "Seit ungefähr Runde 190 herrscht eigentlich Stillstand. Die Auktion hat aber offensichtlich einen langen Bremsweg", sagt er.
Den Grund dafür glaubt Alkas zu kennen: "Die Zahlen deuten darauf hin, dass es ein Mengenproblem gibt." Mehrere Wettbewerber haben es offenbar auf das gleiche Frequenzband im 3,6-Ghz-Spektrum abgesehen, von dem zu wenige Blöcke angeboten werden. "Bei dieser Aufteilung kann sich kein stabiles Gleichgewicht ergeben", glaubt Alkas.
Die Grafik zeigt, wie sich die Gebote seit Beginn der Auktion entwickelt haben. Nach einem anfänglichen Bieterrausch, flacht die Kurve deutlich ab.
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Woran lässt sich das festmachen?
Seit Wochen ringen die Bieterparteien fast nur noch um einen bestimmten Block. An den Rundenauswertungen der Bundesnetzagentur lässt sich ablesen, wie dieser mehrmals täglich den Besitzer wechselt – jedes Mal zu einem höheren Preis. In der Zwischenzeit verteuern sich auch die übrigen Frequenzen. Laut Alkas sind das unnötige Preiserhöhungen: "Dadurch werden jeden Tag Millionen verbrannt."
Dabei halten sich die Teilnehmer sogar zurück und überbieten sich nur in Trippelschritten. Alle fürchten die Preis-Eskalation. Eine Gebotssteigerung von mindestens zwei Prozent ist aber vorgeschrieben.
"Eigentlich ist das Auktions-Design intelligent gemacht", sagt Alkas. Die Bundesnetzagentur habe jedoch unterschätzt, wie sich ein vierter Teilnehmer auf den Frequenzbedarf und das Verfahren auswirken würde. "Damit hatte die Behörde bisher keine Erfahrung."
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Wie lange soll das noch so weitergehen?
Aus eigenem Antrieb wird keiner der Teilnehmer auf die fehlende Frequenz verzichten wollen. Die Auktion könnte also noch so lange weitergehen, bis mindestens einem Unternehmen das Budget ausgeht. Wann es so weit ist, bleibt abzuwarten.
Klar ist: Je länger dieser "Abnutzungskampf" anhält, desto teurer wird es für alle Beteiligten.
Der Auktionsforscher Alkas schlägt vor, den Patt vorher durch eine behördliche Intervention aufzulösen. "Die Bundesnetzagentur könnte den Druck rausnehmen, indem sie den Teilnehmern zu verstehen gibt, dass in naher Zukunft weitere Frequenzen zur Verfügung gestellt werden sollen."
Ein solcher Deal könnte allerdings als ein unzulässiger Eingriff in die Auktionsregeln interpretiert werden – und das in einem ohnehin schon umstrittenen Verfahren. Das sagt auch Alkas. Aber: "Es wäre eine pragmatische Lösung."
Um langwierige Verfahren in Zukunft zu vermeiden, könnte die Bundesnetzagentur das Auktionsdesign überarbeiten und beispielsweise die Runden verkürzen oder Zwischenergebnisse festlegen.
Warum lassen die Unternehmen nicht von sich aus locker?
Hier kann nur spekuliert werden. Die Teilnehmer selbst äußern sich nicht zum Verlauf der Auktion.
Aus technischen Gründen ist es für die Unternehmen sinnvoll, ganze Frequenzbündel zu ersteigern. Das erleichtert später den Netzausbau und senkt die Kosten. Da die Teilnehmer jedoch auf einzelne Blöcke statt auf Bündel bieten, lässt sich diese Strategie nur schwer aufrechterhalten.
Achim Wambach vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) vergleicht das Prinzip im Gespräch mit dem "Deutschlandfunk" mit dem Kauf von Schuhen. Angenommen, ein Unternehmen hat sich für ein passendes Paar entschieden und es ersteigert. Wenn nun ein Konkurrent einen der beiden Schuhe durch ein höheres Gebot wegschnappt, bleiben dem Unternehmen zwei Möglichkeiten: Entweder lässt es auch den zweiten Schuh fallen – für den es schon bezahlt hat – und sucht sich ein neues Paar aus. Oder aber es erhöht das Gebot für beide Schuhe, da der einzelne wertlos ist.
Wie steht die Bundesnetzagentur zum Auktionsverlauf?
Die Bundesnetzagentur will sich auf Nachfrage nicht zum laufenden Verfahren äußern. Ein vorzeitiges Ende schließt die Behörde jedoch aus. "Die Auktion endet erst dann, wenn keine neuen validen Gebote mehr abgegeben werden. Die Anzahl der Auktionsrunden ist nicht beschränkt", sagte ein Sprecher zu t-online.de.
Für einen Abbruch gebe es keine spezifischen Bestimmungen. Lediglich im Falle eines technischen Defekts oder anderen Gründen, "die eine ordnungsgemäße Durchführung einer Auktionsrunde gefährden", kann der Auktionator einschreiten. "In einem solchen Fall wird auf dem Ergebnis der vorangegangenen Auktionsrunde aufgesetzt."
Warum könnten die steigenden Summen zum Problem werden?
Aus Sicht des Staates hat ein Auktionsdesign, das die Teilnehmer zum Weitermachen zwingt, auch Vorteile: Die Einnahmen fließen in die Staatskasse. Die Bundesregierung will davon den Ausbau des Glasfasernetzes finanzieren. Das ist dringend notwendig. Schließlich gilt ein dichtes Glasfasernetz als Voraussetzung für den 5G-Mobilfunk.
Kritiker wenden jedoch ein, dass die Lizenzversteigerung den Netzausbau verteuert. Das Geld sollte stattdessen direkt in die Infrastruktur investiert werden. Darüber klagen nicht nur die Telekom-Unternehmen. Auch Verbraucherschützer, Gewerkschaften und Netzaktivisten hinterfragen das 5G-Auktionsverfahren. Sie fürchten, dass die hohen Gesamtkosten am Ende auf die Nutzer umgewälzt werden und der Wirtschaft schaden.
Der Ökonom Alkas teilt diese Sorgen nicht. Selbst die jetzt gebotenen Summen würden den Unternehmen nicht wehtun, meint er. "Das macht nur ein paar Prozent des Gesamtumsatzes aus. Die können den Netzausbau trotzdem stemmen."
Auch die Grünen-Politikerin Katharina Dröge deutet die steigenden Gebote als ein Zeichen für die hohe Gewinnerwartung der Mobilfunkkonzerne. "Die Auflagen für den Ausbau des 5G-Netzes waren offensichtlich zu gering", sagte sie t-online.de. "Nur so lässt sich der hohe Preis erklären, den die Mobilfunkanbieter bereit sind, für die Frequenzen zu zahlen."
- Gesundheitsrisiken durch 5G: Wie gefährlich ist das neue Handynetz?
- Bieter-Streit um 5G: Warum die Auktion nicht gut ausgehen wird
- Kampf um 5G-Frequenzen: Telekom hadert mit Auktionsbedingungen
- Kritik an hohen 5G-Auktionserlösen: Wer zahlt die Zeche?
Welche Lehren die Bundesnetzagentur und Regierung aus dem Verlauf der 5G-Auktion ziehen werden, bleibt abzuwarten. Im Nachbarland Österreich war die Versteigerung der 5G-Mobilfunkfrequenzen übrigens nach drei Wochen vorbei. Der Erlös: 188 Millionen Euro. Drei Wochen später ging Europas erstes kommerzielles 5G-Netz live.
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- Eigene Recherche
- Bundesnetzagentur: "Frequenzauktion 2019 - Frequenzen für 5G"