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US-Regierung bestätigt Handy-Spionage in Washington


Ausländische Spionage?
Geheimdienste sollen Handys in US-Hauptstadt abhören

ap, Benjamin Wünsch

05.04.2018Lesedauer: 3 Min.
Kunstinstallation vor dem Weißen Haus in Washington: Droht den USA ein Abhörskandal?Vergrößern des Bildes
Kunstinstallation vor dem Weißen Haus in Washington: Droht den USA ein Abhörskandal? (Quelle: Pat Benic/imago-images-bilder)
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Es gibt Geräte, die sich wie Mobilfunksender verhalten und damit zur Ortung und zum Auslesen von Daten benutzt werden können. Mit offiziellen Warnungen halten sich die US-Behörden trotzdem zurück – denn in vielen Fällen nutzen sie die Technik für eigene Zwecke.

Datenschützer sehen eine Sicherheitslücke, Bürgerrechtler fürchten Eingriffe in die Privatsphäre. Nun zeigt sich, dass die sogenannte "Stingray-Technik", mit der Ermittler in den USA etwa Smartphones von Verdächtigen überwachen, gerade auch für die Behörden des Landes eine Gefahr ist. Bereits seit einigen Jahren wurde spekuliert, dass ausländische Geheimdienste sie in Washington zur Spionage nutzen. Erstmals hat die amerikanische Regierung nun die Entdeckung fremder Anlagen bestätigt.

In einer Antwort auf eine Anfrage des Senators Ron Wyden erklärte das Heimatschutzministerium, im vergangenen Jahr seien in der Hauptstadt Geräte gefunden worden, mit denen Mobilfunkmasten nachgeahmt worden seien. Wie viele es waren, oder wer der Betreiber gewesen sein könnte, wurde nicht angegeben. Aus dem Schreiben vom 26. März, das der Nachrichtenagentur AP vorliegt, geht zudem hervor, dass in der Sache von offizieller Seite kaum etwas unternommen wird.

Die Geräte, um die es geht, haben meist die Größe einer Aktentasche. Einige sind so klein, dass sie in eine Hosentasche passen. Durch das Simulieren eines Funkmasten werden Smartphones dazu verleitet, Daten zu übertragen. Die Betreiber der Anlagen kennen damit die genauen Aufenthaltsorte der Handys – und damit meist auch die ihrer Besitzer.

Gespräche mithören, Texte mitlesen

Besonders ausgefeilte Versionen der Geräte können auch Gespräche mithören, Texte mitlesen oder gar Schadsoftware überspielen. Je nach Ausführung kosten die Geräte zwischen 1.000 und 200.000 Dollar (etwa 800 bis 160.000 Euro).

In einer Stadt wie Washington kann der Einsatz der Technik für Geheimdienste und Cyberkriminelle sehr reizvoll sein. Die Geräte können etwa in einem Auto liegen, das in der Nähe eines Regierungsgebäudes geparkt wird. Einige Modelle eignen sich auch für eine Überwachung aus der Luft, etwa mit einer Drohne. In Washington leben Tausende Mitarbeiter der US-Streitkräfte, der Bundespolizei FBI und anderer Sicherheitsbehörden. Einige von ihnen verschlüsseln zwar ihre Kommunikation. Viele andere können aber leicht in die Falle tappen.

"Regelwidrige Aktivitäten" im Raum Washington

Der demokratische Senator Wyden bat im November um Informationen über nicht genehmigte Einsätze solcher Mobilfunkmastsimulatoren. Christopher Krebs vom Heimatschutzministerium schrieb nun, dass "regelwidrige Aktivitäten" im Raum Washington beobachtet worden seien. Für ein flächendeckendes Aufspüren von illegalen Stingrays würden dem Ministerium aber sowohl die Ausrüstung als auch die finanziellen Mittel fehlen. Krebs betonte, dass die Geräte durchaus "eine Bedrohung für die nationale und wirtschaftliche Sicherheit der USA darstellen könnten".

Laut einem anderen Mitarbeiter des Ministeriums, der nur gegen Zusicherung von Anonymität mit der AP sprach, weil der Brief bisher nicht veröffentlicht worden ist, stammen die Erkenntnisse aus einer dreimonatigen Testphase mit Sicherheitsausrüstung des Unternehmens ESD America, die im Januar 2017 begann. Der Leiter des in Las Vegas ansässigen Herstellers, Les Goldsmith, bestätigte, dass es eine Zusammenarbeit mit dem Ministerium gebe, wollte sich darüber hinaus aber nicht zum Thema äußern.

Gegenmaßnahmen gefordert, nichts passiert

2014 hatten Goldsmith und andere Experten für IT-Sicherheit mit der Entdeckung von Mobilfunkmastsimulatoren in unmittelbarer Nähe des Weißen Hauses, des Obersten Gerichtshofs, des Pentagons und des Handelsministeriums für Aufsehen gesorgt. Seitdem warnen Abgeordnete immer wieder vor den Gefahren und fordern geeignete Gegenmaßnahmen. Doch die Regierung zeigt wenig Interesse. Ein vor vier Jahren gebildeter Ausschuss der Netzaufsichtsbehörde FCC (Federal Communications Commission) legte nie einen Bericht vor und trifft sich inzwischen auch nicht mehr regelmäßig.

Nach Einschätzung von Aaron Turner, der 2014 ebenfalls an der Aufdeckungsaktion teilnahm, hat sich in den vergangenen Jahren wenig geändert. Ähnlich wie in anderen wichtigen Hauptstädten der Welt gebe es in Washington unzählige nicht autorisierte Geräte zum Abfangen von Daten, sagt der Leiter der Beratungsgesellschaft Integricell. Jede Botschaft, die "ihren Namen wert" sei, habe einen eigenen Mobilfunkmastsimulator. Die Anlagen der Russen seien so stark, dass sie Personen auch noch in mehr als einer Meile (1,6 Kilometer) Entfernung überwachen könnten, sagt Turner.

Abschalten bringt auch Nachteile

Ein konsequentes Ausschalten aller illegalen Stingrays würde Experten zufolge eine umfassende Aufwertung der Netze erfordern. Und die wäre extrem teuer. Gleichzeitig könnte dies die Arbeit der Behörden beeinträchtigen. Nach Angaben der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union wird die Technik nicht nur von den Geheimdiensten, sondern in mindestens 25 US-Staaten auch von der Polizei genutzt.

Innerhalb der FCC gebe es keinen politischen Willen, sich gegen den Widerstand der Sicherheitsbehörden mit dem Problem zu befassen, sagt Gigi Sohn, die Beraterin des früheren FCC-Leiters Tom Wheeler war.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur AP
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