"Haven" im Test Das kann Edward Snowdens Spionage-App
Die neue App „Haven: Keep Watch“ verwandelt ein altes Android-Smartphone in eine Wanze. Statt auffälliger Überwachungskamera einfach ein altes Handy herumliegen lassen, um einen Raum zu überwachen? t-online.de hat Edward Snowdens Spionage-App getestet.
Wer ganz sicher gehen möchte, dass niemand in Abwesenheit seinen Laptop anrührt, legt ein altes Android-Smartphone drauf, auf dem „Haven“ installiert ist. Sobald jemand das Telefon anhebt, um den Laptop aufzuklappen, registriert dies der Bewegungssensor des Smartphones und die App macht ein Foto mit der Frontkamera, ohne dass ein potenzieller Angreifer etwas davon mitbekommt. Das ist nur einer von vielen denkbaren Einsatzzwecken: „Haven“ registriert auch, wenn das Licht eingeschaltet wird und überwacht Räume auf Geräusche und Gespräche.
Die App gibt es bisher ausschließlich für Android und ist kostenlos im Google Play Store erhältlich. Nach der Installation führt sie die Anwender durch Dialoge, in denen man festlegen kann, auf welche im Telefon eingebauten Sensoren die App reagieren oder ab welcher Lautstärke sie Geräusche aufzeichnen soll. Es ist sogar möglich, im Alarmfall automatisch eine SMS an eine beliebige Nummer zu senden. Wer auf die SMS verzichtet, kann später in der App ein ausführliches Protokoll nachlesen, was in seiner Abwesenheit passiert ist.
Noch tief in der Testphase
Das „Beta“ (Testversion) im Namen ist durchaus ernst zu nehmen. So stürzte die App auf einigen Testgeräten direkt nach dem Start ab. Und auch die Einstellungen arten schnell in eine längere Fummelei aus. Stellt man die App zu empfindlich ein, hagelt es Fehlalarme, umgekehrt „überhört“ die App leicht mal, dass jemand ein Zimmer betritt. Auch gelang in unserem Test bei normaler Beleuchtung kaum ein Foto, auf dem sich etwas erkennen ließ. Wer meint, sich mit der App vor Eindringlingen schützen zu müssen, kann sich zumindest noch nicht auf sie verlassen. Immerhin sind den Entwicklern zufolge die Daten, die „Haven“ gewinnt, sicher unter Verschluss. Denn die Protokolle, Bilder und Audiodateien werden nur auf dem Telefon gespeichert und nirgendwo hochgeladen. Da die App als "Open Source"-Programm veröffentlicht wurde, können interessierte Programmierer weltweit dies auch leicht überprüfen.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Youtube-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren Youtube-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Hinter der App steckt neben dem US-Whistleblower Edward Snowden die Programmierer-Gruppe „The Guardian Project“, eine weltweiter Verbund von Software-Entwicklern, die Sicherheits-Apps für Smartphones programmieren und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Mit im Boot ist die „Freedom of Press Foundation“, die sich weltweit für Pressefreiheit und den Schutz von Whistleblowern und investigativen Journalisten einsetzt. Und für diese Zielgruppe ist die App auch gedacht: Menschen, die befürchten müssen, dass Gauner oder Geheimdienste heimlich in ihre Wohnung einbrechen, um Wanzen anzubringen oder Festplatten zu kopieren. Wer nicht zu diesem Personenkreis zählt, muss schon ziemlich paranoid sein, um eine App wie "Haven" einzusetzen – oder hat vielleicht selber böse Absichten.
Fragwürdige Wohnzimmer-Spionage
Denn die App kann auch dazu benutzt werden, um Mitmenschen auszuspionieren. Immerhin haben die Macher ein paar Bremsen eingebaut: So enden die Audio-Schnipsel, die „Haven“ aufzeichnet, schon nach wenigen Sekunden. Ganze Gespräche lassen sich damit nicht abhören. Trotzdem lässt sich mit „Haven“ heimlich protokollieren, wann Familienmitglieder oder Mitarbeiter bestimmte Räume betreten oder WG-Mitbewohner den Kühlschrank plündern. Um „Haven“ zu nutzen, sollte man schon sehr gute Gründe haben. Denn wer die App im Privatbereich oder gar in der Intimsphäre seiner Mitmenschen einsetzt oder außerhalb der eigenen vier Wände ohne Warnung benutzt, macht sich mit Sicherheit strafbar.