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AI Act: Trilog in Brüssel entscheidet über EU-Regulierung von KI


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"Es geht um die Zukunft unserer Zivilisation"
KI-Regulierung: Europa steht kurz vor einem Durchbruch


06.12.2023Lesedauer: 3 Min.
EU-PROCUREMENT/Vergrößern des Bildes
Europaflaggen vor dem Hauptquartier der EU-Kommission in Brüssel: Der Gesetzentwurf zum AI Act steht kurz vor dem Abschluss. (Quelle: YVES HERMAN/reuters)
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Trilog in Brüssel: EU-Parlament, -Kommission und -Rat verhandeln über das KI-Gesetz, den sogenannten AI Act. Die Entscheidung wird weitreichende Konsequenzen haben.

Die Europäische Union steht kurz davor, einen Gesetzentwurf für die einheitliche Regulierung von künstlicher Intelligenz (KI) zu erlassen. Über wichtige Punkte wird heute diskutiert. Die ursprüngliche Fassung des AI Acts wurde im April 2021 vorgelegt, seitdem wurde der Entwurf mehrfach überarbeitet. Bis Ende des Jahres soll die finale Fassung vorliegen.

Doch bis dahin sind vor allem die sogenannten Foundation Models wichtige Streitpunkte. Damit sind Grundlagen- oder Basismodelle gemeint, zu denen auch OpenAIs bekannter Chatbot ChatGPT gehört. Sie sind besonders leistungsfähige Systeme. Die Foundation Models werden mithilfe riesiger Datenmengen trainiert und können anschließend an eine Vielzahl von nachgelagerten Aufgaben angepasst werden.

Deutschland, Frankreich und Italien setzen auf Selbstverpflichtung

Hierbei kam es in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder zu Auseinandersetzungen zweier Lager: Deutschland, Frankreich und Italien lehnen eine Regulierung solcher Modelle ab. Stattdessen setzen sie auf eine Selbstverpflichtung der Anbieter.

Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) betonte im Gespräch mit dem Branchenverband der deutschen Digital- und Telekommunikationsbranche Bitkom: "Wir brauchen KI, um wettbewerbsfähig zu bleiben und deswegen müssen wir diese Technologie selbst beherrschen und dürfen sie nicht nur importieren."

"Moralisch anfangen, kommerziell enden"

Demgegenüber stehen Deutschlands Datenschützer sowie die Vertreter des Europaparlaments. So sagt Europaabgeordneter Sergey Lagodinsky (Bündnis 90/Die Grünen) zu t-online: "Wir wollen eine klare Regulierung. Was wir seit Jahren im Bereich der Innovation und der Marktplatzierung sehen, ist ein ständiger Versuch, moralisch anzufangen, aber kommerziell zu enden. Und dass die moralischen Gesichtspunkte der Unternehmen immer mehr verblassen, je stärker der Marktdruck ist. Dementsprechend können wir nicht auf den guten Willen der Unternehmen zählen."

Aus diesem Grund gibt es nach Einschätzung Lagodinskys beim Thema Basismodelle "wenig Raum für Bewegung". Allerdings betont er, dass Innovation in Europa auch mit Regulierungen möglich sei, zum Beispiel durch Ausdifferenzierung oder Ausnahmeregelungen. Für ihn ist es jedoch wichtig, "die Flugschneisen für diese Innovation schon jetzt festzulegen, bevor es zu spät ist. Wenn wir eine Kombination zwischen regulatorischen und auch selbstverpflichtenden Ebenen schaffen wollen, dann muss es ein ausreichendes Maß an verlässlicher Regulierung geben. Es geht um die Zukunft unserer Zivilisation."

Gesichtserkennung in Echtzeit

Ein weiterer Punkt, der für Gesprächsstoff sorgt, ist die Echtzeitnutzung von biometrischen Daten, zum Beispiel durch KI-gestützte Gesichtserkennungssoftware. Das Europäische Parlament hat sich ganz klar gegen eine solche Echtzeitüberwachung im öffentlichen Raum ausgesprochen.

Allerdings wollen EU-Kommission und -Rat dieses Verbot unter dem Vorwand der Kriminalitätsbekämpfung lockern. Außerdem ist unklar, inwieweit eine biometrische Identifizierung später noch möglich wäre, zum Beispiel wenn eine Ausnahme für die "nationale Sicherheit" hinzugefügt wird – oder im Falle einer schweren Straftat und mit Richtervorbehalt.

Missbrauchspotenzial "unglaublich groß"

Tobias B. Bacherle (Bündnis 90/Die Grünen) ist Mitglied des Deutschen Bundestags und Obmann im Digitalausschuss. Er sieht im Falle einer solchen Massenüberwachung die Grundrechte der Bürger in Gefahr. Im Gespräch mit t-online sagt er: "KI birgt enorme Chancen, aber das Missbrauchspotenzial ist gleichzeitig unglaublich groß. Wir sehen, dass in vielen Innenministerien immer wieder von Überwachung geträumt und nun versucht wird, diese Haltung hier an der Stelle durchzusetzen. Auch ein Richtervorbehalt lässt sich im Nachhinein absegnen. Und das ist wirklich extrem kritisch zu beobachten. Es wäre eine vertane historische Chance, diesen Überwachungsfantasien hier im AI Act nicht einen Riegel vorzuschieben."

Bacherle ist ebenfalls davon überzeugt, dass Innovationen in Deutschland von klaren Regeln und Schranken profitieren, da diese den Unternehmen eine Rechtssicherheit bieten: "Und die muss jetzt gegeben sein und klare Ziele formulieren, in welchem Rahmen Innovationen, die auf KI basieren, entwickelt werden können. Ich glaube, das ist eine große Chance, die uns am Ende voranbringt."

Blockade der Verhandlungen angedroht

Insidern zufolge sei im Streit über die Regulierung von KI "keine Einigung in Sicht", berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Mit Blick auf die Debatte um Basismodelle haben Frankreich und Italien sogar eine Blockade des Verhandlungsabschlusses angedroht. Für Bacherle sei es daher umso wichtiger gewesen, "dass sich die Bundesregierung mit den Blockiererstaaten zusammengesetzt hat und einen Kompromissvorschlag erarbeitet hat, der es ermöglicht, dass jetzt wieder über diese Frage verhandelt werden kann".

"Die Hoffnungen, die auf dem AI Act liegen, sind groß", meint Bacherle. "Es besteht die Chance, hier Standards zu setzen. Umso entscheidender, dass jetzt ein guter Kompromiss gefunden wird."

Ob das gelingt, wird sich zeigen. Doch selbst ChatGPT kann nicht sagen, ob es zur Einigung kommen wird: "Oh, da bin ich mir nicht sicher", so die Antwort des KI-Chatbots. "Es kann manchmal schwierig sein, politische Entwicklungen vorherzusagen." Cleveres Kerlchen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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