Klimaneutrale Energiegewinnung Wissenschaftler feiern Durchbruch bei Kernfusion
US-Forscher haben ein wichtiges Ergebnis bei der Kernfusion erzielt. Es ist ihnen erstmals gelungen, dabei mehr Energie zu gewinnen als zu verbrauchen.
Das große Vorbild ist die Sonne: In ihrem Inneren verschmelzen Atomkerne zu einem neuen und setzen dabei sehr viel Energie frei. Seit Jahrzehnten suchen Wissenschaftler nach einem Weg, es der Sonne gleichzutun. Doch bislang verbrauchten sie mehr Energie, um eine vergleichbare Kernfusion herbeizuführen, als sie dadurch gewannen. Jetzt ist Forschern der National Ignition Facility (NIF) in Kalifornien der Durchbruch gelungen. Das teilte US-Energieministerin Jennifer Granholm auf einer Pressekonferenz mit.
"Es ist ein wissenschaftlicher Durchbruch und ein unglaubliches Ingenieurswunderwerk", lobte die Wissenschaftsberaterin des Weißen Hauses, Arati Prabhakar, den Erfolg der Forscher.
Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sprach am Mittwoch von einem "historischen Tag für die Energieversorgung der Zukunft". "Erstmals haben Forschende gezeigt, dass man die Sonne tatsächlich auf die Erde holen und mit der Fusion netto Energie erzeugen kann", erklärte die Ministerin. "Das wird die Energieversorgung revolutionieren und unseren Energiemix perspektivisch um eine klimaneutrale, verlässliche und wirtschaftliche Quelle ergänzen."
Das auf vorläufigen Daten basierende Resultat ist zweifellos ein wichtiger Schritt, um neue Energiequellen zu erschließen, die möglicherweise eines Tages klimaneutral und sicher Strom in riesigen Mengen erzeugen könnten.
Weiter Weg zur kommerziellen Energiegewinnung
Bis zu einer industriellen und rentablen Nutzung der Kernfusion sei es aber immer noch ein weiter Weg, sagte die Wissenschaftliche Direktorin am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP), Sibylle Günter, zu t-online.
Nach mehr als zehn Jahren Experimentierzeit hätten die NIF-Forscher mit ihrer Methode namens "Indirect drive" zwar erstmals eine wirklich relevante Fusionsenergie freigesetzt. Wissenschaftler seien sich aber einig, dass man damit noch keine ausreichend hohe Effizienz erreichen könne, sagt Günter.
"Indirect drive" beschreibt dabei das Verfahren, wie das Wasserstoffpellet – also der Treibstoff für die Fusionsreaktion – auf die nötige Temperatur von über drei Millionen Grad zur Zündung erhitzt wird. Das Verfahren berge jedoch Nachteile, wie Günter sagt.
"Bei der Laserfusion geht es zunächst mal um die 'Zündung' eines Pellets. Das ist schwierig, weil die Situation, dass Laser auf eine schwere Schale schießen, in der sich leichterer Wasserstoff befindet, instabil ist. Daher muss man das Pellet möglichst homogen bestrahlen, was bei direkter Bestrahlung mit Lasern schwierig ist. Deshalb verwendet man bei NIF einen sogenannten Hohlraum, in dem die Laser erst auf eine Wand schießen und dort Röntgenstrahlung erzeugen, die sehr homogen ist. Für ein Kraftwerk ist das vermutlich zu ineffizient, dort muss man direkt bestrahlen."
- Kernfusion: So funktioniert die Zukunftstechnologie
Selbst eine solche direkte Bestrahlung – "Direct drive" – , eigne sich in absehbarer Zeit jedoch nicht zur Energiegewinnung. Weil der Vorgang zur Entzündung des Fusionsmaterials aufwendig sei, könne man das derzeit nur alle paar Tage machen. Ein Kraftwerk, das Strom produziere, müsste das häufiger als zehnmal pro Sekunde tun, so Günter.
Weitere 20 bis 30 Jahre Forschung notwendig
Trotzdem hoffen Wissenschaftler weltweit auf die Kernfusion zur Energiegewinnung. Denn anders als bei der Kernspaltung in Atomkraftwerken gilt die Kernfusion als sicher und recht sauber. Zwar entstehe auch bei diesem Verfahren radioaktiver Abfall, allerdings deutlich weniger. Außerdem sei die Strahlung erheblich kurzlebiger. Treibhausgase entstehen bei der Kernfusion keine.
Aber auch der Projektleiter bei der französischen Atomenergiebehörde (CEA), Érik Lefebvre, dämpft die Erwartungen: Die Entwicklung sei noch nicht so weit, dass die Kernfusion einen Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels leisten könnte.
"Wenn ein paar Laser fehlen und nicht im richtigen Moment gezündet werden, oder wenn der Einschluss des Plasmas durch das Magnetfeld nicht perfekt ist, wird die Reaktion einfach gestoppt", so Lefebvre. Er rechne mit weiteren 20 bis 30 Jahren Forschung und Entwicklung.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa