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Wie aus Hitlers Autofabrik der Weltkonzern VW wurde


Geschichte mit Aufs uns Abs
Wie aus Hitlers Autofabrik der Weltkonzern VW wurde

dpa, Thomas Strünkelnberg

22.05.2018Lesedauer: 4 Min.
Nach der Grundsteinlegung nimmt Adolf Hitler am 26.05.1938 im Volkswagenwerk in der Nähe von Fallersleben einen Volkswagen "Käfer" in Augenschein.Vergrößern des Bildes
Nach der Grundsteinlegung nimmt Adolf Hitler am 26.05.1938 im Volkswagenwerk in der Nähe von Fallersleben einen Volkswagen "Käfer" in Augenschein. (Quelle: Archiv/dpa)
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Die Idee: Autofahren für alle erschwinglich machen. Das Problem: Auch die Nationalsozialisten erkannten einst die Strahlkraft dieser populären Idee und instrumentalisierten sie für ihre Zwecke. Das Ergebnis: Am 26. Mai 1938, einem sonnigen Himmelfahrtstag, legte Adolf Hitler den Grundstein für das Herz des heutigen Autogiganten Volkswagen – das Werk in Wolfsburg.

Bis der erste "Käfer" vom Band lief – eine automobile Legende, die den Aufstieg von Volkswagen erst ermöglichte – sollte noch viel Zeit vergehen. 80 Jahre später und trotz aller Krisen, darunter der milliardenteure Abgasskandal, ist der Riesen-Konzern der weltgrößte Autobauer.

Dabei entpuppte sich das hehre Ziel, möglichst allen Menschen das Autofahren nahezubringen und bezahlbar zu machen, in der Nazi-Zeit schnell als Lüge und Utopie – die Stunde des ersten Volkswagens, des später liebevoll "Käfer" genannten Typs 1, schlug erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Und für 990 Reichsmark, wie die Nazis warben, war er nie zu haben. Andere preisgünstige Autos waren mindestens um ein Drittel teurer, wie VW-Sprecher Dieter Landenberger sagt. Doch selbst die 990 Reichsmark der NS-Propaganda seien für viele Menschen unerschwinglich gewesen.

Produktion von Kübel- und Schwimmwagen für die Front

Statt des "Käfers" rollten zunächst Kübel- und Schwimmwagen aus den Wolfsburger Werkshallen an die Fronten, auch Flugzeugteile oder Panzerfäuste wurden hergestellt. Ein düsteres Kapitel: Die VW-Geburt hängt zusammen mit dem Schicksal von Zwangsarbeitern, die in den Kriegsjahren 1943/44 zeitweise etwa 80 Prozent der Belegschaft stellten, wie Landenberger sagt.

Insgesamt seien es nahezu 20.000 Zwangsarbeiter gewesen. Im deutschen Durchschnitt habe der Anteil der Zwangsarbeiter an den Belegschaften bei etwa 30 Prozent gelegen – der höhere Anteil bei Volkswagen erkläre sich mit der Entstehung des Werks "auf der grünen Wiese": Es habe schlicht zu wenig Arbeitskräfte gegeben.

VW-Konzern ließ NS-Geschichte untersuchen

Volkswagen gab 1986 den Auftrag, die eigene NS-Geschichte zu untersuchen, der Konzern beteiligte sich zudem an der im Jahr 2000 gegründeten Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ), die nach eigenen Angaben insgesamt etwa 4,4 Milliarden Euro an fast 1,7 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter der NS-Diktatur auszahlte.

Hitler, der Porsche bewunderte, nahm zwischenzeitlich selbst regen Anteil an der Entwicklung des Volkswagens, des damals sogenannten Kdf-Wagens – nach dem Namen der NS-Organisation Kraft durch Freude (KdF). Nach "Verwertung der Kriegserfahrungen mit diesem Fahrzeug" werde dem deutschen Volk ein Automobil beschert, das "unübertreffbar" sei, sagte der Diktator einst in seinen Tischgesprächen. Doch an zivilen Fahrzeugen verließen bis Kriegsende laut Landenberger nur rund 600 Stück die Werkshallen – vor allem für Staatsstellen und Privilegierte, die dem Regime nahestanden.

Dass schon die Nazis in Wolfsburg – auch die Stadt entstand damals – von Anfang an groß gedacht hatten, zeigen die Ausmaße der noch heute einschüchternd wirkenden Fabrik am Mittellandkanal, deren mit enteignetem Gewerkschaftsvermögen finanzierter Bau schon kurz vor der Grundsteinlegung begonnen hatte. Eigentlich begann die VW-Geschichte aber noch früher: Am 28. Mai 1937 wurde die "Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH" gegründet, und schon 1934 hatte der Reichsverband der Automobilindustrie Ferdinand Porsche damit beauftragt, den ersten Volkswagen zu konstruieren.

Grundsteinlegung wurde zur Nazi-Propaganda genutzt

Landenberger betont, bei der Grundsteinlegung habe es sich weder um den Gründungsakt des Unternehmens noch der Stadt Wolfsburg gehandelt. Dass die Grundsteinlegung aber als moderner Mythos in der kollektiven Erinnerung bis heute eine große Rolle spiele, sei der Tatsache geschuldet, dass sie mit etwa 50.000 Teilnehmern als Großereignis von der Nazi-Propaganda inszeniert worden sei.

Vorgesehen war für das Volkswagen-Werk nach Vorstellungen der Nazis eine theoretische Jahresproduktion von bis zu 1,5 Millionen Autos – zu einer Zeit, als die gesamte deutsche Autobranche pro Jahr 380.000 Wagen fertigte. Dass VW dereinst noch wesentlich größer werden sollte – das war Zukunftsmusik.

Und nach dem Krieg sah zunächst auch wenig nach Größe aus: Die Briten stellten die Weichen für den Aufstieg von Volkswagen, und mit ganzen 55 Fahrzeugen startete im Dezember 1945 die Produktion des Typs 1. 1947 begann der Export. Genau genommen handelte es sich um 5 Fahrzeuge für die Niederlande.

Wirtschaftswunder rund um Volkswagen

Aber damit begann es, das Wirtschaftswunder rund um Volkswagen und den beliebten "Käfer". Von Anfang an war Volkswagen ein besonderer Konzern mit besonders starkem Einfluss der Arbeitnehmerseite und des Landes Niedersachsen – das umstrittene VW-Gesetz, das den Sonderstatus des Landes und seine Sperrminorität bei einem Stimmrechtsanteil von 20 Prozent sichert.

Was dann folgte, war ein Aufstieg ohnegleichen: In den acht Jahrzehnten seit der Grundsteinlegung entwickelte sich Volkswagen zum größten Autobauer der Welt. Der Konzern umfasst heute zwölf Marken – darunter die Stammmarke VW, aber auch Audi, Porsche oder Skoda. Die Unternehmensgruppe beschäftigt mehr als 640.000 Mitarbeiter und liefert jährlich mehr als 10 Millionen Fahrzeuge aus.

Geschichte mit vielen Aufs und Abs

Außerdem ist die Geschichte des Weltkonzerns reich an Affären und Konflikten: die existenzbedrohende Krise Anfang der 1990er Jahre, der Skandal um Schmiergelder und Lustreisen auf Firmenkosten, die Übernahmeschlacht mit Porsche, der Machtkampf des schließlich doch entthronten Ex-Konzernchefs Martin Winterkorn mit dem langjährigen Mentor und Chefaufseher Ferdinand Piëch. Alles in den Schatten stellte aber "Dieselgate".

Denn im September 2015 rutschte Volkswagen in die wohl tiefste und gefährlichste Krise seiner Geschichte. Damals gab VW zu, in großem Stil bei Abgastests von Diesel-Fahrzeugen getrickst zu haben – und ringt nach zahlreichen Klagen und milliardenschweren Vergleichen in den USA noch immer um Vertrauen. Immer wieder schien es zwischenzeitlich, als sei die Krise ausgestanden, aber immer wieder holte der Skandal den Autobauer ein.

Zuletzt Anfang Mai: Kaum hatte der neue Konzernchef Herbert Diess auf der Hauptversammlung gefordert, Volkswagen müsse "anständiger werden", da platzte die Nachricht wie eine Bombe: Die US-Justiz will Ex-Chef Winterkorn im Abgasskandal vor Gericht bringen. Die Affäre dürfte Volkswagen noch lange beschäftigen.

Verwendete Quellen
  • dpa
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