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Jens Spahn gerät in Bedrängnis: Eine Unverschämtheit


Meinung
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Spahn in Bedrängnis
Eine Unverschämtheit

  • Florian Wichert
MeinungEin Kommentar von Florian Wichert

Aktualisiert am 24.12.2021Lesedauer: 4 Min.
Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bei einer Bundespressekonferenz, wo er nicht immer die beste Figur abgegeben hat.Vergrößern des Bildes
Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bei einer Bundespressekonferenz, wo er nicht immer die beste Figur abgegeben hat. (Quelle: imago-images-bilder)
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Während er den Impfstoff von Biontech für die Bürger rationierte, versorgte er als Gesundheitsminister großzügig seine Parlamentskollegen – und ramponiert nicht nur sein Image.

Die feinen Damen und Herren Abgeordnete – am Ende sind sie doch etwas Besseres und Wichtigeres als der Rest der Bevölkerung. Das ist es, was hängen bleiben wird. Leider.

Für die Politik und die Mitglieder des Bundestags ein Imageschaden, den sie in erster Linie nur einem zu verdanken haben: dem ehemaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

10.000 Dosen Biontech für den Bundestag

Wie meine Kollegen Nora Schiemann und Daniel Mützel herausgefunden haben (Lesen Sie hier die ganze Recherche), hat Spahn seine Kollegen im Parlament samt Mitarbeitern und Verwaltungsangestellten großzügig mit dem eigentlich knappen Premiumimpfstoff von Biontech versorgt – und zwar während er diesen für die Bürger rationierte.

Nicht weniger als 10.000 Dosen orderte das Bundesgesundheitsministerium unter der Leitung von Spahn für die Auffrischungsimpfungen im Bundestag. Obwohl es der Bundestagsverwaltung laut eigenen Angaben egal war, welchen mRNA-Impfstoff die Abgeordneten bekommen.

Sie hätte sich also auch mit dem in weiten Teilen der Bevölkerung unbeliebten und ausreichend vorhandenen Moderna-Impfstoff zufriedengegeben, der allen Experten und Institutionen zufolge dem von Biontech vollkommen ebenbürtig in seiner Wirksamkeit ist – und lediglich ein Imageproblem hat. Das Spahn-Ministerium wollte aber lieber Biontech.

Spahn hat es doppelt verbockt

Es hätte gereicht, wenn es dem Minister nach der Bestellung noch gedämmert hätte, dass dies ein fatales Signal an die Bürgerinnen und Bürger ist.

Was wäre das für ein Zeichen gewesen, hätten das Gesundheitsministerium oder die Bundestagsverwaltung die 10.000 Dosen des Biontech-Impfstoffes noch abgegeben und der gesamte Bundestag sich – am besten öffentlich – mit dem Impfstoff von Moderna boostern lassen?

So eine Aktion hätte das Image der Politik auf einen Schlag korrigieren und gleichzeitig der Impfkampagne einen gigantischen Schub geben können.

Spahn hätte das nur anstoßen müssen.

Hätte.

Hat er aber nicht.

Die Einsicht blieb aus. Und damit hat er die vielleicht größte Chance der Pandemie liegen lassen und es gleich doppelt verbockt.

Spahn gerät in Erklärungsnot

Dabei ist es natürlich nicht illegal, was das Gesundheitsministerium und Spahn getan haben. Auch in diversen Impfzentren und Arztpraxen wird der Impfstoff von Biontech an verschiedenste Altersgruppen verimpft, sofern er denn vorhanden ist. Und natürlich hilft jede Impfung, um den Weg aus der Pandemie zu beschreiten, gerade aktuell und in Anbetracht der nahenden Omikron-Welle.

Trotzdem ist diese Impfaktion im Bundestag eine Frechheit.

Und sie bringt Spahn in große Erklärungsnot. Auch wenn er nicht mehr im Amt ist, muss jetzt Schluss sein mit dem Wegducken, wie er das in den vergangenen Wochen getan hat. Zum Beispiel nach den Vorwürfen seines Nachfolgers Karl Lauterbach, der ihm nach einer Inventur Versäumnisse bei der Beschaffung von Impfstoff vorgeworfen hatte.

Da gab es nur ein fraktionsinternes Schreiben der CDU („Karl Lauterbach ruft Feuer, um dann Feuerwehr zu spielen – obwohl er weiß, dass es gar nicht brennt“). Spahn schweigt bis heute.

Ein Sturm der Entrüstung

Doch in einer Jahrhundertkrise kann man sich nicht einfach irgendwo einbuddeln – samt der unangenehmen Fakten.

Und die besagen nun mal, dass es Spahn war, der offensiv und öffentlich noch am 22. November für den Impfstoff von Moderna mit den Worten geworben hat: "Manche impfenden Ärzte sagen: Biontech ist der Mercedes unter den Impfstoffen und Moderna ist der Rolls-Royce."

Sie belegen, dass es sein Staatssekretär Thomas Steffen war, der am 19. November gegenüber den Ländern ankündigte, künftig nur noch 30 Biontech-Dosen pro Impfarzt und Woche zur Verfügung stellen zu wollen.

Keine Antwort auf den Trugschluss

Es war Spahn, der die Empfehlung der Stiko unterstützte, Biontech in erster Linie für Schwangere und junge Menschen zu verwenden, Moderna für die ab 30 Jahren.

Es war auch Spahn, der keine rechte Antwort auf die Stimmung in Teilen der Bevölkerung fand, in der leider nur der Trugschluss hängen geblieben war, dass Biontech besser sei als Moderna.

Und: Sein Ministerium hat die Bestellungen zu verantworten, die dafür sorgen, dass der Impfstoff von Biontech knapp ist – während die Dosen von Moderna so zahlreich zur Verfügung stehen, dass sie zu verfallen drohen.

Und nun war es Spahns Ministerium, das ganz offensichtlich großzügig Mengen an Biontech-Impfstoff für den Bundestag beschafft hat. Für Abgeordnete und Mitarbeiter also, die überwiegend älter als 30 Jahre sind und der Stiko-Logik zufolge den Impfstoff von Moderna erhalten sollten.

Nur eine Woche liegt dazwischen

Es ist kaum zu glauben, aber zwischen der ersten Lieferung von Biontech für den Bundestag und der öffentlichen Ankündigung Spahns, den Impfstoff des Mainzer Biotechnologieunternehmens für Ärzte begrenzen zu wollen, lag lediglich EINE WOCHE.

Man fragt sich zwangsläufig: Ringt die Politik nicht ohnehin gerade um Vertrauen und Glaubwürdigkeit? Ändert sich die Pandemielage nicht ohnehin vom einen auf den anderen Tag so stark, dass eine Aussage von gestern heute bereits überholt sein kann? Muss die Bundesregierung nicht gerade das größte Versprechen der vergangenen Jahre kassieren, keine Impfpflicht einzuführen?

Doch. Und deshalb ist dieser Fall eine Unverschämtheit.

Spahn muss sich erklären – jetzt

Das Problem sind dabei nicht die Spitzenpolitiker, die Beschlüsse überdenken und Maßnahmen nachsteuern. Das verzeiht die Bevölkerung nicht nur, das ist sogar unbedingt notwendig, um Leben zu retten in dieser Ausnahmesituation. Selbst bei der Impfpflicht.

Das Problem sind Politiker, die ihre Position ausnutzen wie bei der Maskenaffäre (Alle wichtigen Infos dazu finden Sie hier). Die sich für etwas Besseres und Wichtigeres halten als den Rest der Bevölkerung. Oder – wie in diesem Fall – zumindest den Anschein vermitteln, dies zu tun. Die Wasser predigen und Wein trinken.

Das ist genauso eine Frechheit wie die halbgare Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf die t-online-Anfrage.

Wenn Jens Spahn nicht schon sein Amt hätte abgeben müssen, wäre es spätestens jetzt an der Zeit. Da er also nicht mehr zurücktreten kann, muss er sich zumindest erklären. Und zwar jetzt.

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