TV-Tipp "Die Heiland": Als blinde Juristin Tätern auf der Spur
Berlin (dpa) - Die Heiland ist wieder da. Jauchzend braust die Berliner Anwältin gleich zu Anfang am Steuer eines Autos bei hoher Geschwindigkeit über den Asphalt. Dabei ist sie doch blind.
Dennoch droht keine Gefahr. Es handelt sich auch um eine Teststrecke an einem Aktionstag für Menschen ohne Sehkraft. Mit einem ebenfalls blinden jungen Mann, der als Autofahrer im Großstadtverkehr einen schweren Unfall verursacht haben soll, bekommt es die TV-Juristin (Christina Athenstädt) am Dienstag um 20.15 Uhr zu tun. Dann läuft die dritte Staffel der populären Krimiserie "Die Heiland - Wir sind Anwalt" im Ersten an. "Ausgeknockt!" heißt der Fall.
Romy Heiland zweifelt an der Schuld ihres Mandanten Viktor Klimov (Oskar Bökelmann), der bei seiner dem Wodka zugetanen Mutter (Malina Ebert) und seiner halbwüchsigen Schwester (Virginia Leithäuser) in einem Plattenbau wohnt. Sein Augenlicht hat der aggressiv und maulfaul auftretende Viktor erst vor kurzem verloren - bei einem Kampf, der eigentlich ein wichtiger Schritt seiner bis dahin sehr erfolgreichen Karriere im Boxsport sein sollte. Ausgerüstet mit ihrem klugen Kopf und weißem Blindenstock, meist am Arm ihrer pfiffigen Assistentin Ada Holländer (Anna Fischer), macht sich die eher feine Anwältin auf den Weg in fremde Milieus, den wahren Täter zu finden.
Nebenbei hat sich Romy noch mit der drohenden Scheidung ihrer Eltern (Peggy Lukac und Rüdiger Kuhlbrodt) auseinanderzusetzen. Und mit den Männern in ihrem Leben: ihrem Liebhaber, dem Staatsanwalt Rudi Illic (Aleksandar Jovanovic), sowie ihrem Ex Ben Ritter (Athenstädts Ehemann und Kollege Peter Fieseler), der auf einmal wieder auftaucht. All das hat Regisseur Jan Bauer nach dem Drehbuch von Stefan Barth gewohnt unterhaltsam in Szene gesetzt. Die Produktion der Olga Film ist im Auftrag der ARD unter Federführung des RBB entstanden.
Für die sensibel und sympathisch agierende Hauptdarstellerin ist die dritte Krimistaffel erst ihre zweite. Denn nach dem plötzlichen Tod der ersten Heiland-Darstellerin Lisa Martinek mit 47 Jahren im Sommer 2019 hat Athenstädt den TV-Part übernommen, der nach dem Vorbild der realen Berliner Strafverteidigerin Pamela Pabst geschaffen wurde.
Bei ihrer Verkörperung einer beruflich und privat selbstständigen und erfolgreichen Frau, die nicht sehen kann, wurde Athenstädt - wie zuvor Martinek - von Pabst gecoacht. "In der dritten Staffel hatte ich eine größere Sicherheit. Ich habe das Blindsein meiner Rollenfigur technisch nicht mehr so beachten müssen, es hat sich mehr oder weniger automatisiert", berichtet die Berliner Schauspielerin im Interview der Deutschen Presse-Agentur von ihren Erfahrungen. "Inzwischen - nach all den Folgen - habe ich manchmal sogar schon Angst, dass ich gar nicht mehr anders kann. Dass ich vielleicht in einer anderen Rolle auch gar nicht mehr richtig hingucke."
Blindheit stellt die 42-Jährige mithilfe einer Schauspieltechnik dar, die aus den USA kommt. "Ich arbeite sehr körperlich mit etwas, das sich "imaginary center" nennt", verrät Athenstädt. Sie stelle sich einen Punkt hinter ihrem Kopf vor - das verändere die Art und Weise, wie man sieht. Dabei würde sie alles vor ihr sehr verschwommen oder gar nicht wahrzunehmen. Selbstbewusst benutzt ihre Romy den weißen Stock, aber auch den Arm ihrer Assistentin. "Das habe ich eins zu eins von Pamela Pabst übernommen", sagt die Schauspielerin.
Athenstädt erklärt, dass sie vom Rollenvorbild auch sonst viel gelernt habe: "Was sie als Anwältin so macht - und wie sie sich als Blinde zurechtfindet. Sie ist eine unglaublich mutige Person. Wenn ich sie nicht kennengelernt hätte, hätte ich mich als Schauspielerin nicht getraut, als Blinde so viel allein zu agieren."
Für Pabst, im wahren Leben Fachanwältin im Straf- und Vollzugsrecht, sind die Aufgaben damit aber noch nicht erledigt. "Neben meiner normalen Tätigkeit ist es gewissermaßen ein tolles Hobby, das auch noch finanziert wird", erzählt die 43-Jährige am Telefon der dpa. Und erklärt: "Ich muss mich schon gut um die Leute kümmern, das macht Arbeit. So bekomme ich alle Drehbücher, zum Teil sogar mehrfach, weil es immer wieder Änderungen gibt. Dabei muss ich auch sagen, was juristisch und auch Blinden-spezifisch geht und was nicht geht."
Pabst gibt ein Beispiel: "Wenn sie bei Gericht "Euer Ehren" und "Einspruch" rufen, dann streiche ich das aus den Drehbüchern raus. Weil ich möchte, dass es so realistisch wie irgend möglich ist."