TV-Tipp Lotte am Bauhaus
München/Hamburg (dpa) – Splitterfasernackt saust eine Gruppe junger Menschen – Männer und Frauen - durch den Wald, um dann schwungvoll in einen See zu springen und sich ungehemmtem Badevergnügen hinzugeben. Eine jugendliche Radfahrerin im braven Matrosenpulli beobachtet die Szene und ist fasziniert.
"Das sind Bauhäusler", erklärt ihr eine Freundin im Film "Lotte am Bauhaus" (Mittwoch, 13. Februar, 20.15 Uhr im Ersten). Woraufhin Lotte (Alicia von Rittberg, "Charité") alles daransetzt, an der gerade erst gegründeten Kunstschule Staatliches Bauhaus aufgenommen zu werden. Ihre wilhelminisch geprägten Tischlermeister-Eltern verweigern ihr jegliche Unterstützung. Wie vielen Zeitgenossen ist ihnen die 1919 in Weimar vom Architekten Walter Gropius gegründete Schule suspekt.
Der später weltberühmte Gropius (1883-1969) hatte damals die konsequente Zusammenführung von Kunst und Handwerk im Sinn. Heute versteht man das Bauhaus als einflussreichste Bildungsstätte im Bereich der Architektur, der Kunst und des Designs im 20. Jahrhundert, die weit mehr als kastenförmige Häuser und die noch immer beliebten Freischwinger-Stühle hervorgebracht hat. Die Institution musste später nach Dessau und Berlin umziehen und wurde von den Nazis zur Selbstauflösung gezwungen. Anlässlich des 100. Jahrestages ihrer Entstehung will das Erste ein großes Fernsehpublikum mit der Strömung vertraut machen, die mit ihren klaren und funktionalen Formen noch immer unser Stilbewusstsein beeinflusst.
Der von Ufa Fiction zusammen mit MDR, SWR sowie der ARD-Tochter Degeto produzierte Film ist eine Würdigung der am Bauhaus tätigen Frauen. Denn neben großen Namen wie Ludwig Mies van der Rohe, Lyonel Feininger, Paul Klee und Wassily Kandinsky sind etwa die Designerin Marianne Brandt, die Textilkünstlerinnen Gunta Stölzl und Anni Albers oder auch die Möbelentwerferin Alma Buscher, die als Vorlage für die Heldin Lotte diente, oft weit weniger im öffentlichen Bewusstsein präsent. "Lotte am Bauhaus" ist Teil eines Themenabends, zu dem noch die Doku "Die Bauhausfrauen" (22.00 Uhr) gehört.
Der von Gregor Schnitzler ("Tatort") nach dem Drehbuch von Jan Braren inszenierte Film zeigt aber auch Repressalien, denen Frauen dort sogar vonseiten des progressiven Direktors ausgesetzt sind. Gropius (Jörg Hartmann, "Weissensee") beispielsweise möchte die neue Schülerin am liebsten in den Textilunterricht schicken – weil er das für besonders weiblich hält. Lotte will jedoch Architektin werden. Zudem verliebt sie sich in ihren Mitschüler Paul Seligmann (Noah Saavedra), der als Jude in jenen zwiespältigen Jahren der Weimarer Republik zusammengeschlagen wird. Und mit dem sie am Ende samt dem gemeinsamen Kind nach Palästina auswandern wird.
In Tel Aviv, im heutigen Israel, beeindruckt noch immer eine von deutschen Emigranten entworfene "Weiße Stadt" aus mehr als 4000 Gebäuden im Bauhaus-Stil die Menschen. Auch von Rittberg (25) hat dort als Studentin während ihres Auslandssemesters eine Führung mitgemacht, wie sie der Deutschen Presse-Agentur erzählt – damals ahnungslos, dass sie einmal im einen Bauhaus-Film mitspielen würde. "Ich finde die Stilrichtung immer noch hochmodern und cool", schwärmt die in London lebende junge Frau. "Leider verstehen in meiner Generation viele unter "Bauhaus" eine Handelskette."
Geradezu euphorisch wird die Schauspielerin, wenn sie sich an die Arbeiten an Originalschauplätzen erinnert. "Es war etwas unglaublich Besonderes, in Weimar und in Dessau drehen zu dürfen", sagt von Rittberg, "man erzählt die Geschichte des Bauhaus und auf einmal steht man mittendrin."