Von Meuffels vorletzter Fall München leuchtet nicht in diesem "Polizeiruf 110"
Ein Mann muslimischer Herkunft wird von rechten Schlägern zu Tode geprügelt, er soll ein Mädchen belästigt haben. In diesem düsteren "Polizeiruf 110" drängt Gewalt von allen Seiten in eine mitleidslose Gesellschaft. Ein bedrückender Abend.
Wurde die junge Frau (Ricarda Seifried) tatsächlich belästigt? Diese Frage wird am Ende nicht geklärt. Zweifel könnten durchaus auftauchen, denn sie gehört zur rechten Szene und ist die Freundin eines der vier Schläger. Was der Kommissar aber nie erfährt. Dazu müsste er vielleicht die Wirtin in der Stammkneipe der jungen Männer befragen. Die aber arbeitet für den Verfassungsschutz. München leuchtet hier nicht, in diesen Szenen am Rande der Großstadt.
- "Polizeiruf 110": Nachfolgerin für Matthias Brandt gefunden
- Abschiede, neue Orte und Ermittler: So außergewöhnlich wird die "Tatort"-Saison 2018/19
Kommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) muss sich durch ein wirres Geflecht schlagen, Spitzel von allen Seiten durchdringen bei diesem "Polizeiruf 110" die Institutionen. Und der bitterste Satz fällt schon recht früh. Von Meuffels bittet einen Kollegen, auf dem Revier nicht über die Ermittlungen zu reden, "ich will nicht, dass die Rechten von uns was mitbekommen".
Bedrückend ist dieser "Polizeiruf" nicht nur wegen der Annahme, "im Moment ist doch jeder irgendwie braun", wie es an anderer Stelle heißt, sondern wegen der Gewalt, die von allen Seiten die Gesellschaft bedrängt. Da sind die jugendlichen Schläger, die sich gegenseitig anheizen, da ist die Staatsmacht in Form des Verfassungsschutzes, die Opfer in Kauf nimmt, da sind prügelnde Knastaufseher. Und niemand scheint mit irgendjemandem Mitleid zu haben. Sehr einsam wird es da um von Meuffels, der mit seinen schicken Schuhen durch die Nacht wandelt.
"Wir halten nicht den Kopf hin für einen Asylanten"
Die Nazis haben einen Zuträger bei der Polizei. Und in die Ermittlungen grätscht auch noch der Verfassungsschutz, weil er einen der Jugendlichen als V-Mann anwerben möchte, den Halbiraner Farim (Jasper Engelhardt). Der leutselig anbiedernde Verfassungsschutzmitarbeiter Röhl (schmierig: Joachim Król) setzt die Freilassung aller vier geständigen Schläger durch. Und dann fallen Sätze wie der des Staatsanwalts: "Wir halten nicht den Kopf hin für einen Asylanten. Meine Frau hat neulich die Wintermäntel der Schwiegereltern gespendet, irgendwann ist auch mal gut oder?" Und dass es ein Problem sei, "vier Deutsche im Knast wegen nur eines Ausländers". Von Meuffels müsse doch wissen, wie sensibel die Öffentlichkeit mittlerweile sei.
Verwirrt? Das gilt vermutlich für alle Zuschauer. Dieser Polizeiruf (Idee: Günter Schütter) will zu viel. Zwischen allzu schlichten Neonazis (Regie: Jan Bonny) und einer rücksichtslosen Staatsmacht fragt man sich, wer hier wem übergeordnet ist im Geflecht aus Polizei, Staatsanwalt und Verfassungsschutz. Wie weit darf der Staat gehen, um eine Straftat zu verhindern? Und darf der Staat – die Polizei, die Staatsanwaltschaft, der Verfassungsschutz – vermeintlich Kriminelle heranziehen zur Gewinnung von Insider-Erkenntnissen? Schwierige Fragen.
Am Ende raunzt von Meuffels den Oberstaatsanwalt an, eines Tages werde diesem das alles um die Ohren fliegen, "dann haben Sie den Bogen überspannt". Unangenehm jovial entgegnet dieser dem unbeugsamen Kommisar mit der Frage, ob er ewig damit weitermachen wolle? Ja bitte, möchte man sagen. Doch dies war der vorletzte Fall von Matthias Brandt als Hanns von Meuffels.
Bleibt zu hoffen, dass seinem letzter Auftritt im Winter 2018 ein stimmigeres Drehbuch zugrunde liegen wird.
- "Polizeiruf 110" vom 19. August