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"Tatort: Zwei Leben": Der Alptraum eines jeden Autofahrers


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Der neue "Tatort" aus Luzern
Der Alptraum eines jeden Autofahrers

von Verena Maria Dittrich

17.09.2017Lesedauer: 3 Min.
Flückiger (Stefan Gubser), Kollegin Ritschard (Delia Mayer, Mitte) und die Leiterin der Spurensicherung (Fabienne Hadorn) versuchen den Tathergang zu ermitteln.Vergrößern des Bildes
Flückiger (Stefan Gubser), Kollegin Ritschard (Delia Mayer, Mitte) und die Leiterin der Spurensicherung (Fabienne Hadorn) versuchen den Tathergang zu ermitteln. (Quelle: ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler)
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Wie viele Menschen kann man ungewollt töten, bevor das eigene Leben in Gefahr gerät? Der neue "Tatort" aus der Schweiz stellt diese unpopuläre Frage - und verheddert sich dabei in seinem Plot.

Der Einstieg des Schweizer "Tatort: Zwei Leben" ist hart. Ein Mann fällt von einer Autobahnbrücke vor einen Fernbus. Busfahrer Beni Gisler (Michael Neuenschwander) reagiert souverän, er erkundigt sich nach verletzten Insassen, fragt nach der Anwesenheit eines Arztes. Dann steigt er aus und sondiert die Lage. Erst beim Anblick des Toten und mutmaßlichen Selbstmörders verliert der ruhige Mann die Beherrschung. Wutentbrannt tritt er auf den toten Körper ein. Immer und immer wieder. Ein verdutzter Autofahrer filmt die surreale Szenerie mit seinem Handy.

Doch wer will es dem Busfahrer verübeln? Es ist nicht das erste Mal, dass Beni in den Suizid eines Lebensmüden hineingezogen wird. Die, die freiwillig aus dem Leben scheiden, denken selten darüber nach, welche Konsequenzen ihre Entscheidung auf andere hat. Jenen Leuten, denen sie auf auf die Windschutzscheibe stürzen, wenn sie aus dem Fenster oder von einer Brücke springen, Menschen, deren Leben in der Sekunde des Aufpralls ebenfalls auseinanderreißt.

Packendes Schauspiel eines zerrütteten Mannes

Früher, als Beni noch Zugführer war, sprangen ihm auch schon Selbstmörder auf die Gleise. Jetzt hat er Leben Nummer drei ausgelöscht. Neuenschwanders Schauspiel des zerrütteten Mannes ist, abgesehen von der befremdlich anmutenden Nachsynchronisation des Schweizerdeutschen, mitreißend wie gleichermaßen berührend. Ein Mann am Rande des Nervenzusammenbruchs, von der Familie und der Gesellschaft geschmäht. Der Tod der Fremden, die den Lok- bzw. Busfahrer zum unfreiwilligen Täter machten, wiegt schwer auf seiner zerrissenen Seele.

Dieser traurigen Tiefe steht eine hölzerne Inszenierung gegenüber, die abgesehen vom verstörenden Eingangsszenario in eine standardisierte Geschäftsmann-täuscht-eigenen-Tod-vor-Story zerbröselt, die weder überzeugt noch mitreißt. Auch die Kommissare Flückiger (Stefan Gubser) und Ritschard (Delia Mayer) wirken oft seltsam unmotiviert und werfen sich gegeneinander Blicke zu, als wollten sie fragen: Was mache ich hier eigentlich?

Spätestens als Dr. Sonja Roth (Stephanie Japp) in die Geschichte einsteigt, um als in Harvard studierte Psychologin den Kommissaren und dem traumatisierten Busfahrer zur Seite zu stehen, wirkt die Chose nur noch zusammengebastelt. Vor allem die Therapiesitzung hat Fremdschäm-Potential: "Das verstehe ich und das auch, ja, ja, so leicht ist das, bitte beruhigen Sie sich! Ihre Stunde ist um, wir besprechen das alles beim nächsten Mal". So sieht sie also aus, die große fachmännische Hilfe auf Harvard-Niveau.

Ein Mörder aus dem Zauberhut

Als sich der mutmaßliche Freitod an der Autobahnbrücke schließlich als Mord an einem für tot gehaltenen anrüchigen Geschäftsmann (Markus Graf) herausstellt, will Busfahrer Beni Rache für all die psychischen Qualen, die er in den letzten Jahren erleiden musste. Auch wenn diese Reaktion durchaus einer inneren Logik folgt, wird die Story jetzt vollkommen hanebüchen. Waren anfangs noch der Sohn (Roland Bonjour) des Ermordeten und dessen Witwe (Saskia Vester) im Fokus der Ermittler schlägt die Spur nun konfuse Haken.

Was die Kommissare Flückiger und Ritschard ermitteln, löst Busfahrer Gisler dank seiner Erinnerungen. Er hat noch jemanden auf der Brücke gesehen. Tada! Die Autoren zaubern sich einen Killer zurecht. Die störrische, leicht verpeilte Therapeutin ist die Übeltäterin. Auch sie wollte Rache, weil sie ihren Traum vom erfolgreichen Leben in den USA nicht verwirklichen konnte und sich stattdessen um ihren pflegebedürftigen Vater kümmern musste, der von besagtem Geschäftsmann in die Depression getrieben wurde. Finden Sie das verwirrend? Nicht doch.

Am Ende wird der Busfahrer nicht zum Mörder, die Psychologin erkennt, dass sie mehr braucht, als nur eine Therapie und Kommissar Flückiger hat ein Date. Abspann. Endlich.

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