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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Polizeiruf" am Muttertag Die Bürde der alleinerziehenden Mütter
In einem Wald an der polnischen Grenze liegt eine Leiche - erschlagen. Unweit des Fundorts finden die Ermittler Damenunterwäsche. Der Tote hatte kurz vor seinem Ableben Sex. Aber wo ist die Frau, der der Slip gehört?
In einem grotesken Waldstück mit märchenhaft anmutenden Bäumen, nahe der deutsch-polnischen Grenze, wird eine übel zugerichtete Leiche gefunden. Bei dem Toten handelt es sich um den 38-jährigen Tischler und Familienvater Janusz Kubiak. Schnell steht fest, dass der Mann, der mit einem Ast erschlagen wurde, unmittelbar vor seinem Tod Sex hatte - und zwar nicht mit seiner Ehefrau, denn die sitzt mit den beiden Kindern ahnungslos zu Hause.
Weil Zeugen kurz nach der Tat ein Auto mit deutschem Kennzeichen gesehen haben wollen, werden die Kriminalhauptkommissare Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) ins deutsch-polnische Kommissariat in Swiecko gerufen, um sich des Falls anzunehmen.
Zerrissener Slip in Tatortnähe
Als nicht unweit der Leiche, neben der Mordwaffe, auch ein zerrissener Damenslip entdeckt wird, nimmt das Ganze Fahrt auf. Wurde der Tischler etwa beim Sex gestört? Und ging es dabei um einvernehmlichen Sex oder war es gar eine Vergewaltigung?
Lenski und Raczek stoßen auf eine heiße Spur: Der Tote hatte eine Affäre. Ist sie die Frau aus dem Wald? Aber wieso ist sie seit jener Nacht wie vom Erdboden verschluckt? Hat sie ihren Lover erschlagen?
Ein kurioser dramaturgischer Sidekick sind auch die seltsamen Bäume am Fundort der Leiche. Zwar spielen sie im eigentlichen Fall nur eine untergeordnete Rolle, doch irgendwie lassen sie den Zuschauer nicht mehr los und beschäftigen ihn über das Ende des Polizeirufs hinaus. Fast einhundert auf bizarre Art deformierte Kiefern geben dem Wald seinen Namen: Krzywy Las, zu deutsch Krummer Wald. Warum die Bäume so gewachsen sind, ist bis heute nicht sicher geklärt.
Dass der neue "Polizeiruf" am Muttertag läuft, ist, wie man seinem Titel schon entnimmt, kein Zufall. Fast schon interessanter als der Plot ist der Nebenstrang von "Muttertag", in dem die Psychogramme grundverschiedener Mütter - allen voran das der Kommissarin, authentisch und eindrucksvoll erzählt werden. So findet die Übermutter Lenski in der Kürze der Zeit keinen Babysitter für ihre kleine Tochter und bringt sie schließlich mit zur Arbeit - die altbekannte Misere, die alleinerziehende, berufstätige Mütter nahezu alltäglich bewerkstelligen müssen.
Wohin mit dem Kind, wenn die Mutter arbeiten muss und es nicht bei den Großeltern lassen kann, denn schließlich wird ja "bei der richtigen Polizei" auch an Feiertagen
ermittelt. Doch wie überall gibt es auch beim "Freund und Helfer" Leute, oder vielleicht sollte man besser sagen, Männer, denen es ganz und gar nicht passt, wenn die Kollegin das Kind dabei hat und sogar zur Zeugenbefragung mitschleppt. Und wie macht man(n) seinem Ärger Luft: genau, indem man sie beim Chef anschwärzt.
"Jobs wachsen nicht auf den Bäumen"
Es ist das ewig gleiche Unverständnis, gegen das berufstätige Frauen ankämpfen müssen. Der Gegenpart zu Lenski wird nicht minder prägend von Heidi Schoppe (Ulrike Krumbiegel) verkörpert, deren Sohn Enrico (Anton Spieker) keinen Anschluss an die Gesellschaft findet. Mutti kocht, Mutti hilft bei der Arbeitssuche und Mutti geht jede Nacht im Autohaus putzen, damit die Heizung nicht kalt ist.
"Muttertag" spielt inmitten der Walachei, in einem kleinen Dörfchen der nördlichen Uckermark. Idyllisch ist es hier, man kennt sich und unterstützt sich gegenseitig so gut es eben geht, denn "Jobs wachsen nicht auf den Bäumen". Weil der Fall nahe der polnischen Grenze spielt, dürfen die gängigen Klischees, der Pole klaut alles, was nicht niet- und nagelfest ist - vor allem Autos und Landwirtschaftsmaschinen - natürlich nicht fehlen. Genauso wenig, wie der schmierlappige, fernsehguckende Dorfbulle, der eindeutig zu viele Gangsterfilme gesehen hat.
Fazit: ein ruhiger, an einigen Stellen etwas langatmiger, vorhersehbarer Polizeiruf, der aber intensiv aufzeigt, was Mütter leisten und wie weit sie bereit sind, für ihre Kinder zu gehen.