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Polizeiruf 110: Nachtdienst": Lohnt sich das Einschalten?


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"Polizeiruf 110: Nachtdienst"
Endstation Altenheim: Der kalkulierte Tod

von Verena Maria Dittrich

Aktualisiert am 07.05.2017Lesedauer: 3 Min.
Elisabeth Strauß (Elisabeth Schwarz) bittet Kommissar von Meuffels (Matthias Brandt) um Hilfe. Die Seniorin will einen Mord gesehen haben.Vergrößern des Bildes
Elisabeth Strauß (Elisabeth Schwarz) bittet Kommissar von Meuffels (Matthias Brandt) um Hilfe. Die Seniorin will einen Mord gesehen haben. (Quelle: BR/die film gmbh/Hendrik Heiden)
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Dutzende pflegebedürftige Senioren, drei überarbeitete Pfleger und ein Toter. War es Mord? Und wo ist das ganze Blut hin? Hanns von Meuffels Ermittlungen führen ihn immer tiefer hinein – in den Alptraum Altersheim.

Die Nacht ist bereits angebrochen, als sich Kriminalhauptkommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) eine Feierabendkippe ansteckt. Gemütlich bläst er auf den Stufen des Kommissariats den Rauch in den Abendwind, als plötzlich eine verwirrte ältere Dame im Morgenmantel (Elisabeth Schwarz) aufkreuzt und ein Kauderwelsch von sich gibt, worauf der Kommissar sich keinen Reim machen kann.

Einen Mord will sie beobachtet haben, an dem Ort, an dem sie lebt und von wo sie geflüchtet ist, an dem Ort, wo sie nicht gern sein will, wo eigentlich niemand gern sein will, aber wohin Menschen in der Regel abgeschoben werden, wenn sie am Ende ihrer Tage gebrechlich sind und betreuungsintensive Pflege benötigen – Endstation Altersheim; hier kommt man nur noch im Sarg wieder raus.

Ein Blick ans Ende der Fahnenstange

Von Meuffels ist schnell klar, dass die Frau dement ist. Er fährt sie erst in das Zuhause, von dem sie glaubt, dass es ihr Zuhause ist – in ein altes, wunderbares Leben, dessen Erinnerungen jeden Tag ein Stückchen mehr verschwinden, – und schließlich dorthin, wo sie inzwischen wirklich lebt – im Heim.

Obwohl die alte Dame sich längst schon nicht mehr genau an ihre Worte, geschweige denn an ihre Beobachtungen erinnern kann, bleibt der Kommissar bei ihr und verbringt die Nacht im "Johannishof". Vielleicht ist ja doch was dran – an der Aussage mit dem vielen Blut auf dem Flur.

Und ja, es ist durchaus spannend, wenn der Hanns des nächstens mutterseelenallein über die Flure stromert, die Bewohner und Pflegekräfte befragt und es tatsächlich einen Toten zu beklagen gibt, doch der eigentliche Fall rückt in "Nachtdienst" schnell in den Hintergrund.

Der Zuschauer erlebt das Geschehen durch die Augen des Kommissars. Ein Blick in die Zukunft vieler, ein Blick ans Ende der Fahnenstange. Im "Johannishof" treten unzumutbare Zustände zu Tage, von denen wir alle längst wissen, die wir aber, wie der Ermittler, von uns schieben: Weil es wehtut, weil man nicht mit dem Elend der Alten konfrontiert werden will, weil man sich ein Stück weit selbst belügt, indem man sich sagt, ich bin ja noch jung, ich habe Familie, ich werde in einem solchen Abschiebe-Domizil bestimmt nicht landen.

Und genau das ist das Problem – das Wegschauen, das Akzeptieren, dass alte Menschen in unserer Gesellschaft nichts mehr wert und nur noch eine Belastung sind.

Eine Belastung, die erst zum Politikum und schließlich zum Krebsgeschwür geworden ist, eine Belastung, die ein viel zu knapp aufgestelltes Pflegepersonal ausbaden muss, jeden Tag aufs Neue, während sich die Heimleitung die Taschen voll haut. Die Politik duldet die Engpässe, indem sie sich aus der Verantwortung rauswindet und wegschaut.

Der alte Mensch als Geldanlage

"Nachtdienst" legt die erschreckenden Zustände in vielen deutschen Altenheimen schonungslos offen: Einsames Sterben, der Tod wird zum Hoffnungsschimmer. Das Fatale: Gelegentlich lesen wir in den Medien von derlei Vorkommnissen, doch so hart es klingt, wir haben uns größtenteils damit abgefunden. Weil man allein ja doch nichts ändern kann. Das System, an dem Altenpfleger verzweifeln und durch ständig steigende Belastungen sprichwörtlich auf dem Zahnfleisch gehen, ist zu mächtig und nicht greifbar.

Insofern ist "Nachtdienst" vor allem eine Anklage. Seht her! Es muss etwas dagegen unternommen werden, wenn Patienten auf die nächsthöhere Pflegestufe gehievt werden, und kein einziger Cent davon bei ihnen ankommt, weil die Heimleitung sich bereichert.

Alte Menschen auf dem Abstellgleis, alte Menschen als Geldanlage, Alte, die sich "unsichtbar“,"überflüssig"und wie "Schlachtvieh" fühlen.

"Schau'n Sie ruhig zu – so geht's zu Ende!"

Weil niemand sich um das Schicksal der Betagten kehrt, sieht sich einer der Bewohner schließlich in der Pflicht, die Gesellschaft, die ganze Welt da draußen, mit einem Akt aufzurütteln, der in seiner Verzweiflung gleichzeitig auch das schlimmste Verbrechen ist. Frei nach dem Motto: Wir betagten Menschen sind ja sowieso nichts mehr wert, wir werden ruhiggestellt und ans Bett fixiert, also können wir genauso gut auch tot sein.

"Nachtdienst" hält Kommissar von Meuffels – wie auch dem Zuschauer – den Spiegel vor Augen, ohne dabei moralisierend daherzukommen. Dieser Sozial-Krimi wirkt auch ohne das drastische Finale noch lange nach, denn: "Schau'n Sie ruhig zu – so geht’s zu Ende!"

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