Tatort Profikillerin Harfouch lässt "Tatort"-Fans erschaudern
Sadistisch, brutal, ohne jegliche Empathie und stets den entscheidenden Schritt voraus: Als Profikillerin Valerie, die Undercover-Ermittler Cenk Batu (Mehmet Kurtulus) in seinem letzten Fall fast zum Kanzler-Mörder macht, lehrte Corinna Harfouch sogar hartgesottenen "Tatort"-Fans das Fürchten.
Schon vor der gestrigen TV-Ausstrahlung wurde Kurtuls (40) für seinen sensationellen Auftritt im "Tatort: Die Ballade von Cenk und Valerie" in den Himmel gelobt - und zwar völlig zu recht (wir berichteten). Nicht weniger Ehre gebührt Harfouch (57, "Der Untergang", "Das Parfum"), die die anspruchsvolle Rolle der autistisch wirkenden Mörderin mit behäbiger Stimme, steinerner Mimik und stockenden Bewegungen genial ausfüllte ("Der Gipfel von allem, was ich bislang spielen durfte").
Unlösbares Dilemma
Blutspuckend, röchelnd und wegen einer tödlichen Krankheit selbst nicht mehr in der Lage, den von Finanz-Jongleur Dobler beauftragten Mord am frisch gewählten Bundeskanzler (Kai Wiesinger) durchzuführen, spannt Valerie Batu für ihre Zwecke ein. Nachdem sie dessen Freundin Gloria (brillant: Anna Bederke) entführt hat, steckt der Ermittler in einem unlösbaren Dilemma: Entweder er ermordet an Valeries Stelle den in Hamburg weilenden Kanzler oder Valerie tötet die schwangere Gloria.
Batus Vorschlag, den Mord zum Anschein nur zu inszenieren, stößt beim Bundeskanzler auf taube Ohren. Als dazu noch sein Versuch, Gloria aus Valeries Klauen zu befreien, missglückt, trifft Batu seine Entscheidung - und zwar aus purer Liebe: Einer ferngesteuerten Menschmaschine gleich macht er sich auf, das ihm aufgezwungene Attentat durchzuführen, um Gloria zu retten. Dass Batu dabei niedergeschossen wird und es somit kein Comeback für die Figur geben kann, war Kurtulus zufolge eine logische Konsequenz: "Batu war immer derartig am Limit, dass sein Abschied nur in diese Richtung gehen konnte."
"Reise in den Abgrund"
Abgründig, verstörend und gleichsam aktionsgeladen: Dass der "Tatort" in bester Thriller-Manier an den Zuschauer-Nerven zerrte, ist nicht nur der Verdienst der durchweg überzeugenden Darsteller. Vor allem Regisseur und Drehbuchautor Matthias Glasner, der Batus "Reise in den Abgrund" (O-Ton Glasner) durch zeitversetzte Passagen schon zu Anfang des Filmes erahnen ließ, sorgte mit der psychologisch dichten Geschichte für höchsten Krimi-Genuss. Die versierte Kameraführung (Jakub Bejnarowicz) und dynamischen Schnitte (Heike Gnida) trugen ihrerseits zum Reiz des Filmes bei.
Einzige Kritikpunkte sind die etwas plakativen Effekte, mit denen Valeries verschwommenes Wahrnehmungsmuster optisch verdeutlicht wurden, sowie die zu überzeichnete Darstellung der skrupellosen Finanz-Zombies, die durch ihre Wette auf den Kanzler-Tod Millionen scheffeln wollten. Beides diente aber dazu, die Handlung des Krimis voranzutreiben und schmälerte den guten Gesamteindruck des Filmes keineswegs. "Mehr 'Tatort' geht nicht", lautet deshalb unser Urteil. Und fest steht auch: Die Fußstapfen, in die Kurtulus-Nachfolger Til Schweiger nach diesem Krimi treten muss, sind keine kleinen.
TV-Zuschauer nur mäßig interessiert
Trotz dieses spektakulären Abgangs von Cenk Batu, schalteten nur 7,08 Millionen Zuschauer (19,9% Marktanteil) den "Tatort" ein, davon 2,59 Millionen 14-49-Jährige (17,0%). Mit den Hamburger Krimis um Batu war das TV-Publikum nie richtig warm geworden, auch seine letzten beiden Fälle lagen zahlenmäßig deutlich unter sieben Millionen. Als neuer Hamburger Kommissar geht nun Til Schweiger ans Werk - die Dreharbeiten für seinen ersten "Tatort" beginnen im September.