TV Kleiderbügel durch die Nase gebohrt: Fiese Freakshow beim "Supertalent"
Wer sich den Samstagabend mit untalentierten Menschen, tragischen Geschichten oder völlig durchgeknallten Typen versüßen will, ist bei RTL "Das Supertalent" goldrichtig. Natürlich stehen in jeder Sendung auch einige, wenige Talente vor der Jury – und rühren Sylvie van der Vaart oder Bruce Darnell zu Tränen. Manch einer schafft es sogar, Dieter Bohlen ein Lob oder anerkennende Worte zu entlocken. Und manch ein Freak löst bei Zuschauern und Juroren einfach nur blankes Entsetzen aus. Und diese Rolle übernahm in der fünften Sendung eindeutig der irre Sean aus Kalifornien, der sich kalt lächelnd Kleiderbügel durch die Nase bohrte oder ein Schild mit einem Tacker an die Stirn heftete.
Die fünfte Folge von "Das Supertalent" war dabei sehr geprägt von tragischen Geschichten: tote Freunde, schwerkranke Familienangehörige oder finanzielle Nöte. Hier zählten weniger die Talente, als das die tragische Geschichte hinter dem Können. Dabei hätten die drei Kandidaten gewiss auch ohne das Emotionen schürende Drumherum eine tolle Darbietung abgegeben – doch es wäre nicht RTL, wenn nicht jede nur mögliche Geschichte bis zum Tränenkanal ausgeschöpft werden würde.
Fiese Freak-Show
Ein echter Weggucker war Sean, der als letzter der Kandidaten noch mal so richtig die Sau raus gelassen hat. Der vorangehende Warnhinweis, die folgende Darbietung zu Hause nicht nachzumachen, war hier gewiss angebracht. Hinter dem durchgeknallten Extrem-Körperkünstler steckte keine rührende Geschichte – er war selbst der Stoff, aus dem Mitleid entsteht. Seine golden blitzenden Schneidezähne ließen spontan an den "Beißer" bei James Bond erinnern. Und ein ähnliches Schmerzempfinden wie der TV-Hüne schien auch der Kalifornier zu haben: Ungerührt und irre grinsend steckte er sich einen Draht-Kleiderbügel durch die Nasenscheidewand und zog dann noch mal ordentlich an der Drahtkonstruktion. Seine Darbietung erntete entsetzte Schreie und angewiderte Gesichtsausdrücke. Er setzte noch eins oben drauf und jagte sich die Klammern eines riesigen Tackers in die Haut seiner Brust – und heftete sich ein "Supertalent"-Schild auf Stirn und Kinn. "Wenn Dir schlecht wird, ist das ein Kompliment für mich", erklärte Sean der geschockten Sylvie van der Vaart. Währenddessen rannen ihm kleine Rinnsale Blut von Stirn und Brust. Wie viel Ekelfaktor braucht eine Sendung, um die Zuschauer zu halten? Sollte diese Darbietung in späteren Sendungen noch übertroffen werden, reicht die Fantasie ehrlich gesagt nicht aus, was dann noch alles passieren soll. Schlimmer geht hier eigentlich nimmer.
Rührende Tragödien inklusive
Aber ein bisschen Talent gab es trotzdem - vor allem musikalisches: Als erster ließ der 11-jährige Sandro Brehorst hinter die Kulissen seines Lebens blicken. Und wie auch schon einige Kandidaten vor ihm widmete der sympathische Junge seinen Auftritt einem Toten. In diesem Fall ein Kumpel von Sandro, der bei seinem Tod nicht viel älter war, als er selbst. Doch muss ein solches Schicksal in einer abendlichen Unterhaltungsshow auf Bohlenschem Niveau breit getreten werden? Denn eigentlich sollte das Thema "Talente" an oberster Stelle stehen – nicht die "tragische Lebensgeschiche". Und so sang und tanzte sich der 11-jährige Bengel in die Herzen von Jury und Zuschauern. Doch so ganz überzeugend war sein Können nicht – doch er widmete sein Lied von Freddie Mercury eigens seinem toten Freund Malte. Und so kam man nicht umhin darüber nachzudenken, ob ihn hier nicht eher die Tragödie denn seine Stimme in die nächste "Supertalent"-Runde katapultierte.
Musikalisch top – Geschichte flop
Die hübsche Liz Schneider hätte eine Geschichte um ihre tragische Vergangenheit gar nicht nötig gehabt: Sie trat in einem äußerst gewagten Kleid auf, bei dem sogar Dieter Bohlen zu tiefe Einblicke fürchtete. Dazu klemmte sich die 30-jährige Grundschullehrerin dann noch ein blütenweißes Cello zwischen die Beine und spielte das Instrument traumhaft. Bohlen wünschte sich ein Cello aus Plexiglas und ich als Zuschauer die tragische Lebensgeschichte der Liz Schneider weg. Ihr Vater starb mit 44 Jahren an einem Herzinfarkt. Tragisch, gewiss, doch deswegen wurde ihre Musik auch nicht besser – weiter wäre sie bestimmt trotz allem Hintergrundwissen gekommen. Auch die 15-jährige Josephine Becker rührte die Herzen aller Zuhörer: Ein schlichtes bis geschmackloses Äußeres, dafür aber eine glockenklare Stimme – sie erinnerte ein bisschen an die junge Susan Boyle. Doch neben der traumhaften Stimme für klassische Musik führte sie noch einen Vater mit Schlaganfall und finanzielle Nöte ins "Supertalent"-Rennen. Doch möchte man in dieser Sendung doch viel eher nur die Begabungen erleben und bewerten – und nicht von einer tragischen Lebensgeschichte geleitet werden.
Unübertroffen peinlich
Eine "Supertalent"-Folge ohne schräge Vögel ist natürlich undenkbar. In die Rolle der untalentierten Lückenfüller schlüpften eine Tierstimmenimitatorin, ein "Dancefloor-Analyser" und der Möchtegern-Schlagersänger Marc Sigal. Die Tierstimmenimitatorin Irmgard Hesse sah aus wie ein verschollenes Kind der Kelly Family und präsentierte Hundegebell, Pferdewiehern oder Wolfsgeheul. Sie selbst wurde durch unaufhörliche Buh-Rufe der Zuschauer von der Bühne befördert. Nicht viel anders erging es dem 33-jährigen Uwe Schleemann – einem selbsternannten "Dancefloor-Analyser". Er glaubte an sein Talent als Tänzer, das die Zuschauer von den Stühlen reißen würde – und endete als Lachnummer. Dieter Bohlen beschrieb seine Darbietung sehr genau: "Du tanzt, als ob Du heute morgen gegen einen Starkstromzaun gepinkelt hättest". Der 49-jährige Marc Sigal schaffte es mit seiner schmierigen Art, dass ihn schier das gesamte Publikum von der ersten Sekunde an auf der Bühne hasste. Dieter Bohlen bestätigte dem langhaarigen, blonden Sänger eine komische Ausstrahlung und schickte den Sänger ohne Umwege nach Hause. Eindeutiger Grund: Sigal war einfach zu geil für diese Welt – und das "Supertalent".
Was sonst noch geschah
Ein durchtrainierter 20-jähriger Sportstudent überzeugte mit einer kuriosen Akrobatikeinlage: Ein halbes Rhönrad war das Turngerät von Robert Maaser, der in einem Vorbericht nur zu gerne sein Sixpack präsentierte. Auch der gehörlose Tobias Kramer begeisterte Publikum und Jury – trotz Gehörlosigkeit tanzt der 27-Jährige wie ein junger Gott zu verschiedener Musik. Und wer am Ende der Sendung noch Lust hatte, wirklich etwas tolles im Fernsehen zu sehen, blieb einfach bei RTL. Beim Boxkampf von Vladimir Klitschko wurde es so spannend, dass man das Elend vom "Supertalent" schnell wieder vergessen konnte.