Westernhagen über Weggefährten Schröder "Er begibt sich in eine Falle"
Sie verband lange eine Freundschaft: Marius Müller-Westernhagen und Gerhard Schröder. Jetzt spricht der Musiker über den Altkanzler – und übt auch Kritik.
Sie waren nicht nur lose miteinander bekannt, sie waren befreundet. Marius Müller-Westernhagen, die Rockröhre der Nation, und Gerhard Schröder, der Kanzler. Doch nachdem die Regierungsmacht verloren ging und Schröder 2005 sein Amt abgeben musste, ist die Freundschaft im Sande verlaufen, so Westernhagen.
"Wir haben schon lange keinen Kontakt mehr. Er lässt niemanden mehr an sich ran", berichtete der Musiker bereits im Mai 2022 in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Jetzt spricht er erneut über seinen einstigen Weggefährten, der noch 2001 einer der ersten Gratulanten war, als Westernhagen das Verdienstkreuz überreicht bekam.
Gerhard Schröder "begibt sich in eine Falle"
"Es gab eine Faszination, und ich finde auch nach wie vor, dass Gerhard Schröder einer der wirklich großen Kanzler war", sagt Marius Müller-Westernhagen jetzt im Gespräch mit der ARD-Moderatorin Sandra Maischberger. "Weil er halt nicht populistisch entschieden hat in vielen Dingen und Dinge durchgesetzt hat, von denen wir sehr profitiert haben – und von der auch die Regierung Merkel sehr profitiert hat."
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Youtube-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren Youtube-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Doch Politik sei laut Westernhagen etwas, "was sich ständig bewegt, gerade in der heutigen Zeit, weil es geht ja alles sehr, sehr viel schneller. Also muss es auch eine ständige Reformation geben, es müssen ständig Dinge angepasst und verändert werden." Damit spielt er auf Schröders Putin-Nähe an. Schon in seiner Kanzlerschaft pflegte er engen Kontakt zum russischen Präsidenten – auch seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, nunmehr fast ein Jahr her, distanziert sich der Altkanzler nicht von Wladimir Putin.
"Wir haben alle damals nicht verstanden, warum er sich in diese Position begeben hat, weil er begibt sich in eine Falle, wenn er sich dann in die Position bringt, Putin als Freund zu haben", erklärt Westernhagen seine Sicht auf diese Männerfreundschaft. Über seinen einstigen Freund Schröder meint er: "Was ich vermisst habe, dass er sich nicht geäußert hat, seine Motive nicht klar gemacht hat."
Doch besondere Einblicke in diese Konstellation könne Westernhagen nicht bieten. Der 74-Jährige sagt in der ARD-Talkshow: "Ich weiß wirklich nicht, wie diese Freundschaft mit Putin ist, wie stark diese Freundschaft mit Putin ist. Ich habe Gerhard Schröder als jemanden erlebt, der schon Klartext redet." Doch ob Schröder dies nun auch bei Putin tue? Unklar. Laut Westernhagen sei Gerhard Schröder "kein schlechter Mensch" oder jemand, der "schlechte Motive" habe.
Auf den Einwurf Maischbergers, dass sich Schröder aber vom Ölkonzern Gazprom, an dem Russland 50 Prozent Anteile hält, fürstlich bezahlen lasse, sagt Westernhagen: "Das meine ich ja. Vielleicht hätte man ihn als Bundeskanzler besser bezahlen sollen. Ich bin der Meinung, dass deutsche Politiker unterbezahlt sind."
Westernhagen versucht, Schröders Handeln zu erklären
Es folgt eine Passage in dem Gespräch, in dem der Musiker den Altkanzler in Schutz nimmt – oder zumindest versucht, dessen Beweggründe zu erläutern. "Man muss auch Schröders Geschichte kennen. Er ist mit seiner Mutter aufgewachsen. So viel ich weiß, die auch sehr dominant war." Maischberger sagt, sie sei eine "einfache Putzfrau" gewesen, "alleinerziehend". Westernhagen will das als einen Grund verstanden wissen, wieso Schröder dieses Machtstreben hatte – und wieso er vielleicht auch heute noch nach dem großen Geld giert. Die einfachen Verhältnisse der Kindheit als Motiv für den Drang nach finanzieller Absicherung.
"Man kündigt nicht einfach so eine Freundschaft zu so einem Mann", sagt Westernhagen dann noch. Ob er seine eigene zu Schröder meint oder dessen Freundschaft zu Putin, wird an dieser Stelle nicht ganz klar. Im Anschluss sagt er über Schröder: "Mich interessieren seine Motive und wie die Hintergründe sind, wieso er so handelt. Aber ich denke viel pragmatischer: Wenn man Gerhard Schröder hat, und der anscheinend oder vielleicht ein enger Freund von Putin ist, dann hätte ich als Bundesregierung gesagt, wir krallen uns jetzt den Schröder und schicken den dahin. Weil er hat Zugang."
Dann übt Marius Müller-Westernhagen Kritik. Für ihn sei es unverständlich, dass keine Gespräche geführt werden. Maischberger verweist an der Stelle darauf, dass sehr wohl gesprochen werde: Olaf Scholz telefoniere "regelmäßig mit Putin", so die Journalistin. Doch der Musiker fügt an: "Was für mich am erschreckendsten ist im Augenblick, dass nicht geredet wird. Das hat mit Politik gar nichts mehr zu tun." Für ihn sei es wichtig, "einen Kompromiss zu finden."
"Ich glaube, dass Herr Putin mit diesem Krieg sehr zu kämpfen hat"
Wie dieser aussehen soll, sagt er nicht. Er halte es allerdings für unrealistisch, dass die Ukraine weiter darauf beharre, Russland müsse all seine Einheiten aus dem ukrainischen Territorium abziehen. Maischberger meint, dass dies aber doch gerechtfertigt sei. "In einer perfekten Welt ja, aber wird das passieren: nein. Also man muss auch immer denken, was ist möglich? Es funktioniert nur, wenn beide Seiten Zugeständnisse machen. Ich glaube auch, dass Herr Putin mit diesem Krieg sehr zu kämpfen hat", erwidert Westernhagen an der Stelle.
Die Moderatorin spürt, dass das Thema entgleitet. Maischberger verweist darauf, dass weder sie noch Westernhagen Russen oder Ukrainer seien – und es daher an der Berechtigung fehle, über solche Details zu sprechen. Anschließend dreht sich das Gespräch um die Aufgabe der Kunst in Kriegszeiten. Damit endet Maischbergers etwa 18-minütige Diskussion mit dem Sänger.
- ARD: "maischberger" vom 14. Februar 2023