Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.ZDF lässt mit "Traumschiff" aufhorchen Spekulationen um Harald Schmidts Gesundheitszustand
Harald Schmidt glänzt im "Traumschiff" seit Längerem durch Abwesenheit. Jetzt wird das auf dem ZDF-Dampfer thematisiert. Zur Aufklärung trägt das nicht bei.
"Jede Geschichte wurde irgendwann schon einmal erzählt. Es geht darum, neue Blickwinkel zu finden, die Geschichte der heutigen Zeit anzupassen, ihr einen neuen Twist zu geben, sich selbst zu überraschen", erzählt Jürgen Werner t-online. Er ist Drehbuchautor und hat schon so ziemlich alles, was in Deutschland Quotengarantie genießt, auf Papier gebracht. "Tatort", "Bergdoktor", "Forsthaus Falkenau", "Kreuzfahrt ins Glück" – und vor allem: "Das Traumschiff".
Der 59-Jährige schreibt seit Mitte der Neunziger fürs deutsche Fernsehen. Dass er jede Geschichte schon einmal gesehen, gelesen oder gehört hat, kann also getrost unter Berufsrisiko gefasst werden. Während er t-online berichtet, wie das mit dem Drehbuchschreiben funktioniere hierzulande, liefert er allerdings auch einen überraschenden Einblick ins Innere deutscher Wohnzimmer-Bespaßung. Man könnte angesichts des ZDF-Dampfers, um den es hier heute gehen soll, auch sagen: Er öffnet die Tür zum Maschinenraum des Erzählens.
Denn im Drehbuch wird der Stoff gestrickt, aus dem am Ende ein Top oder Flop entspringt. Das Tempo von "Traumschiff" und Co., es wird im Skript bestimmt. Wenn nun Jürgen Werner mit seiner gut 25-jährigen Berufserfahrung klarstellt, dass es um neue Twists geht und darum, Geschichten der heutigen Zeit anzupassen, dann lässt das bei einer Krankheitsgeschichte über Harald Schmidt aufhorchen.
Schmidts Kreuzfahrtdirektor ist krankgeschrieben
Jürgen Werner hat diese Story geschrieben, zu sehen in der neuen Ausgabe der ZDF-Reihe, die an diesem Sonntag unter dem Titel "Das Traumschiff – Lappland" über die Bildschirme schippert. Und diese Geschichte geht so:
Kapitän Parger: "Ich habe leider schlechte Nachrichten: Unser Kreuzfahrtdirektor Herr Schifferle ist immer noch krankgeschrieben."
Schifferle am Telefon: "Das ist die Mailbox von Oskar Schifferle. Meine Körpertemperatur befindet sich aktuell im subfebrilen Bereich, was ein erstes Anzeichen für einen Tumor, eine subakute infektiöse Endokarditis, eine rheumatoide Arthritis oder ..."
Staffkapitän: "Schifferle liegt mal wieder im Sterben."
Harald Schmidt, so bestätigt es das ZDF auf Nachfrage von t-online, wird in den nächsten vier "Traumschiff"-Folgen inklusive der nun gezeigten Lappland-Episode nicht auftreten. "Die Rolle des Oskar Schifferle war in den Drehbüchern dieser Folgen nicht vorgesehen", heißt es von einer Sender-Sprecherin und damit ist klar: Bis ins Jahr 2023 hinein gibt es keinen Kreuzfahrtdirektor in der "Traumschiff"-Crew von Florian Silbereisen.
Für einen Drehbuchautor bedeutet das: Eine Figur weniger, die die Handlung vorantreiben kann oder im Zweifel für unterhaltsamen Schabernack genutzt werden könnte. Jürgen Werner erklärt das so mit Blick auf die Abwesenheit von Schmidt: "Ich bekomme nur gesagt, dieses Mal hat er Zeit oder dieses Mal nicht." Der Entertainer, der seit 2009 in 20 Folgen des TV-Dauerbrenners zu sehen war, glänzt schon länger durch Abwesenheit. Letztmals zu sehen war Harald Schmidt auf dem Dampfer an Weihnachten 2021 – gedreht wurde diese Folge aus Schweden Anfang August desselben Jahres.
"Harald Schmidt spielt ja nicht nur Oskar Schifferle auf dem Traumschiff. Der Mann hat einen engen Terminkalender. Zum Glück muss ich mich damit nicht beschäftigen", betont Jürgen Werner. Doch was auffällt, ist etwas anderes. Die neue Folge, in der es nun über Schmidts "Traumschiff"-Figur heißt, sie liege im Sterben, wurde im Frühjahr 2022 gedreht. Zu einem Zeitpunkt also, zu dem auch Harald Schmidt persönlich mit einem Gesundheitsthema Gesprächsstoff bietet.
Corona-Status unklar: Harald Schmidt wird Gesprächsthema
Er kokettiert damals mit seinem Corona-Impfstatus, lässt bewusst offen, ob er sich gegen Covid-19 immunisiert hat oder nicht – und thematisiert diesen Umstand in verschiedenen Interviews. Als sich anschließend die Regeln für Ungeimpfte verschärfen, gerät Schmidt vor allem wegen seiner "Traumschiff"-Rolle in den Fokus. Denn beim ZDF werden nicht-immunisierte Personen für die Produktion von "Das Traumschiff" Anfang 2022 nicht mehr akzeptiert. Seitdem hat es der Sender geschafft, das Thema zu umschiffen: Schmidts Oskar Schifferle gilt als abgetaucht.
Bis jetzt. Erstmals hören Zuschauer wieder von ihm. Und dann ausgerechnet mit einer Krankmeldung, einer Geschichte über leichtes Fieber. Ob der damals diskutierte Corona-Impfstatus des 65-Jährigen Grund war, das Drehbuch entsprechend anzulegen, wollen wir von Jürgen Werner wissen. Der Autor weicht aus: "Wir konnten auf diese Weise Staffkapitän Grimm in eine äußerst prekäre Situation bringen. Der arme Mann leidet dieses Mal sehr. Aber beim 'Traumschiff' weiß man eben nie, was da so alles auf einen zukommt."
Der von Daniel Morgenroth gespielte Grimm muss in der neuen Folge als Entertainer einspringen und singt vor Publikum. Doch dafür hätte auch ein anderer Grund im Drehbuch stehen können. Warum es ausgerechnet eine Krankschreibung wurde, bleibt das Geheimnis von Jürgen Werner. Für das ZDF ist das Thema Harald Schmidt seit der Corona-Pandemie ein Drahtseilakt – diese Erwähnung im "Traumschiff"-Drehbuch rückt das erneut in Erinnerung.
Vielleicht sorgt die Szene aber auch deshalb für Lacher, weil Zuschauer in diesem Moment tatsächlich nicht mehr zwischen Schauspieler und Figur unterscheiden. Sie könnten über Harald Schmidt lachen, den angeblichen Hypochonder. Dieser sorgte einst mit Aussagen über seine angebliche Wehleidigkeit für Wirbel. In der "Apotheken-Umschau" erzählte er mit Schmidt-typischem Sarkasmus, Simulant zu sein. Daraufhin schrieb unter anderem 2007 der "Spiegel": Schmidt gelte als "prominentester Hypochonder des Landes". Ein Gag, für bare Münze genommen, verselbstständigt sich und wird zur vermeintlichen Wahrheit. Ist das die Methode Schmidt?
Es liefert Interpretationsspielraum. Von Kreativen wird so etwas gerne als Material genutzt. Jürgen Werner verrät: Harald Schmidt sei "in jedem Fall immer informiert", welche Geschichten über seinen Kreuzfahrtdirektor erzählt werden. "Aber wenn es einen Entertainer in Deutschland gibt, den ich für seinen Humor und seine Fähigkeit zur Selbstironie, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, bewundere: dann Harald Schmidt", so Werner.
"Im nächsten Jahr wird Harald Schmidt wieder dabei sein"
Wir erinnern uns: Jede Geschichte gab es schon einmal. Es komme nur darauf an, sie "der heutigen Zeit anzupassen". Da passt ein ironisch kommentierter Gesundheitszustand eines Alt-Entertainers bestens ins Konzept. Und auch, dass sich das bald ändern wird mit der Abwesenheit Schmidts, könnte neuen Stoff liefern: "Im nächsten Jahr wird Harald Schmidt auf dem 'Traumschiff' wieder dabei sein", so das ZDF zu t-online.
Gemeint ist: Er wird wieder an Bord gehen und Dreharbeiten für das ZDF absolvieren. Wann genau er dann für das Millionenpublikum der Fernsehreihe zu sehen ist, bleibt abzuwarten. Möglich, dass schon bald wieder über Harald Schmidt gelacht wird, ganz ohne sein Zutun. Ein Kreuzfahrtdirektor, wie er im Drehbuche steht.
Oder wie Jürgen Werner sagen würde: "Das 'Traumschiff' wird gern unterschätzt, es bricht mit den Regeln der Dramaturgie. Und so verpönt in manchen Feuilletons die leichte Unterhaltung auch sein mag, es ist nicht einfach, auf leichte Art zu unterhalten." Noch schwerer ist es manchmal nur zu verstehen, wie die Anspielungen dieser leichten Unterhaltung gemeint sein sollen.
- Eigene Recherchen
- Anfrage ans ZDF
- Interview mit Jürgen Werner
- ZDF: "Das Traumschiff" vom 20. November 2022