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"Brandgefährlich": Corona-Aktion "Alles dicht machen" spaltet Schauspielwelt


Stars äußern Kritik
"Brandgefährlich": Corona-Aktion spaltet Schauspielwelt

Von t-online, sow

Aktualisiert am 23.04.2021Lesedauer: 3 Min.
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"Alles dichtmachen!": Mit diesen Videos sorgen deutsche Schauspielstars für viel Wirbel. (Quelle: t-online)
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Die Aktion "Alles dicht machen" schlägt hohe Wellen. Jan Josef Liefers versucht im Sturm der Entrüstung bereits zurückzurudern. Immer mehr Stars äußern lautstark Kritik – und werfen den Machern Zynismus vor.

Man kennt sie aus dem "Tatort" oder der Erfolgsserie "Babylon Berlin": Dutzende prominente Schauspielerinnen und Schauspieler haben in einer koordinierten Aktion die Corona-Politik der Bundesregierung kritisiert. Unter dem Hashtag #Allesdichtmachen verbreiten Künstler wie Ulrich Tukur, Volker Bruch, Meret Becker, Ulrike Folkerts, Richy Müller oder Jan Josef Liefers bei Instagram und auf der Videoplattform YouTube vermeintlich ironisch-satirische Clips. Hier lesen Sie mehr zum Unterstützerfeld der Kampagne. Die Videos können Sie hier auf YouTube anschauen.

Nun hagelt es immer mehr Kritik, auch von Schauspielkollegen. Christian Ulmen etwa postet auf Instagram den Satz: "Heute bisschen für Kollegen schämen" und zeigt einen Screenshot der RBB-Serie "Station 43", die während der Pandemie in der Berliner Charité gedreht hatte. Dazu setzt er den abgewandelten Hashtag #Allesschlichtmachen. Elyas M'Barek schreibt: "Mit Zynismus ist doch keinem geholfen." Jeder wolle zur Normalität zurückkehren, und das werde auch passieren.

Der "Tatort"-Schauspieler Hans-Jochen Wagner vom SWR nennt die Aktion peinlich. Er verstehe sie nicht, schreibt der Schauspieler, der an Liefers gerichtet fragt: "Das kann doch nicht Dein Ernst sein." Schauspieler Oliver Masucci formuliert es vorsichtig und meint: "Es scheint bei den ganzen Kommentaren, dass Redebedarf besteht."

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Genau diesen hat Nora Tschirner – und wirft den Machern der Clips Handeln aus Langeweile und Zynismus vor. In ihrem Kommentar heißt es: "Müsste es dann bei einer solchen Aktion nicht erst recht vollkommen klar sein, mehr Achtsamkeit, Konkretheit und Besonnenheit walten zu lassen. Im Sinne einer Nachhaltigkeit? Anstatt diffus mit dem brandgefährlichen Stilmittel von Zynismus und Sarkasmus zu jonglieren – den ständigen sonnenbebrillten Begleitern von Spaltung? (...) Als Schauspieler beschäftigt ihr Euch tagtäglich mit dem Stilmittel Sprache in all ihren Facetten. Und ihr müsstet wissen, wie sie wirkt. Mittlerweile ist es doch wirklich dem Letzten klargeworden, dass das nicht das Kommunikationsmittel eines nachhaltigen Diskurses sein kann."

Satiriker Jan Böhmermann hält der Aktion bei Twitter entgegen, das einzige Video, das man sich ansehen solle, "wenn man Probleme mit Corona-Eindämmungsmaßnahmen hat", sei die ARD-Doku aus der Berliner Charité mit den Titel "Station 43 – Sterben". Dazu stellte er den Hashtag #allenichtganzdicht und einen weinenden Smiley. "Die Schauspieler*innen von #allesdichtmachen können sich ihre Ironie gerne mal tief ins Beatmungsgerät schieben", twitterte Moderator Tobias Schlegl, der auch Notfallsanitäter ist.

Die Schauspielerin Pegah Ferydoni betont in einem auf Twitter veröffentlichten Video, wie schwer es das Krankenhauspersonal in der Pandemie hat und bekräftigt den Wunsch nach Zusammenhalt und Solidarität. Später schreibt sie: "Seit 7 Stunden Puls und kann nicht schlafen. Derzeit wird in Deutschland gedreht wie blöde, gerade im ÖR", so Ferydoni in Richtung der Kollegen vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk und nennt sie "53 bleierne Egos". Eine davon, Heike Makatsch, distanzierte sich am Freitagmorgen von der Aktion und zog ihr Video zurück.

In den sozialen Medien gibt es aber auch Zustimmung. Beifall gibt es etwa vom früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, der die Aktion auf Twitter "großartig" nennt. Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit spricht von einem "Meisterwerk", das "uns sehr nachdenklich machen" solle. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Joana Cotar twittert: "Das ist intelligenter Protest." Sie feiere Jan Josef Liefers.

Jan Josef Liefers distanziert sich von "Querdenkern"

Der äußert sich wiederum in einem Tweet: "Eine da hinein orakelte, aufkeimende Nähe zu Querdenkern u.ä. weise ich glasklar zurück", schreibt der 56-Jährige auf Twitter. Damit rudert der "Tatort"-Schauspieler nun zurück: Mehr zu seiner Rechtfertigung lesen Sie hier.

In den Videos thematisieren die Schauspieler verschiedene Aspekte des Kampfs gegen die Pandemie: Liefers bedankt sich in seinem Clip etwa mit ironischem Unterton "bei allen Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr unermüdlich verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben." Richy Müller atmet in seinem Clip abwechselnd in zwei Tüten und kommentiert ironisch: "Wenn jeder die Zwei-Tüten-Atmung benutzen würde, hätten wir schon längst keinen Lockdown mehr. Also bleiben Sie gesund und unterstützen Sie die Corona-Maßnahmen. Ich geh jetzt mal Luft holen."

Die Kunst- und Kulturszene leidet seit mehr als einem Jahr schwer unter den Corona-Maßnahmen. Laut dem Bundesverband Schauspiel (BFFS) etwa haben viele der Schauspielerinnen und Schauspieler in Deutschland seit März 2020 kaum Einkommen. Dem Verband zufolge leben zwei Drittel bis drei Viertel aller Schauspielerinnen und Schauspieler von Gastverpflichtungen an Theatern, die aktuell nicht oder kaum arbeiten können. In Deutschland gibt es insgesamt etwa 15.000 bis 20.000 Schauspieler. 52 von ihnen haben an der Corona-Aktion teilgenommen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherchen
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