"Er wusste, dass ich nichts sage" Senta Berger über sexuelle Übergriffe am Filmset
Sie hat vermehrt Fälle sexuellen Missbrauchs am Set erlebt. Auch Namen der prominenten Täter nannte Senta Berger bereits. In einem Interview spricht die Schauspielerin erneut über eine versuchte Vergewaltigung.
Senta Berger wird im Mai 80 Jahre alt, schon seit ihrer Jugend steht sie vor der Kamera. Dabei habe sie bei Dreharbeiten hinter den Kulissen auch schlimme Erfahrungen machen müssen. Anfang der Sechzigerjahre habe ein Kollege versucht, sie zu vergewaltigen, berichtet Berger nun im Interview mit der "Zeit".
Die versuchte Vergewaltigung habe sich bei den Dreharbeiten zum Film "Es muss nicht immer Kaviar sein", der im Jahr 1961 erschien, ereignet, so Berger. Es sei der Schauspieler O. W. Fischer gewesen, der die damals nicht einmal 20-Jährige bedrängte, er habe sie sogar verletzt. Sie berichtet der Wochenzeitung: "Danach hätte ich eigentlich sagen müssen: Ich kann morgen nicht mit Ihnen drehen und diesen Film nicht mit Ihnen machen. Aber O. W. Fischer hat gewusst, dass ich das nicht sagen würde."
"Eine unglaubliche Zusammenführung"
O. W. Fischer, der 2004 starb, war zu dem von Berger erwähnten Zeitpunkt 45 Jahre alt. "Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan", habe er nach den sechs Wochen langen Dreharbeiten, in denen die Schauspielerin "kein privates Wort mehr mit ihm" gesprochen habe, zu ihr gesagt und mit diesem Zitat aus Goethes "Faust" um Entschuldigung gebeten.
Doch dieser ist nicht der einzige Fall sexuellen Missbrauchs, den Senta Berger erlebt hat. Als sie in den Sechzigerjahren international in Hollywood durchstartete, habe der im vergangenen Jahr verstorbene Mime Kirk Douglas versucht, sie zu küssen. Berger habe dies nicht gewollt, doch Douglas, ein Sohn jüdischer Emigranten, habe ihr schlicht entgegnet: "Your people killed my people" (Deutsch: "Deine Leute haben meine Leute getötet"). Die gebürtige Wienerin erinnert sich: "Das fand ich eine unglaubliche Zusammenführung."
"Das habe ich lange als eine Art von Schutz benutzt"
Auch vor der großen Karriere in TV und Kino hat Berger Erfahrungen mit sexueller Belästigung gemacht: "Ganz jung habe ich in Wien am Theater in der Josefstadt gespielt. Es war noch die Zeit, als man in den Po gezwickt worden ist kurz vorm Auftritt, von dem Schauspieler, der die Bühne verließ. Und ich hatte mir fest vorgenommen: Ich merke das gar nicht." Sie sei es vom Ballett her gewohnt gewesen, "mich so zu benehmen, als würde mir alles leichtfallen. Das habe ich lange als eine Art von Schutz benutzt."
Schon 2006 hatte Senta Berger in ihrem Buch "Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann" von den sexuellen Übergriffen ihr gegenüber berichtet. Reaktionen habe es damals nicht darauf gegeben, so Berger. Das Aufkommen der #MeToo-Debatte im Oktober 2017 und der damit einhergehende Fall Harvey Weinsteins habe sie "nicht wirklich" erstaunt, so Berger. "Die Machtverhältnisse ändern sich, das Geschlechterverhältnis ändert sich. Aber meiner Ansicht nach wird zu viel über die Sprache und Gendersternchen diskutiert und zu wenig über die realen Verhältnisse. Und zu viel über Schauspielerinnen und zu wenig über Putzfrauen oder Busfahrerinnen."
- Vorabmeldung "Die Zeit" vom 8. April 2021
- Nachrichtenagentur
- Eigene Recherchen