Armin Rohde "Ein Kampf, den ich bis an mein Lebensende führe"
Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Seit den Achtzigern gehört Armin Rohde zum Schauspielinventar der deutschen Filmbranche. Der heute 65-Jährige spricht im Interview mit t-online.de über Probleme mit seinem Gewicht und der Corona-Krise.
Seit 17 Jahren steht Armin Rohde für die ZDF-Reihe "Nachtschicht" als Schlitzohr Erich Bo vor der Kamera. Neben seinen regelmäßigen TV-Einsätzen sind es Rollen in Filmen wie "Der bewegte Mann", "Rossini" oder "Lola rennt", die den Mann aus dem Ruhrgebiet für ein breites Publikum bekannt machten.
Am 4. April ist Rohde 65 Jahre alt geworden – mitten in der Corona-Krise. Für t-online.de war das Anlass, zu fragen, wie er als Teil der Risikogruppe mit der Ausbreitung des Coronavirus umgeht und was sich für ihn durch die weitreichenden Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie verändert hat. Außerdem geht es um seine "Männlichkeit" und seinen täglichen Kampf gegen das eigene Gewicht.
t-online.de: Herr Rohde, wer ist Ihnen näher: Das Schlitzohr Erich Bo aus Hamburg oder Fredo Schulz aus Berlin – eher schwermütig und mit dem Schicksal kämpfend?
Armin Rohde: Keiner von beiden. In den über 40 Berufsjahren, die ich mittlerweile hinter mich gebracht habe, hatte ich noch nie eine Rolle, die genauso war wie ich. Natürlich fließen meine Erfahrungen in diese Rollen ein: Wie ich über das Leben nachdenke, wie ich auf die Welt blicke. Aber keine meiner gespielten Film-, TV- oder Theaterfiguren verhält sich durchgehend so wie dieser Herr Rohde persönlich. (lacht)
Wie sind Sie denn persönlich, Herr Rohde?
Darüber mache ich mir keinen Kopf. Ich halte es für unergiebig, über mich selbst nachzudenken. Das hatte ich das letzte Mal in meiner Teenagerzeit – da war ich auf Sinnsuche und habe in allen möglichen Meditationsgruppen nach meiner Persönlichkeit gefahndet. Aber das endete, als ich 18, 19 Jahre alt wurde, weil ich gemerkt habe, dass es absolut überhaupt nichts bringt, darüber nachzudenken, wie ich bin. Diese Art der Nabelschau ist mir seit vielen Jahrzehnten vollkommen fremd.
Vielleicht meinen Sie damit auch: Es ist wichtiger, sich über seine Taten zu definieren. Ist das etwas, worüber Sie nachdenken? Wie Sie mit Ihren Mitmenschen oder Ihrer Umwelt umgehen sollten?
Tatsächlich ist das der deutlich produktivere Ansatz. Ich denke lieber darüber nach, wie verhalte ich mich zu anderen Menschen, wie gehe ich mit ihnen um, wie gehe ich mit meiner nächsten Aufgabe um, was mache ich aus meiner Situation: Das ist für mich effektives Denken.
Sie verkörpern immer einen sehr maskulinen Typus, stehen in Ihren Rollen oft für Kernigkeit und Durchsetzungsvermögen. Wie denken Sie persönlich über den Begriff 'Männlichkeit'?
Sie dürfen so etwas über mich sagen, aber wenn ich von mir selbst sage, ich sei besonders männlich? Wär' doch peinlich! (lacht) Für mich ist die Frage nach erwachsener Reife entscheidender. Verantwortung zu übernehmen, sich einer Aufgabe zu stellen, mit einer schwierigen Situation umzugehen, nicht gleich eingeschnappt zu sein, Großzügigkeit: Das sind wichtige Attribute. Cool über Dinge nachdenken und möglichst warmherzig reagieren – das ist mein Motto. Aber Männlichkeit? Das ist nichts, worüber ich mich definiere.
Dinge aushalten können und in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren – das sind in der Corona-Krise ganz besonders wichtige Tugenden. Wie verbringen Sie den Lockdown und was hält Sie fit?
Ich gehöre zu dem Teil der Menschheit, der jeden Tag kämpfen muss, um sein Gewicht zu halten, zumal ich auch wahnsinnig gern esse. Das ist ein Kampf, den ich bis an mein Lebensende führen werde: der Kampf um mein Kampfgewicht. Deshalb habe ich mir vor einiger Zeit eine Yogamatte, Hantelscheiben, Gummibänder, einen Übungsstock aus Rosenholz, ein Rudergerät, ein Laufband und ein Fahrrad-Ergometer zugelegt, und daneben hängt noch ein Boxsack. Das hört sich jetzt furchtbar an, aber mein Wohnzimmer ist groß und trotz all der Sportgeräte noch gemütlich. Ich mache sehr viel Sport zuhause.
Und wie gestaltet sich Ihr Alltag während dieser besonderen Zeit noch?
Ich gehe relativ wenig vor die Tür. Ich habe die wahnsinnig luxuriöse Situation, dass ich ein Haus mit kleinem Garten und einer Terrasse habe. Wenn ich mir vorstelle, wie eine Familie mit Kindern ohne Balkon, Garten und mit deutlich weniger Quadratmetern auskommen muss, dann mache ich mir Sorgen. Wenn Kinder nicht in die Kita oder in die Schule können und Eltern unter Druck stehen, kann es leichter zu Gereiztheiten kommen – vor allem auf engstem Raum. Man weiß ja gar nicht, was momentan alles hinter verschlossenen Türen so passiert. Ich kann nur hoffen, dass es die Menschen schaffen, cool zu bleiben.
Womit wir schon wieder bei der Coolness sind, die Sie vorhin schon angesprochen haben…
Das ist wahr. Mich erinnert diese Zeit des Lockdowns aber noch an eine andere Geschichte: an Orpheus und Eurydike. Orpheus darf sich in der Unterwelt nicht umdrehen, denn sobald er sich umdreht, verliert er Eurydike für immer und ewig. Wir müssen so etwas ähnliches aushalten: Wir dürfen nichts tun, sonst könnten wir alles verlieren. Das ist das Schwerste, was es überhaupt auf der Welt gibt für einen Menschen: Nichtstun und Ausharren. Und jetzt zeigt sich, wer wirklich was drauf hat. Sprich: wer erwachsen ist.
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Sie sind kürzlich 65 Jahre alt geworden. Wie haben Sie Ihren Geburtstag im Lockdown gefeiert?
Gar nicht, Geburtstag feiere ich schon seit Jahren nicht mehr. Geschenke kann ich ohnehin nicht leiden. Ich persönlich schenke das ganze Jahr über allen möglichen Menschen etwas, aber kaum steht der Geburtstag an, habe ich eine Ladehemmung. Das entzieht einer Situation jegliche Spontanität. Das ist wie dieser Moment, wenn Leute zu dir sagen: 'Jetzt erzähl doch mal einen Witz.' Das funktioniert auch nie.
Aber als Kind hat sich das mit den Geburtstagen doch bestimmt noch anders angefühlt?
Nicht unbedingt, auch als Kind habe ich eine gewisse Überforderung gespürt bei dem Thema. Ich habe schon als Kind gedacht, dass etwas von mir erwartet wird, was ich nicht einhalten kann. Ich dachte immer, an diesem Tag muss man irgendwie besonders sein. Seit ich so neun, zehn Jahre alt bin, habe ich Geburtstage als Überforderung empfunden.
Seit Ihrem 65. Geburtstag sind Sie nun automatisch Teil der Risikogruppe. Ist das etwas, was Sie belastet?
Ich betrachte mich selbst überhaupt nicht als Teil der Risikogruppe. Ich fühle mich kerngesund, belastbar und stabil. Das ist eher ein Thema, das von sehr weit Außen an mich herangetragen wird. Aber ich kann damit persönlich nichts anfangen. Die Tatsache, dass das medizinisch so eingeordnet wird, weckt bei mir keine Befürchtungen.
Also haben Sie Ihr Verhalten auch seither nicht geändert?
Doch, das schon. Beim Betreten eines Ladens setze ich jetzt immer eine Maske auf – und natürlich generell überall dort, wo die Gefahr besteht, dass man sich ansteckt. Ich hoffe, dass andere Menschen das nun auch so machen, damit wir schnell wieder zur Normalität zurückkehren können.
Wann werden Sie denn wieder vor die Kamera treten dürfen und Ihrem normalen Berufsalltag nachgehen können?
Bei Dreharbeiten hängt man immer unglaublich dicht aufeinander rum. Das wird also schwierig und nur unter ganz strengen Auflagen möglich sein. Eigentlich wäre ich für Dreharbeiten zur nächsten Folge "Nachtschicht" schon seit einer Woche wieder in Hamburg, aber das geht wegen der Corona-Krise nicht. Ich hoffe natürlich, dass es bald so weit ist.
In seiner regelmäßigen Rolle als Erichsen in "Nachtschicht" zeigte ihn das ZDF am 4. Mai um 20.15 Uhr – die Sendung steht in der Mediathek zum Abruf bereit. Die neue Folge trägt den Titel "Cash & Carry". Als Fredo Schulz ist Armin Rohde dann in "Der gute Bulle – Friss oder stirb" zu sehen: Ein Film, der am 25. Mai vom ZDF zur Primetime ausgestrahlt wird.