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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach Rauswurf bei RTL Hans Meiser: "Ich möchte mit denen nichts mehr am Hut haben"
Kaum ein Talkmaster prägte die 90er Jahre so sehr wie Hans Meiser. 2010 musste der Moderator völlig überraschend RTL verlassen. Jetzt, zehn Jahre später, rechnet der 73-Jährige mit dem Sender ab.
Er ist eine echte Legende der deutschen TV-Landschaft. Mit seiner gleichnamigen Talkshow war Hans Meiser mehr als acht Jahre lang von den Bildschirmen nicht wegzudenken. Nicht selten lag der Marktanteil seiner Sendung bei über 40 Prozent – das schafft heute vielleicht gerade noch das Dschungelcamp in Spitzenzeiten.
Doch in den Neunzigerjahren war das Nachmittagsprogramm fest in den Händen von Hans Meiser und seinen Talk-Kollegen. Mit dem erfolgreichen Start seiner Sendung 1992 begründete der heute 73-Jährige eine wahre Flut an Talkshow-Formaten von Bärbel Schäfer bis Arabella Kiesbauer. Doch trotz seiner prägenden Rolle verschwand Hans Meiser 2010 weitgehend aus dem Fernsehen.
Was bleibt, ist die Erinnerung an viele unvergessliche Talk-Momente, spektakuläre Rettungsaktionen bei Meisers anderem Erfolgsformat "Notruf", große Lacher bei der Pannenshow "Life! Dumm gelaufen", die er von 1998 bis 2010 gemeinsam mit Birgit Schrowange moderierte und die Frage: Was macht Hans Meiser eigentlich heute?
Im Exklusivinterview mit t-online.de verrät der TV-Pionier jetzt, wie sein Leben nach der Fernsehkarriere aussieht, was er von Jan Böhmermann hält und ob er sich eine Rückkehr auf die Bildschirme vorstellen könnte.
t-online.de: Herr Meiser, über acht Jahre lang hatten Sie Ihre eigene Talkshow. Ist Ihnen eine Geschichte besonders im Gedächtnis geblieben?
Hans Meiser: Sehr viele. Ich spreche mit alten Kollegen aus der Redaktion der Show noch oft darüber. Wir hatten hervorragende Sendungen, beispielsweise über Sekten. Wir waren die erste Sendung, in der bekennende Scientologen waren. Das muss man erstmal schaffen. Da waren wir schon sehr stolz. Wir haben auch eine Sendung über die Zeugen Jehovas gemacht. Da wurde ich vor eineinhalb Jahren von Mitgliedern noch bei einem Besuch in Bayern angegriffen, ich hätte ihre Religion verunglimpft.
Ich hatte auch einen Autisten zu Gast. Ich sollte ihm eigentlich nur vorgefertigte Fragen stellen, um ihn nicht zu verwirren. Doch ich spürte, dass er irgendwie Vertrauen zu mir gefasst hatte. Er lächelte mich sogar an. Seine Eltern saßen im Publikum und sprachen mich nach der Sendung an, was ich mit ihrem Sohn gemacht hätte. Er hatte wohl seit Jahren nicht gelächelt. Solche Momente bleiben einem für immer im Gedächtnis.
Talkshows standen oft in der Kritik, mit Schauspielern und erfundenen Geschichten zu arbeiten. War bei Ihnen immer alles echt?
Bei mir war immer alles echt. Ich habe immer gesagt: "Wenn mir jemand beweist, dass etwas gefaked ist, kriegt er 1.000 Euro auf die Hand." Wir haben auch keine Anzeigen geschaltet, um Gäste zu gewinnen. Wer sich auf so was meldet, will nur ins Fernsehen. Wir wollten die Leute, die nicht ins Fernsehen wollten. Wir waren die erste Talkshow mit ganz normalen Menschen. Das war eine tolle Zeit.
Sie haben so bedeutende Persönlichkeiten wie Prinz Philip oder Helmut Schmidt interviewt. Welche Begegnung ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Mit Helmut Schmidt hatte ich den ersten Kontakt noch beim Radio, da war ich 25 Jahre alt und hatte Glück, dass ich ein Exklusivinterview bekam. Wir saßen in einer Sitzecke und die ganze europäische Presse stand um uns herum und er sagte nur: "Was wollen Sie alle, das ist ein Exklusivinterview mit Herrn Meiser." Er war ganz normal. Einer der ganz Großen. Auch Roman Herzog und Willy Brandt waren sehr beeindruckend. Heute wird auf die Politik mit einer unterirdischen Wortwahl vor allem in den sozialen Medien eingedroschen. Das ist schade.
Haben Sie Ihre Shows selbst im TV angeschaut?
Nie. Ich finde das ganz, ganz furchtbar. Ich habe mit 15 Jahren meine erste Radiosendung gemacht. Wenn man sich selbst hört und das schneiden muss, ist das ein Albtraum. Manchmal kam ich allerdings nicht drum herum. Bei "Notruf" musste ich immer die fertige Sendung abnehmen. Ich bin sehr selbstkritisch und fragte mich immer: "Warum stehst du so krumm?" oder "Warum warst du nicht beim Friseur?"
Gibt es jemanden, den Sie gerne noch interviewen würden oder interviewt hätten?
Ich bin zwar bekennender Protestant, würde aber gern ein Interview mit dem Papst führen. Ein Gespräch unter Männern, nicht von Reporter zu Papst. Ich war im Rahmen eines Interviews mit Kardinal Gänswein schon einmal im Büro des Papstes. Da stehen in einer Vitrine Bibeln neben dem Koran. Vielleicht kommen die Religionen also doch zumindest schriftlich ein bisschen zusammen.
Als Ihre Zusammenarbeit mit RTL 2010 endete, sprachen Sie davon, man hätte Sie "abgeschossen wie eine Wildsau in der Morgensonne". Was war passiert?
Man hat mich angerufen und gesagt: "Es ist Schluss mit der Talkshow." Und ich fragte: "Was machen wir dann?" Die Antwort war: "Such dir einen neuen Sender!" Was der Anlass war, weiß ich bis heute nicht. An den Quoten kann es nicht gelegen haben.
Wie stehen Sie heute dazu?
Ich möchte mit denen nichts mehr am Hut haben. Intelligente Menschen können mich beleidigen, aber nur intelligente Menschen. Aber das ist Vergangenheit. Ich kenne heute noch viele Menschen im Sender. Ich will nicht schlecht sprechen. Zum Teil sind die Formate toll, zum Teil furchtbar. Aber das ist bei allen Sendern so.
Können Sie sich trotzdem vorstellen, zum Fernsehen zurückzukehren?
Ich weiß es nicht. Ich würde liebend gerne wieder Radio machen. Das ist das weitaus intensivere Medium. Da musst du mit deiner Stimme, deinem Wissen und deinem Können ein Programm gestalten. Wenn den Leuten im Fernsehen nichts mehr einfällt, heißt es immer: "Wir lassen jetzt die Bilder auf uns wirken." Diese Ausflüchte gibt es beim Radio nicht.
Aber natürlich würde ich auch wieder Fernsehen machen. Die Diskussion, dass das lineare Fernsehen ausstirbt, gibt es seit 15 Jahren. Was Streamingdienste machen ist zum Teil viel besser als das lineare Fernsehen. Die haben inzwischen alle tolle Eigenproduktionen. Beim Fernsehen ist es nicht so leicht, mit guten, neuen Ideen durchzukommen.
Was für ein Format müsste es sein?
Ich war ein begeisterter Nachrichtensprecher. Das würde ich gerne im Leben noch einmal machen: eine Nachrichtensendung moderieren. Auch "Notruf" würde ich gerne wieder machen. So eine Sendung gibt es heute nicht mehr. Ich engagiere mich seit meiner Jugend für den DLRG. Das ist wirklich eine Herzensangelegenheit.
Noch heute sprechen mich Leute vom THW, den Johannitern und dem Roten Kreuz darauf an. Was kaum einer weiß, der erste Produzent von "Notruf" war Rudi Carrell. Es war damals meine Bedingung, dass ich die Moderation übernehme, dass jeder Fall positiv und nie mit dem Tod endet. Das hat er akzeptiert. Ich würde auch gerne wieder eine Talkshow machen und bin überzeugt, die wäre wieder sehr erfolgreich.
Gibt es eine Sendung, die Sie regelmäßig gucken?
Ich bin Nachrichten-Junkie. Ich schaue sechs, sieben Mal Nachrichten am Tag. Gerne sehe ich auch Reportagen. "Tatort" kann ich nicht gucken. Die ganzen Krimis sind so an den Haaren herbeigezogen. Da gibt es mehr Tote in einer Sendung als in der Realität in einem ganzen Jahr.
Welche Show würden Sie sich zurückwünschen?
Ich habe nie so viel Fernsehen geguckt. Ich habe mehr Fernsehen gemacht.
Würden Sie beim Dschungelcamp teilnehmen? Wurden Sie schon gefragt?
Ich werde immer wieder gefragt. Ich kann die Kollegen nicht verstehen, die da mitmachen. Ich würde das ums Verrecken nicht mitmachen. Wie kann man sich nur zu so etwas herablassen? Das ist kein Vorwurf an RTL. Die Quoten sind ja gut und offenbar wollen die Leute das sehen.
Würden Sie eine TV-Karriere Ihrer Kinder unterstützen?
Gott sei Dank sind meine drei Kinder alle normal. Ich habe meinen Kindern nie gesagt, was sie tun sollen. Ich habe ihnen immer gesagt: "Wenn ihr eine Frage habt oder einen Rat braucht, fragt mich." Aber sie müssen ihren Weg selbst gehen und das tun sie auch.
Was braucht es heute, um eine erfolgreiche TV-Karriere zu machen? Wie hat sich das verändert?
Man muss ein Selbstdarsteller sein. Aber man muss auch eine gewisse Form der Demut haben, dankbar sein dafür, dass man Möglichkeiten und Chancen bekommt. Ich habe auch Rhetorik studiert. Mit der deutschen Sprache umgehen zu können ist ein Geschenk. Dass man sich mit Menschen austauschen kann, ist etwas Wunderbares. Es gibt heute so viele Sender, aber es gibt viel zu wenig ausgebildete Menschen, die den Job von der Pike auf gelernt haben – beim Radio, bei der Schülerzeitung, wie ein Frank Elstner, Thomas Gottschalk oder Günther Jauch.
Die Leute heute haben keine geschulten Stimmen, die reden ohne Punkt und Komma, recherchieren nicht richtig. Da kriege ich Zustände. Als ich mit 15 Jahren beim SWR anfing, wäre ich mit so seiner Leistung nicht mal am Portier vorbeigekommen. Das ist sehr schade.
2017 gab es Schlagzeilen, weil Sie für das Onlineportal "Watergate.tv", das rechtspopulistische Verschwörungstheorien verbreitet, Spots eingesprochen hatten. Daraufhin verloren Sie ihr Engagement bei Jan Böhmermanns Satireshow "Neo Magazin Royale". Sind Sie ein Verschwörungstheoretiker?
Wer mich kennt, weiß, wenn ich Verschwörungstheoretiker bin, ist der Papst Jesus Christus. Bei "Watergate.tv" habe ich drei Beiträge geschrieben, die waren alle absolut wasserfest und wurden sogar vom Nachrichtenportal "Businessinsider.de" übernommen. Wenn an den Vorwürfen etwas dran ist, ist Herr Böhmermann Rechtspopulist und Verschwörungstheoretiker, nicht ich. Was ich bei Böhmermann als "kleiner Mann" vorgetragen habe, hat alles Herr Böhmermann geschrieben. Da stammt nicht ein Wort von mir.
Ich trauere der Arbeit bei "Neo Magazin Royale" nicht hinterher. So gut war die Bezahlung auch nicht. Was mich geärgert hat, ist, dass Herr Böhmermann per Bildzeitung die Zusammenarbeit beendet hat. Das ist kein guter Umgang. Heute würde ich sagen, Herr Böhmermann und ich treffen uns auf der gleichen Linie der gegenseitigen Abneigung. Ich habe mich zwei Wochen darüber geärgert, inzwischen habe ich damit abgeschlossen.