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Darum gibt es bei "Dogs of Berlin" Homosexuelle


"Tatort"-Regisseur macht Netflix
"Ich finde die Frage der Ungerechtigkeit wahnsinnig spannend"


19.12.2018Lesedauer: 5 Min.
Christian Alvart: Der Regisseur feierte schon in Hollywood Erfolge.Vergrößern des Bildes
Christian Alvart: Der Regisseur feierte schon in Hollywood Erfolge. (Quelle: t-online.de)
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Christian Alvart ist der Mann hinter den Schweiger-"Tatorten". Doch es steckt noch viel mehr in dem Regisseur. Im t-online.de-Interview beschreibt er, wie sich ein Flop anfühlt und was ihm an seiner neuen Netflix-Serie wichtig ist.

Christian Alvart trägt Kapuzenpulli und eine Baseball-Cap mit der Aufschrift "Offenbach", als er zu Besuch in die t-online.de-Redaktion kommt. Es ist der Tag, auf den er jahrelang hingearbeitet hat. Wenige Stunden später feiert seine neue Serie "Dogs of Berlin" Premiere, wird von zahlreichen Kritikern beäugt. Und trotzdem: Alvart wirkt lässig. Eine Make-up-Artistin kommt in den Raum, den wir für das Interview ausgesucht haben. Alvart winkt ab: "Mir ist egal, wie ich aussehe." Sympathisch. Weniger egal ist ihm aber dann doch etwas: "Wollt ihr die Kamera wirklich so aufstellen?", fragt der Regisseur. Abschalten kann er wohl nicht, ist Profi durch und durch.

Seine neue Serie "Dogs of Berlin" ist gerade in aller Munde. Die zweite deutsche Netflix-Serie wurde unterschiedlich aufgefasst. Fans jubelten, Kritiker schimpften. Die Charaktere seien klischeehaft und überdreht hieß es oft. Dabei hat Regisseur Christian Alvart jede einzelne Figur nach Vorbildern aus seinem Umfeld entworfen. Im Gespräch mit dem Hessen bemerkt man schnell: Dieser Mann hat viel zu sagen.

t-online.de: Wie kam es dazu, dass Sie eine Netflix-Serie gemacht haben?

Christian Alvart: Ich habe die Serie entwickelt, ohne zu wissen, wo sie landen wird. Ich habe als Roman angefangen und gemerkt, dass ich es doch filmisch umsetzen will. Für einen Spielfilm war es dann zu komplex. Durch meine "Tatort"-Erfahrungen beim NDR habe ich Kontakte zur ARD geknüpft und versucht, die Serie dort unterzubringen. Ich kam dann schnell zu Strukturfragen, wie Sendezeit, Jugendschutz und so weiter. Ich bin dann in so Fesseln geraten und zur gleichen Zeit kam eine Anfrage von Netflix. Ich hab denen dann das einfach mal zugeschickt.

Christian Alvart ist ein deutscher Regisseur aus Hessen. 2009 feierte er sein Hollywood-Debüt mit dem Film "Case 39", in dem Renée Zellweger die Hauptrolle spielte. Seit 2011 führt er bei "Tatort"-Filmen Regie. Ab 2013 war er für die "Tatorte" mit Til Schweiger verantwortlich, so auch für den Kinofilm.


Ist es für Sie einfacher für Netflix zu schreiben, als für das Fernsehen oder Kino?

Für den Stoff von "Dogs of Berlin" war es ein Vorteil. Die Serie ist wie für Streaming gemacht. Der Zuschauer kann selber entscheiden, wie viel er sehen möchte. Es ist keine Serie, von der man zehn Episoden am Stück guckt. Die Folgen sind unterschiedlich lang, man konnte sie auf die ideale Länge schneiden und ist nicht gebunden. Man muss immer sehen, was ist wo am Besten aufgehoben. Das heißt jetzt nicht, dass ich mir nicht vorstellen könnte, morgen eine Serie für die ARD zu schreiben.

Was ist Ihre Meinung: Lösen Streamingdienste das Fernsehen in der Zukunft ab?

Ich glaube das ist schon so, das ist keine Zukunft mehr. Wenn man mal junge Leute fragt, dann hat Streaming das Fernsehen schon längst abgelöst. Kein Mensch versteht mehr, warum er an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit etwas einschalten soll. Das ist mit dem modernen Leben gar nicht mehr vereinbar und das wird auch nicht wiederkommen. Der einzig starke Faktor, den das Fernsehen noch hat, ist die Gleichzeitigkeit der Erfahrung. Das bietet sich natürlich bei einem Fußballspiel an. Auch bei globalen Krisen wird das Live-Fernsehen viel besser funktionieren als Streaming. Aber bei der Fiktion und der individuellen Komsumerfahrung gibt es keinen Weg zurück zum klassischen Fernsehen. Und das Fernsehen wird auch in Zukunft seine Inhalte an Streamingdienste abgeben.

Machen Sie trotzdem noch weiter mit dem Format "Tatort"?

Til Schweiger plant im Frühjahr seinen neuen "Tatort" und da werde ich nicht mit dabei sein können. Es wird also einen neuen Schweiger-"Tatort" mit einem neuen Regisseur geben.

Wenn wir schon einmal beim Thema Schweiger sind: "Headful of Honey", die amerikanische Version von "Honig im Kopf", ist gnadenlos gescheitert, fühlen Sie mit Til Schweiger mit?

Ich fühle bei jedem Flop mit. Man kann sich nicht vorstellen, wie sehr man auf diesen Tag hinarbeitet. Jemand, der einen ganz anderen Beruf hat, der kann sich nicht vorstellen, wie das ist, wenn man drei oder vier Jahre auf ein Projekt hinarbeitet, plant, entwickelt und physisch umsetzt. Das ist wahnsinnig anstrengend, wenn man die Nächte durcharbeitet und in der Kälte steht. Wenn man alles daransetzte, am Startwochenende irgendwie einen Erfolg zu haben. Nach zwei drei Stunden weiß man meistens schon, ob der Film gefloppt ist oder nicht. Das ist ein emotionaler Vorschlaghammer, der da auf einen fällt. Das wünsche ich wirklich keinem. Es gibt niemanden in der Branche, dem ich das wünschen würde.

Was für Reaktionen wünschen Sie sich für "Dogs of Berlin"?

Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn ich die Geschichte weitererzählen dürfte. Das geht natürlich nur, wenn die Serie den Leuten gefällt.

Hat es eine besondere Bedeutung, dass bei "Dogs of Berlin" so viele Charaktere homosexuell sind?

Die Idee der Serie hängt ja viel mit unserem freien Willen, dem Schicksal und Identitätsfragen zusammen. Man kann keine Serie zu dem Thema machen, wenn man nicht ein repräsentatives möglichst breites sehr unterschiedliches Cast hat. Für mich gehört das einfach dazu.

Warum ist es Ihnen so wichtig, Figuren zu zeigen, die aus ihren gesellschaftlichen Strukturen ausbrechen?

Ich finde die Frage nach der großen Ungerechtigkeit unserer Schicksalsverteilung einfach wahnsinnig spannend. Wir sind alle unterschiedlich privilegiert. Es geht ja um weitaus mehr als White-and-Male-Privileg. (weiß und männlich). Es geht um Intelligenz, Bildung, Attraktivität, all diese Dinge haben wir uns selten ausgesucht. Selbst die Zeit, in die wir hineingeboren wurden, haben wir uns nicht ausgesucht. Da herrscht eine große Ungerechtigkeit.

Wenn man ein Gerechtigkeitsempfinden hat, dann sind all diese Umstände, wie unterschiedlich unsere Ausgangslagen sind, eine permanente Attacke auf die Gerechtigkeit. Ein Maximilian aus Zehlendorf, ein Mehmet aus Neukölln und ein Kevin aus Marzahn, die haben von Anfang an ganz andere Pakete mitbekommen. Vor diesem Hintergrund finde ich es schwierig, wie wir angefangen haben, statt miteinander zu reden, übereinander zu reden, uns gar nicht mehr zuzuhören oder auch uns niederzuschreien.

Und was kann eine Serie dagegen machen?

Ich finde, die Kunstform Film/Serie ist die Kunstform der Empathie. Man lernt jemanden kennen, man sieht die Welt für ein paar Minuten aus seiner Sicht und erkennt die grundsätzliche gemeinsame Menschlichkeit. Das geht nur mit Figuren, die mit ihrem Schicksal hadern und die an ihrem Käfig rütteln. Um den Käfig zu zeigen, muss man an ihm rütteln.

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Vielen Dank für das Gespräch, Christian Alvart.

Auf t-online.de lesen Sie in Kürze ein Interview mit den Darstellern der Serie: Fahri Yardim, Katharina Schüttler und Felix Kramer.

"Dogs of Berlin" läuft seit dem 7. Dezember auf Netflix. Eine Staffel mit zehn Episoden.

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