Wencke Myhre Der Schlagerstar im Interview
Liebe Frau Myhre, wie kam es dazu, dass Sie ihre Biografie "Die Wencke" geschrieben haben?
Durch meine Brustkrebserkrankung vor zwei Jahren hatte ich viel Zeit, weil ich nicht auf die Bühne wollte. Also fing ich an zu schreiben, und ich merkte, es tut mir gut und es kamen so viele tolle Geschichten auf, die ich auch meinen Kindern erzählen wollte. Außerdem dachte ich, ich kann vielleicht anderen Frauen helfen, die dieselbe Diagnose wie ich bekommen. Es gibt ja viele Frauen, die an Brustkrebs erkranken.
Wie gehen Sie mit der Angst vor den Kontrolluntersuchungen um?
Angst habe ich natürlich. Diese Wochen davor ist man unruhig und man weiß, jetzt kriege ich entweder den Stempel, oder es ist wieder was los. So geht es dann sicher jeder Frau. Das ist unser Schicksal. Aber man muss es trotzdem machen, denn, wenn man es früh entdeckt, dann ist der Schaden nicht so groß.
Bei Markus Lanz hat Samu Haber Ihr berühmtes Lied vom "knallroten Gummiboot" gesungen. Wie fanden Sie ihn? Hätte er Ihnen früher mal gefährlich werden können?
Ein toll aussehender Typ. Ein spannender und frecher Typ. Ja, ich mag ihn sehr. Aber ich bin heute erwachsen und überlasse es den Frauen, die ein bisschen jünger sind als ich, das zu entscheiden.
Er ist ja Juror in der Castingshow "The Voice of Germany". Würden Sie bei einer solchen Show mitmachen oder hätten Sie das in der Vergangenheit getan?
Nein. Ich habe nie bei so einer Show mitgemacht. Und ich könnte auch niemals Jurorin sein, weil die Sänger alle so gut sind. Ich hätte Probleme, einen von ihnen ausscheiden zu lassen. Aber ich bewundere die Menschen, die es wagen, da mitzumachen.
Würden Sie Ihren Kindern empfehlen, an einer Castingshow teilzunehmen?
Nein. Die haben alle andere Berufe, und das kommt deshalb nicht in Frage. Aber vielleicht die Enkelkinder, wenn sie älter sind. Da muss man abwarten.
In ihrer Biografie erwähnen Sie, dass ihre Familie 1958 in Norwegen einen Preis für "die musikalischste Familie" bekommen hat. Könnte Ihrer jetzigen Familie, die ja sehr groß ist, auch einmal so ein Preis blühen?
Na ja, wir arbeiten daran. Es kommen viele kleine Talente nach. Eine mit der Flöte, die andere spielt Schlagzeug. Da muss man schauen, ob wir eine kleine musikalische Runde bilden können. Aber mein Lebensgefährte Anders spielt Akkordeon und Piano und mein Bruder geht mit mir zusammen auf Tour. Also wir drei sind immer noch eine sehr musikalische Familie.
Kommt es manchmal vor, dass alle zehn Enkelkinder gleichzeitig bei Ihnen zu Besuch sind?
Oh ja, es gibt sehr viele Tage, an denen alle bei mir zu Besuch sind. Gerade hatten wir ein großes Fest mit allen vier Kindern und den Enkeln. Drei wohnen bei mir in der Nähe, die sehe ich öfter. Aber wenn meine Tochter aus Schweden mit ihren beiden Kindern kommt, dann sind wir erst richtig komplett.
Sie haben 1968 beim Eurovision Song Contest den sechsten Platz gewonnen. Sind Sie heute immer noch ein Fan dieses Wettbewerbs?
Ich sehe den Grand Prix leidenschaftlich gern. An diesem Abend darf mich keiner stören. Da sitze ich mit Papier und Stift und mache meine Listen und überprüfe, wie ich liege im Vergleich mit dem europäischen Geschmack. Und ich liege immer gut! Ich habe immer den richtigen Riecher.
Im letzten Jahr haben ja Bonnie Tyler und Engelbert teilgenommen. Die sind doch ungefähr Ihr Jahrgang. Könnten Sie sich auch vorstellen, nochmal als Kandidatin mitzumachen?
Aus Spaß habe ich in Norwegen ein paar Mal mitgemacht, nur am Rande als Show-Act. Aber zum Singen sollen junge Künstler hinfahren. "Erwachsene" sollten nur als Show-Act teilnehmen.
Sie sind inzwischen 66 Jahre alt und sehen blendend aus. Wie machen Sie das?
Das Geheimnis liegt in meinem Beruf. Daran, dass ich ihn mag und dass er mich inspiriert. Ich übernehme viele neue Aufgaben und werde dadurch auf Trab gehalten. Ich lese viel. Ich bin sehr wach. Ich bin wacher jetzt als mit 20. Ich glaube, es ist wichtig, ein gesundes Leben zu leben und viel Liebe um sich zu spüren. Dann brauch man kein Botox und solche Sachen, wenn man von innen strahlt.
Ein sehr dunkler Moment in Ihrem Leben war sicher der Selbstmord Ihres damaligen Ehemannes Michael Pfleghar.
Das kam wie ein Schock. Ich ahnte damals zwar, dass es Michel nicht gut ging. Er lebte in Oberhausen und ich in Oslo. Wir waren damals also ein bisschen getrennt, haben uns aber besucht. Er hatte sich eine Wohnung in Norwegen angemietet, wo ihn die Kinder manchmal besuchen konnten. Das ging ganz gut. Ich dachte sogar: Vielleicht schaffen wir es und finden uns wieder. Und dann kam diese unvorhergesehene Nachricht.
Wie haben Sie das verkraftet, und wie empfinden Sie es heute?
Daran gewöhnt man sich nicht, und ich werde auch nie eine Antwort darauf bekommen, warum das passiert ist. Ich habe damals professionelle Hilfe bekommen, um das mit den vier Kindern zu schaffen. Ich musste aber auch arbeiten, um sie zu ernähren. Es war eine sehr triste Zeit. Aber auch heute spreche ich noch jeden Tag über ihn. Wir erzählen über all das Gute, Wunderbare, was er getan hat. Es stehen Bilder von ihm überall bei uns zu Hause. Er hat jetzt einen Enkel, und der ist zwei Jahre alt. Er sieht ihm sehr ähnlich. Es ist merkwürdig, dass er nicht da ist, und ihn und seinen Sohn nicht sehen kann.
Wencke Myhres Autobiografie ist im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen.