Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Spiel, Satz und Skandale Boris Becker zieht blank – in einem Buch über sein (Liebes-)Leben

Er war einmal ein junger, unscheinbarer, aber im Tennissport herausragend erfolgreicher Rotschopf. Man kannte seinen Namen, er war der Held, ja ein Vorbild einer ganzen Generation. Alle redeten von "Bum Bum Boris", der es mit Talent und Ehrgeiz bis zum Wimbledon-Sieger brachte. Jetzt hat der Junge von damals ein Buch geschrieben – und Boris Becker
In der Buchankündigung heißt es, Becker spreche nun "Klartext", das Buch sei ein "ungeschminktes, höchst unterhaltsames Bekenntnis". Doch wozu braucht Becker, der es im Leben sogar trotz reichhaltiger Skandale zu etwas gebracht hat, nun auch noch einen ausführlichen Seelen-Striptease? Dass sich Bum Bum Becker das ein oder andere Mal zu viel entblößt hat, ist sowieso bekannt.
Von Frau attackiert - zurecht!
Wobei wir schon beim Thema wären: In aller Ausführlichkeit hat Boris Becker laut Vorberichten in der "Bild"-Zeitung auch noch seine Ex-Ehefrau und weitere Damen mit nicht unerheblich peinlichen Darstellungen kompromittiert. Barbara Becker sei bei seiner Fremdgehbeichte mit Baby-Alarm auf ihn losgegangen, schreibt er. Was erwartet der Autor dieser geistigen Ergüsse nun vom Leser? Mitleid? Dann hätte er aber nicht weiterschreiben dürfen.
Als Frau kann man nur eins dazu sagen: Er hatte wohl noch Glück. Es gibt gewiss viele Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts, die nach dieser Mitteilung noch ganz anders mit ihm umgegangen wären. Und wer als Mann dann auch noch nach einer erbärmlichen Erklärung für den Seitensprung sucht und ihn niederschreibt, kann seinen einstigen Helden-Status aus Tennis-Zeiten endgültig an den Nagel hängen.
Es sei ja zum Sex mit Angela Ermakowa nur gekommen, weil er mit Gattin Barbara keine gemeinsamen Ziele mehr gehabt hätte. "Von Erotik und Sex will ich gar nicht anfangen"“, schreibt Becker in seinem Buch. Doch den Mut, einfach mal seinen Mann zu stehen und erst eine Beziehung zu beenden, um dann ungehindert in fremden Betten und Besenkammern rumzuturnen, hatte Herr Becker offenbar nicht.
Opfer böser Frauen
Und auch sonst erscheint der einstige Tennisheld in seinen eigenen Beschreibungen nur als das arme Opfer böser Frauen. Da war seine Kurzzeit-Verlobte Sandy Meyer-Wölden, die es wagte, ihm nach einem langen Arbeitstag nicht mit einem selbst gekochten Essen zu empfangen. Was hatte der damals 42-Jährige bei einer Beziehung mit einer reichen 25-jährigen Göre vorgestellt? Aber zumindest gab es bei ihr keine Beschwerden in Sachen Sex und Erotik.
Trotz aller Häme und Kritik sei natürlich auch erwähnt, dass Becker wenigstens mit seiner Lily scheinbar glücklich ist. Und er bleibt zumindest sich selbst treu – hat er doch kürzlich erst die Nacht damit verbracht, sich mit Oliver Pocher eine verbale Schlammschlacht auf Twitter zu liefern - auf unterstem Niveau natürlich. Dabei hatte Boris Becker nur ein hehres Ziel mit all den Offenbarungen: "Weil es mir eine Herzensangelegenheit war, meine Wahrheit der letzten zwölf Jahre zu veröffentlichen", wie er in einem Interview kund tat.
"Seine Wahrheit" breitet Becker also auf fast 300 Seiten unter dem schönen Titel „Das Leben ist kein Spiel“ aus. Ehrliches Interesse an der Wahrheit hat die Mehrheit der Leser gewiss nicht. Was sie dazu treibt, die Becker-Biografie in die Hand zu nehmen, dürfte einzig und allein die Lust an der Schadenfreude sein. Denn wer den Schaden hat, braucht bekanntlich für den Spott nicht zu sorgen. Wobei Bobbele mit diesem Schmöker auch noch dafür gesorgt hat...