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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Jan Hofer "Das ist erschreckend"
Seit 1985 ist er ein prägendes Gesicht des deutschen Fernsehens: Jan Hofer. Im t-online-Interview zieht er Bilanz – und berichtet von seinen Sorgen um Deutschlands Zukunft.
Als er am 14. Dezember 2020 um 20 Uhr seine letzte "Tagesschau"-Ausgabe präsentierte, dachten die meisten Menschen, Jan Hofer begebe sich nun in den Ruhestand. Doch fast vier Jahre später deutet sich dies noch immer nicht an. Der gebürtige Westfale ist seit 40 Jahren ein fester Bestandteil des Fernsehens – und wird es auch nach seinem bevorstehenden Ende als RTL-Nachrichtensprecher Ende August weiterhin bleiben.
Warum Jan Hofer nicht aufhören kann, welchen Tick er um seine Altersangabe entwickelt hat und wie er auf den derzeitigen Zustand Deutschlands blickt, erzählt er im Interview.
t-online: Herr Hofer, Sie scheinen sich einen Spaß daraus zu machen, Ihr tatsächliches Alter zu verschleiern. Jetzt wissen wir gar nicht, ob wir Ihnen bald zum 75. Geburtstag gratulieren dürfen …
Jan Hofer: Gratulieren dürfen Sie natürlich. Aber es stimmt: Ich habe mich irgendwann mal entschlossen, das nicht preiszugeben. Und dabei soll es auch bleiben.
Sie machen ein Geheimnis aus Ihrem Alter?
Ich finde das eigentlich ganz schön. Der Nebeneffekt ist nur, dass ich nun jedes Jahr danach gefragt werde, wie alt ich eigentlich werde. Aber damit komme ich zurecht.
Für 70 bis 75 versprühen Sie in den sozialen Medien jedenfalls noch jede Menge Jugendlichkeit. Trügt der Schein?
Ich komme gerade vom Arzt und der sagte mir, ich sei ein medizinisches Wunder. Ich habe überhaupt keine Verschleißerscheinung.
Wie kommt das?
Ich nehme an, das ist genetisch bedingt. Meine Mutter ist sehr alt geworden. Aber viel wichtiger als meine körperliche Verfassung ist mir, geistig fit zu bleiben.
Gelingt es Ihnen?
Ich denke schon. Jedenfalls verspüre ich noch keine Lust, mir den Anorak anzuziehen und die Elbe entlangzuspazieren.
Bereitet es Ihnen dann Unbehagen, dass Sie ab Ende August durch Ihren Abgang bei RTL plötzlich mehr Zeit haben?
Im Gegenteil. Ich hatte immer wieder Brüche in meinem Leben. Als ich nach der "Tagesschau" aufgehört habe, habe ich mit RTL etwas Neues ausprobiert. Das werde ich dieses Mal genauso tun und mich unter anderem sehr stark um Social Media kümmern. Aber viel wichtiger ist: Ich habe endlich mehr Zeit für meinen kleinen Sohn. Er ist acht Jahre alt und freut sich darauf, bald täglich seinen Papa um sich zu haben.
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Nur gut, dass Sie ein medizinisches Wunder sind und mit irgendwas um die 70 noch sportlich aktiv werden können.
Sie sagen es. Als in der Schule kürzlich ein Fußballturnier veranstaltet wurde, wo Eltern und Kinder gemeinsam antraten, war mein Sohn richtig stolz, dass ich noch mitmachen konnte. Aber einige andere Male war ich eben nicht da und dann gab es schon auch mal bittere Tränen. Das ist weder für ihn noch für mich eine leichte Situation und ich bin froh, dass das ab September anders wird.
Ich empfand diesen Zwang, in einen Anzug zu müssen, unangebracht und dem wollte ich mich entledigen.
Jan Hofer
Am 31. August steht ihr Abschied bei RTL an. Als Sie der "Tagesschau" 2020 Lebewohl sagten, machte Ihr Krawatten-Moment Schlagzeilen: Was beabsichtigen Sie, sich dieses Mal abzustreifen?
Das habe ich mir noch nicht überlegt. Aber dieser Moment damals wurde auch missverstanden. Es ging überhaupt nicht um die Krawatte an sich. Es ging darum, dass ich mich der Uniform entledigen wollte. Ich empfand diesen Zwang, in einen Anzug zu müssen, unangebracht und dem wollte ich mich entledigen.
Sie haben die Krawatte also nur getragen, weil Sie mussten?
Ich bin jemand, der sich ungern in ein Korsett zwängen lässt. Wenn man abends mal ausgeht, dann kann auch eine Krawatte sehr schön sein. Aber ich halte es nicht mehr für zeitgemäß, dass man zu einem Kleidungsstil gezwungen wird.
Wie würden Sie neben der Kleiderordnung die Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichem und privaten Nachrichtenfernsehen beschreiben?
Grundsätzlich sind die gar nicht so groß. Die Öffentlich-Rechtlichen sind politischer. RTL legt hingegen großen Wert auf Servicethemen, lebensnahe Geschichten. Politisch kompliziertere Sachverhalte müssen wir eher erklären, bei ARD und ZDF werden größere Kenntnisse vorausgesetzt.
Die Öffentlich-Rechtlichen werden allerdings auch deutlich lauter kritisiert, teils heftig angefeindet. Mit den "Lügenpresse"-Rufen haben allerdings viele Medien zu kämpfen. Wie sehr schmerzt es Sie, wenn Sie so etwas hören?
Es schmerzt mich schon sehr, weil ich weiß, dass sowohl bei ARD und ZDF als auch bei RTL und vielen anderen Sendern und Medien redliche Leute arbeiten, die gut ausgebildet sind. Die wollen eigentlich nur eins: eine vernünftige Berichterstattung sicherstellen.
Woher dann all der Hass?
Diese Menschen, die Lügenpresse schreien, sind überhaupt nicht an ausgewogener, guter Berichterstattung interessiert. Sie wollen nur die Sachen hören, die in ihr Weltbild passen – alles andere wird ausgeblendet, verleugnet, schlechtgeredet. Denen kann man nicht helfen. Ich habe jahrelang versucht, mit diesen Menschen zu diskutieren, aber festgestellt: Das funktioniert nicht.
Eine erschreckende Diagnose, wenn man bedenkt, dass bald Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen anstehen und dort die lauteste "Lügenpresse"-Fraktion mehr als 30 Prozent der Wähler überzeugen könnte: Sind diese vielen Menschen für uns schon verloren?
Das müssen vor allem Politiker für sich beantworten. Mir fällt es schwer, das zu sagen, denn Politiker-Bashing zu betreiben, liegt mir fern, aber vielleicht sind in der Politik auch über Jahre hinweg Fehler gemacht worden. Vielleicht fühlen sich die Menschen im Osten nicht ausreichend wahrgenommen. Vielleicht hätte man mehr auf ihre Sorgen und Nöte hören sollen.
Die Menschen in Deutschland sind schlauer, als man denkt.
Jan Hofer
Womit wir beim Aufstieg der Rechtspopulisten wären. Wie beobachten Sie die Entwicklung der AfD?
Ich finde das eine sehr bedenkliche Entwicklung. Ich war vor Kurzem im Haus der Wannseekonferenz und habe mir das unfassbare Grauen angesehen, welches die Nazis hinterlassen haben. Und dann könnte eine Partei in unserem Land an die Macht gelangen, die dieses Grauen kleinredet: Das ist erschreckend.
Glauben Sie, dass ein gewisser Herr Höcke Ministerpräsident wird?
Nein. Die Menschen in Deutschland sind schlauer, als man denkt.
Wenn er es wird, plant er, den MDR abzuschaffen – zumindest 90 Prozent davon. Und möchte ihn dann ausgerechnet über Steuern finanzieren lassen. Wäre so ein Sender dann nicht genau das, was die AfD immer anprangert: Staatsfernsehen?
Dieser Vorschlag zeigt sinnbildlich, wie wenig die AfD inhaltlich zu bieten hat. Ich habe in 30 Jahren öffentlich-rechtlichem Fernsehen nicht erlebt, dass Politiker in die Berichterstattung eingreifen. Der Staatsfunk ist eine Mär, politischen Einfluss hat es nie gegeben. Wenn ich mir aber vorstelle, das könnte es geben, weil ein Herr Höcke das Ganze jetzt steuerfinanziert haben möchte und damit dem direkten Zugriff der Politik aussetzt, ist das nur noch abstrus. Außerdem sollten wir eine Sache nicht vergessen ...
Bitte?
Ich erinnere bei dem bizarren Staatsfunk-Störfeuer der AfD immer an den Gründer des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR): Hugh Carleton Greene. Der wurde später Generaldirektor der BBC, hatte aber zuvor in Deutschland den NWDR aufgebaut und entschieden, dass die "Tagesschau" als wichtigstes Nachrichtenformat des Senders nach Hamburg ziehen müsse. Er wollte nicht, dass die Nachrichten wieder in den Einflussbereich der Mächtigen kommen. Das war ein kluger Gedanke und ein Herr Höcke will genau das ad absurdum führen.
Warum haben sich Höcke und Co. überhaupt so sehr auf den ÖRR eingeschossen?
Journalisten sind traditionell nicht unbedingt der rechten Seite zuzuordnen. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe, aber das heißt nicht, dass sie dadurch weniger unabhängig wären oder einen schlechteren Job machen. Für Leute wie Höcke ist das egal: Denen sind diese Journalisten ein Dorn im Auge – und mit den ständigen Attacken auf die Presse wollen sie deren Glaubwürdigkeit anzweifeln, um sich so auf lange Sicht der kritischen Stimmen entledigen zu können.
Sie waren über Jahrzehnte für den MDR im Einsatz, gelten als Gründervater der Talkshow "Riverboat". Würde es Sie besonders treffen, wenn solch eine Show unter dem AfD-Hammer verschwände?
Es gibt bestimmt wichtigere Formate als so eine Unterhaltungsshow und dennoch glaube ich daran, dass es essenziell ist, Programmvielfalt anzubieten – mit allen Genres, die dazugehören. Und "Riverboat" ist nicht nur Unterhaltung, sondern auch wichtig für die Region.
Aber?
Dass ARD, ZDF und Co. unübersehbaren Reformbedarf haben, ist unbestritten. Das wissen die Sender selbst am besten. Kai Gniffke macht als Intendant in der Hinsicht vieles richtig und stößt sowohl Einsparungen als auch Modernisierungsprozesse an. Der Handlungsbedarf zur Veränderung beim ÖRR darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, wie wichtig er als Teil der vierten Gewalt ist.
Es ist absoluter Quatsch, wenn Leute behaupten, diese Sender werfen das Geld aus dem Fenster.
Jan hofer
Sie sehen es also als problematisch an, dass der Rundfunkbeitrag immer wieder erhöht wird und die Sender dadurch mit Legitimationsproblemen zu kämpfen haben?
Nein, überhaupt nicht. Woher soll das Geld denn kommen? Wir hatten 2023 eine Inflationsrate von 12,5 Prozent, die Löhne sind teilweise 8 bis 10 Prozent gestiegen. Auch im öffentlich-rechtlichen Bereich bestehen die Gewerkschaften – wie ich finde, zu Recht – auf ihrem Recht und fordern mehr Geld. Alles wird teurer: Vom Catering bis zu den Produktionskosten. Ein solcher Apparat muss finanziert werden und das hat seinen Preis.
Wird mit dem Geld denn verantwortungsvoll umgegangen?
In den ganzen Jahren, die ich dort gearbeitet habe, habe ich keine Verschwendung erlebt. Kostendruck hingegen ständig. Es ist absoluter Quatsch, wenn Leute behaupten, diese Sender werfen das Geld aus dem Fenster. Das war nie der Fall.
- Interview mit Jan Hofer