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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Howard Carpendale "Ehrlich gesagt interessiert mich der Wendler nicht"
Er ist einer der Großen des Schlagers. Nun blickt Howard Carpendale nicht nur mit "Symphonie meines Lebens 2" auf sein Schaffen zurück, sondern ebenso im Interview mit t-online. Auch über den Wendler hat er was zu erzählen.
Mit "Symphonie meines Lebens 2" haucht Howard Carpendale alten Songs neues Leben ein. Er selbst blickt auf eine meist erfolgreiche Karriere zurück. Kleinere Tiefpunkte gab es dennoch, wie er offen zugibt.
t-online: Hallo, Herr Carpendale. Wie oft werden Sie eigentlich mit "Hello again" begrüßt?
Howard Carpendale: Mittlerweile nicht mehr so oft. (lacht) Es ist eine Aussage, die man wirklich oft hört. Auch hier in Deutschland. Ich war neulich in Berlin und da stand an einem Kino auch ganz groß "Hello again", weil die wieder aufgemacht haben. Es hat sich durchgesetzt. (lacht)
Durchgesetzt haben sich auch Ihre Songs. Anlässlich ihres 50-jährigen Bühnenjubiläums touren Sie seit 2019 mit "Show meines Lebens" durchs Land, veröffentlichten im letzten Jahr den ersten Teil der "Symphonie meines Lebens". Rein von der Semantik her klingt das schon ein bisschen nach großem Finale, oder?
Nun, das liegt auch daran, wie die Pandemie verläuft. Im Moment schwanke ich, ob ich nächstes Jahr wieder auf Tournee gehen kann oder eben gar nicht mehr.
Von der "Symphonie meines Lebens" kam jetzt ein zweiter Teil heraus. Wie kam es denn zur überraschenden Fortsetzung?
Ganz ehrlich: Das war eine Entscheidung der Plattenfirma. Die haben mich gefragt, ob ich einen zweiten Teil machen möchte. Vorher hatte ich da nie darüber nachgedacht, aber nach der Anfrage habe ich sofort ja gesagt. Es ist eine unglaubliche Erfahrung, mit dem Royal Philharmonic Orchestra zu arbeiten.
Beim ersten Teil haben Sie in den berühmten Abbey Road Studios aufgenommen. Das ging jetzt nicht mehr, oder?
Nein, ich war daheim in München. Aber da wir uns als Team schon kannten, konnten wir gut per Telefon miteinander arbeiten. Es ist schade, dass ich nicht in London sein konnte. Aber etwas Gutes hatte es, denn das Orchester konnte wegen dieser Aufnahme erstmals seit der Pandemie wieder zusammenkommen. Der Arrangeur erzählte mir, dass die Musiker schon Angst hatten, dass sie nie wieder als Orchester zusammenarbeiten könnten. In England ist es genau wie hier, da können Künstler nicht wirklich arbeiten.
Hat sich denn Ihre Familie gefreut, dass Sie in der Heimat aufnehmen konnten?
In der Familie hat jeder sein eigenes Leben mittlerweile. Meine Frau wäre jedoch nach London mitgefahren. Wir wären gerne in London gewesen, weil wir die Stadt so toll finden.
Sie singen mit Giovanni Zarrella und Kerstin Ott jeweils einen Song zusammen. Wie kam es dazu?
Es war keine musikalische Überlegung. Schon beim ersten Teil haben wir etwas über den Tellerrand geschaut und mit Cliff Richards gearbeitet. Dieses Mal wollte ich mit zwei Menschen singen, die ich persönlich sehr gerne habe. Kerstin kenne ich seit gut zwei Jahren. Giovanni kenne ich erst ein halbes Jahr, aber wir haben viel Spaß miteinander. Er ist ein großer Künstler.
Und jetzt reden wir nur über zwei Songs von über 700 Nummern, die Sie geschrieben haben. Wie wählt man aus so einem Fundus aus?
Man nimmt natürlich viele Songs, die bekannt sind. Aber es gibt auch drei, vier Songs, die mir wichtig waren. Bis auf ganz wenige Ausnahmen, wo man einen Kompromiss finden musste, klappte es gut mit der Songauswahl. "Ein paar sind über den Wolken etwa" war keine Single, mir aber sehr wichtig. Bei "Das Mädchen von Seite 1" hingegen bin ich selbst ganz überrascht, wie gut das mit dem Orchester harmonierte.
Wie denken Sie denn heute genau über diesen Song, "Das Mädchen von Seite 1"? Das war damals ein großer Hit, danach war aber erst einmal wieder etwas Flaute …
Das war 1970 und ich konnte damals noch nicht so sehr meine Meinung sagen wie heute. Dennoch war mir klar, dass das ein Hit werden könnte, weil das sofort hängen bleibt. Ich habe den Song viele Jahre gar nicht mehr gespielt, weil er mittlerweile nicht mehr zu mir passte. Heute kann ich es mit einem Augenzwinkern singen. Es gibt sogar einen kurzen Rap-Teil.
Wie blicken Sie denn auf die 90er zurück? Das war kommerziell nicht gerade die erfolgreichste Phase sowohl für Ihre Karriere als auch den deutschen Schlager.
In den 90ern habe ich in Amerika gewohnt und etwas Abstand gesucht. Eine Karriere kann nicht immer nur nach oben gehen. Gerade in den 90ern gab es da Schwankungen, aber man lernt auch aus solchen Phasen und man lernt andere Wege zu gehen. Die Musik, die ich heute mache, ist heute mehr mein Geschmack. Ich habe damals gelernt, dass ich für meine Meinung einstehen muss. Das macht auch Authentizität aus. Es geht mir nicht immer nur um Charts und Hits, sondern ich stelle mir selbst die Frage, was ich machen will.
Mittlerweile sind Sie auch bei Facebook und Instagram recht aktiv. Wie wohl fühlen Sie sich denn in den sozialen Medien?
Ich bin da vorsichtig. Manche Kollegen meinen, dass sie heute zwei, drei Mal am Tag etwas posten müssen. Ich persönlich finde aber, dass es mir nicht liegt, den Leuten immer mein Privatleben im Internet zu zeigen.
Ist es bedenklich, wenn man als Star immer seine Meinung kundtun muss? Bei Michael Wendler etwa waren seine Corona-Aussagen ja ein Skandal.
Ich überlege mir sehr gut, was ich poste. Es erstaunt mich eher, dass Leute über Michael Wendler sprechen. Ehrlich gesagt interessiert mich der Wendler nicht!
Nächstes Jahr werden Sie 75. Bedeutet Ihnen diese Zahl etwas?
Ich kriege einen Schreck, wenn ich das höre. (lacht) Aber das Alter bedeutet mir nichts, weil ich das Glück habe, dass ich im Kopf jung geblieben bin. Ich komme mit jungen Menschen gut aus und spreche auch deren Sprache. Ich bin also noch weit entfernt von einem typischen Greis. (lacht)
- Eigenes Gespräch mit Howard Carpendale