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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Lebenswerk-Echo Voormann und die Beatles: "Werden immer Freunde sein"

Er ist ein Freund und Wegbegleiter der Beatles, schuf das legendäre "Revolver"-Cover und stand als Bassist der Manfred-Mann-Band auf der Bühne. Klaus Voormann wird am Donnerstag mit dem Lebenswerk-Echo geehrt.
Der 79-Jährige ist ein Mann, der sein Leben lang im Schatten großer Stars stand und damit nie ein Problem hatte. Im Interview spricht Voormann über die enge Freundschaft zu den Beatles, persönliche Fehlentscheidungen und warum ihn Paul McCartney einst als Arschloch bezeichnete.
t-online.de: Herr Voormann, Sie sind zweifacher Grammy-Gewinner und bekommen jetzt den Lebenswerk-Echo. Was bedeutet diese ganz besondere Auszeichnung für Sie?
Klaus Voormann: Eine derart große Auszeichnung bedeutet für mich, dass die Menschen nicht nur erfahren, dass ich das "Revolver"-Cover entworfen und vielleicht bei Manfred Mann gespielt habe, sondern auch, dass ich für viele andere Künstler Musik gemacht habe. Durch die Ehrung für mein Lebenswerk werden sie das tatsächlich einmal merken (lacht). Natürlich freue ich mich, das ist doch wunderbar.
Welchen Wert haben Preise im Allgemeinen für Sie?
Wenn ich bei Peter Maffay zu Besuch bin, hängt da natürlich der ganze Flur voll mit den goldenen Schallplatten. Ich persönlich habe meine goldenen Schallplatten unter der Kellertreppe in Los Angeles aufbewahrt. Irgendwann sind sie geklaut worden. Die Grammys liegen in einer Box auf rotem Samt.
Und wo kommt der Echo hin?
Keine Ahnung, darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Meiner Frau wird sicher ein schönes Plätzchen einfallen.
Blicken wir zurück: Die Beatles haben Sie 1960 im Hamburger Kaiserkeller kennengelernt. Sie hatten auf der Straße die Musik gehört, damals, als Sie noch Grafiker für die "Hörzu" waren. Wie lief diese Begegnung ab?
Ich bin an der Großen Freiheit spazieren gegangen und dann habe ich durch ein Kellerfenster Livemusik gehört. Und das waren tatsächlich die Beatles, die da gespielt haben. Die Neugier hat mich dorthin getrieben. Ich musste da rein, das war gar nicht so einfach. Da standen lauter Burschen mit Lederjacken und es sah gefährlich aus. Ich hatte ja keine Ahnung, was mich da unten erwartet. Aber in dem Moment, als ich da war und die Bands gehört habe, war diese Angst weg. Als ich in den Keller kam, spielte schon die nächste Band. Das waren Rory and the Hurricanes mit Ringo Starr am Schlagzeug – und danach kamen die Beatles.
Hat diese Begegnung Ihre Sicht auf die Musik verändert?
Es waren die Personen, die den Unterschied gemacht haben. Die Musik kannte ich zum größten Teil ja schon. Es waren diese ganz frischen Liverpool-Jungs. Die waren ganz anders als alles, was da in Hamburg rumlief. Das hat mich begeistert. Und auch die Art, wie sie die Stücke wiedergegeben haben.
Ihre Begeisterung war so groß, dass Sie für die Band später das legendäre "Revolver"-Cover geschaffen haben. Wie ist es entstanden?
Entstanden ist es erstens mal dadurch, dass die Beatles schon wussten, dass ich Grafik mache. Sie hatten nicht nur ein Plattencover gesehen, sondern viele andere Arbeiten. Sie hatten mitgekriegt, dass ich ein guter Grafiker bin. Und dann rief John Lennon mich an. Er hat dann gefragt, ob ich eine Idee hätte. Wenn das der Fall wäre, könnte ich den Job vielleicht kriegen. Aber es war nicht so, dass es von vornherein feststand. Dann haben sie mich ins Studio eingeladen und ich habe mir ihre Songs angehört.
Klaus Voormann wurde am 29. April 1938 in Berlin geboren. Er studierte in Hamburg an der Meisterschule für Gestaltung und lernte das Handwerk des Grafikers. Doch seine zweite Leidenschaft war die Musik. Ab 1966 spielte er Bass bei Manfred Mann und entwarf das Cover für das Beatles-Album "Revolver". Dafür wurde Voormann 1967 mit einem Grammy für das beste Schallplattencover ausgezeichnet. Es folgten Auftritte u.a. mit Carly Simon und auch Eric Clapton, die ihn in der Musikszene zu einem echten Star machten.
Wussten Sie damals schon, dass der Anruf von John Lennon ihr Leben grundlegend verändern würde?
Das wusste ich in dem Moment überhaupt nicht. Ich war zu der Zeit gerade bei der Manfred-Mann-Band eingestiegen und voll in der Musik drin. Ich hatte gar keine Grafik gemacht zu der Zeit. Ich habe gar nicht daran gedacht, dass das so wichtig sein würde. Ich habe einfach nur gedacht: Das ist ein harter Job und ich muss jetzt wirklich sehen, dass ich eine Lösung finde, die diese fantastische Musik wiederspiegelt. Eine Lösung für die Band. Und das habe ich dann auch hingekriegt.
Wovon haben Sie sich inspirieren lassen?
Wenn ich einen solchen Job annehme, schreibe ich zunächst einmal auf: Was ist das Publikum? Wer sind die Fans? Und was erwarten die? Die typischen Beatles-Fans wollen viele Fotos von der Band und natürlich die Burschen so groß wie möglich sehen. Dann ging es um die Stilfrage und ich dachte mir: Eine Kollage wäre nicht dumm. Dann habe ich ihnen eine Skizze vorgelegt.
Und wie kam die an?
Die Skizze fanden sie alle gut. Ich habe sie dann gebeten, mir alle Fotos zu schicken, die sie haben. Erst hatten sie Angst und dachten, sie könnten mir nicht so manch schlechtes Foto schicken. Ich habe dann aber gesagt: Ich mache die Auswahl, ihr könnt euch auf mich verlassen. Und das haben sie dann auch gemacht.
Der Moment, als Sie die fertige Zeichnung den Beatles präsentierten, soll Ihnen ja Schweißperlen auf die Stirn getrieben haben.
Das stimmt, das war nicht so einfach. Diese paar Minuten kamen mir vor wie eine Stunde. Keiner hat was gesagt. Ich hatte für einen kurzen Moment das Gefühl, dass sie das Cover vielleicht doch nicht mögen. Dass es ihnen doch zu extrem war. Aber Gott sei Dank war das nicht der Fall. Brian Epstein hat geweint und war wirklich sehr gerührt. Er sagte dann zu mir, dass es genau das ist, was nötig gewesen ist, weil er Angst hatte, dass die Musik vielleicht doch ein bisschen zu weit entfernt von dem durchschnittlichen Beatles-Fan ist. Er sagte dann, dass mein Cover die Brücke zu den Fans ist. Und da war ich natürlich stolz.
50 Pfund haben Sie für drei Wochen Arbeit an diesem Cover bekommen. Etwas wenig, oder?
Das war ja eine Zeit, wo nur Fotos, die jemand gemacht hatte, auf einem Cover waren. Da kriegten die Fotografen vielleicht 30 Pfund. Es war ja nicht so, dass die Budgets auf der Straße lagen. Ich habe auch nicht gefeilscht. Ich kann ganz gut zeichnen und Bass spielen, aber ich bin kein guter Geschäftsmann.
Sie leben mittlerweile am Starnberger See. Mit Ihrem Geschäftssinn muss es doch bergauf gegangen sein.
Nein. Die meisten denken, ich habe eine Yacht und wohne direkt am Starnberger See mit einem eigenen Steg. Das ist überhaupt nicht der Fall. Wir wohnen hier in einer ganz normalen Wohnung. Auch gar nicht übertrieben.
Oft werden Sie dennoch als fünfter Beatle bezeichnet. Das nervt Sie ein bisschen, nicht wahr?
Naja, ist doch logisch. Wie viele Beatles soll es denn geben? George Martin, Billy Preston, Pete Best, Stuart Sutcliffe. X fünfte Beatles haben wir da draußen. Dazu kommt, dass ich ja nie für die Band gespielt habe. Halt, eine Ausnahme war im Top Ten Club. Da hat Stue mir seinen Bass in die Hand gedrückt, und ich spielte zusammen mit den anderen eine Fats-Domino-Nummer. Ich traute mich nicht auf die Bühne, sondern saß auf einem Stuhl.
Ärgert Sie es rückblickend, dass Paul McCartney dann zum Bassist wurde und Sie den Weltruhm so nicht miterleben konnten?
Nein, überhaupt nicht. Da habe ich auch nie drüber nachgedacht. Die Band war einfach toll.
Der "Süddeutschen Zeitung" haben Sie mal gesagt: "Was die Wurzeln der Beatles angeht, wäre ich in gewisser Hinsicht besser gewesen als Paul." Wie meinten Sie das?
Ich weiß nicht, was da stand. Ich weiß nur, dass ich ein völlig anderer Bass-Spieler bin. Paul ist ein melodischer Bass-Spieler und ich komme mehr aus der Blues-Ecke. Ich spiele einfach anders Bass. Ich sage nicht besser, das habe ich ganz bestimmt nicht gesagt. Ich habe eine andere Art und das respektiert Paul. Er sagt auch selber, dass ich ein sehr guter Bass-Spieler bin. Das gilt auch umgekehrt.
Paul McCartney hat einmal über Sie gesagt: "Er ist ein wunderbarer Mensch, ein verrückter Hund, ein leidenschaftlicher Kunst- und Musikliebhaber, ein prächtiger Vater und Ehemann, ein enger Freund und ein totales Arschloch." Was meint er denn mit Arschloch?
Ich habe Paul angerufen und gefragt, ob er mir für mein Buch ein Intro schreiben würde. Ich meinte zu ihm: 'Dann hast du endlich mal die Chance, den Menschen zu sagen, was ich für ein Arschloch bin.' Und das hat er dann aufgegriffen. Das ist englischer Humor. Ein Engländer oder ein Amerikaner hat mich noch nie auf dieses Thema angesprochen. Das sind immer die Deutschen. Die kommen und meinen: 'Der Paul McCartney sagt, der Voormann ist ein Arschloch.' Das ist wirklich ein Witz. Auch muss man den ganzen Text lesen.
Über die Jahre entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen Ihnen und den Beatles. Wie oft sehen sie die früheren Bandmitglieder denn heute noch?
Ich war gerade in L. A. zu den Feierlichkeiten von 50 Jahre "Revolver". Da habe ich Ringo Starr besucht und das hat echt Spaß gemacht. Der ist gesund und hatte gerade Musik gemacht in seinem Studio. Er fragte dann gleich: 'Spielst du noch Bass?' Nein, ich spiele kein Bass mehr, habe ich gesagt. Okay, meinte er. Wir können uns treffen wann immer wir wollen. Wir werden immer irgendwie Freunde sein. Mit Paul genau das Gleiche.
Nochmal zurück zum Lebenswerk-Echo: Ein solcher Preis verleitet ja auch dazu, auf das eigene Leben zurückzublicken. Bereuen Sie etwas in ihrem Leben?
Es gibt ganz viele Sachen, die ich vielleicht anders hätte machen sollen. Ich sage nur mal ein Beispiel: Irgendwann rief mich der Mick Jones von der Band Foreigner an. Er wollte, dass ich Bass für sie spiele. Ich habe gefragt, wie er sich das so vorstellt und er erklärte: Sechs Monate im Jahr werden wir auf Tour sein. Ich sagte: Nein, viele Dank! Das mache ich nicht (lacht). Hätte ich ja gesagt, weiß der Teufel. Dann wäre ich vielleicht bei Foreigner gewesen. Da gibt es X Beispiele. Die Doors hatten mich auch gefragt, ob ich Bass spielen möchte. Aber das Leben ist nun mal so gelaufen, wie es gelaufen ist. Und damit muss man zufrieden sein. Und das bin ich auch.
Gibt es heute eine angesagte Band oder einen Musiker, mit dem sie gerne Musik machen würden?
Naja, Tom Waits zum Beispiel. Er schreibt geistreiche Texte und ist unglaublich gefühlvoll. Der hat ja tatsächlich eine völlig kaputte Stimme, aber wie er seine Stimme einsetzt, ist einfach großartig.
Was halten Sie eigentlich von YouTube und Streaming-Diensten. So wird Musik heute größtenteils konsumiert.
Ich finde Streaming und YouTube gut. Was physische Tonträger betrifft verdient ein Künstler nichts mehr. Natürlich muss jeder seinen Lebensunterhalt verdienen. Aber Musik soll Spaß machen. Mir ist jemand der einen Beruf hat und nebenbei mit Freude Musik macht lieber, als das jemand sagt: Ich muss jetzt Musik machen und damit unbedingt erfolgreich sein. Verbissener Ehrgeiz ist Scheiße.
Herr Voormann, Sie sind 79 Jahre alt. Wie sieht denn ihr Leben heute aus?
Ich mache nur noch Grafik und habe aktuell mehrere schöne Plattencover gemacht. Oder auch mal ein Poster für Woody Allen. Ich habe hier mein Studio, klein aber fein, und da fühle ich mich wohl. Und ich kämpfe immer noch, dass ich das auch wirklich gut beherrsche. Man darf ja nicht vergessen, dass ich so viele Jahre Musik gemacht und die Grafik an den Nagel gehängt habe. Jetzt hängt der Bass am Nagel und ich mache wieder Grafik. Jedes Mal, wenn ich irgendeinen Job kriege, stelle ich mir wie beim "Revolver"-Cover die gleichen Fragen: Was ist das Publikum? Was ist die Message? Wie transportiere ich das? Und ich bin richtig stolz darauf, dass ich immer wieder eine Antwort finde.
Vielen Dank für das Gespräch!
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