"Schäfchen im Trockenen" Leipziger Buchpreis für Anke Stellings neuen Roman
Die Autorin Anke Stelling ist mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet worden. Die Ehrung kam für sie überraschend, denn bisher wurde sie nicht wirklich ernst genommen.
Bisher fühlte sich Anke Stelling vom Feuilleton nicht so ernst genommen. Ihre Bücher seien "nicht so als literaturfähig erachtet", sagte sie jüngst in einem Interview. "Zu weiblich und deshalb Frauenliteratur."
Jetzt haben ihr am Donnerstag sieben Literaturkritiker für "Schäfchen im Trockenen" den renommierten Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik zugesprochen. Es war der Höhepunkt des ersten Messetages in Leipzig, an dem schon reichlich Besucherandrang herrschte.
Das frisch prämierte Buch sei an ihrer Gegenwart entlang erzählt, sagt Stelling. Ihre Protagonistin Resi ist auch Schriftstellerin, wie sie in Stuttgart aufgewachsen und später nach Berlin gezogen, hat einen Künstler zum Mann, mehr als zwei Kinder, und beide kommen finanziell eher schlecht als recht über die Runden.
Und Resi fragt sich in einer Art Wut-Tagebuch in Erinnerungen und Gefühlsausbrüchen, ob das alles so sein soll und auf wie viele Arten die Gesellschaft ungerecht ist. Ein "harscher Roman, der wehtun will und wehtun muss", begründet die Jury ihre Entscheidung. "Danke, dass Sie uns zum Hinsehen zwingen."
Die dritte Preisträgerin in Folge
Im 15. Jahr der Verleihung ist Stelling nach Natascha Wodin (2017) und Ester Kinsky (2018) die dritte Frau in Folge, nachdem die Belletristik-Kategorie lange eine Männerdomäne war. Der Preis wird in drei Sparten vergeben und ist mit 60.000 Euro dotiert. 1000 Euro gibt es für jeden der 15 Nominierten. Die Sieger bekommen 15.000 Euro oben drauf.
Erstmals hatte Literaturkritiker Jens Bisky den Vorsitz inne. Sein Loblied auf Stellings Roman war schon vor der Siegerehrung auf dem Klappentext verewigt: "Diese Suada einer Aufsteigerin ist ein Roman geworden, wie es ihn viel zu selten gibt in der deutschen Gegenwartsliteratur."
In der Sparte Sachbuch/Essayistik ging die Auszeichnung an den Journalisten und Kritiker Harald Jähner für "Wolfszeit. Deutschland und die Deutschen 1945-1955". Aus Sicht der Jury zeigt er auf beeindruckende Weise, wie sich nach der sogenannten Stunde Null ein ganzes Land neu erfunden und den Nierentisch als Symbol eines entnazifizierten Deutschlands geschaffen hat.
Die Übersetzerin Eva Ruth Wemme wurde prämiert für ihre Arbeit an Gabriela Adamesteanus Roman "Verlorener Morgen", den sie aus dem Rumänischen übertrug. Die Jury ließ sich überzeugen vom "großem Gespür für den lästerlichen Ton", mit dem Wemme das Hauptwerk Adamesteanus von 1973 über Rumäniens Höhenflüge und Abstürze im 20. Jahrhundert übersetzte.
In Leipzig studiert, in Leipzig ausgezeichnet
"Super", kommentierte Stelling ihren Sieg am Donnerstagnachmittag von der Bühne. Die gebürtige Ulmerin, Jahrgang 1971, lebt mit ihren 16, 13 und 9 Jahre alten Kindern und ihrem Mann, einem Performance-Künstler, in Berlin. In Prenzlauer Berg hat sie mit einer Genossenschaft ein Haus gebaut. "Das Geld für die Einlage hat meine Mutter ursprünglich für ihre dritten Zähne gespart, die sie dann nicht mehr brauchte", schreibt Stelling auf ihrer Internetseite.
Für sie ist der Donnerstag auch eine Rückkehr: Einst hat sie in Leipzig am Literaturinstitut studiert und unterrichtete später auch dort. Ihr neuer Roman erschien, wie auch schon "Bodentiefe Fenster" (2015), im unabhängigen Verbrecher Verlag. Der Vorgänger hatte ihr eine Nominierung für den Deutschen Buchpreis eingebracht.