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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Der Kopf hinter "Babylon Berlin" Autor Volker Kutscher über Erfolg und Geld
2007 erschien "Der nasse Fisch". Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch keiner, dass Volker Kutscher auch die Vorlage für die teuerste nicht englischsprachige Serie liefern würde: "Babylon Berlin". Mit t-online.de spricht der Autor über den Erfolg und das Ende der Krimireihe.
Die Geschichte rund um den Kölner Kriminalkommissar Gereon Rath umfasst mittlerweile sieben Bände. Vor sechs Jahren ist der erste Teil von Volker Kutscher erschienen. Seitdem wurden namhafte Regisseure wie Tom Tykwer ("Lola rennt") auf ihn aufmerksam. Für 40 Millionen Euro realisierten die Filmemacher aus dem Stoff die teuerste deutsche Fernsehproduktion: "Babylon Berlin". Ein Interview über das Lauffeuer, das er mit seiner Krimireihe entfachte.
t-online.de: Volker Kutscher, Ihr Roman "Der nasse Fisch" wurde verfilmt und jetzt erscheint noch ein Hörspiel. Dadurch erreichen Sie ein großes Publikum.
Volker Kutscher: Ich bin froh, mit meinen Werken andere Menschen inspiriert zu haben; die Kreativität, die dadurch zum Tragen kommt, freut mich am meisten. Hierzu gehört nicht nur "Babylon Berlin", sondern auch die Comicfassung von Arne Jysch. Beim neuen Hörspiel bin ich sehr froh, dass Benjamin Quabeck und Thomas Böhm dieses geschrieben haben. Benjamin Quabecks Arbeit kenne ich seit seinem Kinofilm "Nichts bereuen", in dem ich Daniel Brühl zum ersten Mal auf der Leinwand gesehen habe. Benjamin ist ein wunderbarer Filmemacher und Regisseur und die Hörspielserie, die am 30. September in die ARD Audiothek kommt, wird auch ein tolles Projekt werden. Ich finde es sehr schön, solche Dinge durch meinen Roman angestoßen zu haben.
Das Hörspiel beschreibt eine Stimmung mit politischen und sozialen Spannungen zum Ende der Weimarer Republik. Es kommt alles vor, was ein guter Krimi braucht. Was fasziniert Sie an solch einem Milieu? Und lassen sich auch autobiografische Erlebnisse bei Ihrer Handlung feststellen?
Persönliche Erlebnisse fließen immer ins Schreiben ein, das sind nicht nur Alltagserfahrungen aus meinem eigenen Leben, sondern auch Anregungen aus der Lektüre literarischer Werke oder etwa aus der Recherche dazu. Aber natürlich erlebe ich nicht jeden Tag Mord und Totschlag, ich bin ja auch kein Kriminalkommissar. Hier schöpfe ich aus der Fantasie und vielleicht verarbeite ich ja auch eigene Ängste, wenn es in meinen Romanen brutal zur Sache geht. Ebenso wichtig wie die Krimihandlung sind für mich aber auch die Schilderungen von Alltagssituationen, weil es der Alltag ist, der sich durch die politische Entwicklung, das Dritte Reich, schleichend verändert.
Die TV-Serie "Babylon Berlin" ist vielfach preisgekrönt. Haben Sie mit diesem Erfolg gerechnet?
Ja und nein. Zunächst wusste ich ja gar nicht, wie groß das werden würde. Ich wusste nur, dass Tom Tykwer, Henk Handloegten und Achim von Borries meinen Roman verfilmen wollten. Als sie dann von einer Serie gesprochen haben, war klar, dass es etwas Größeres wird. Das ganze Ausmaß der Produktion stand aber erst fest, als das Budget für die Umsetzung bekannt geworden ist. Ich habe die ganze Entwicklung also in verträglichen Dosen beigebracht bekommen. Aber nach der ersten Begegnung mit den drei Autoren und Regisseuren wusste ich, dass ich mein Projekt vertrauensvoll in diese Hände geben kann.
Was sagen Sie, dass sogar der "Tatort" am 30. September der Auftaktsfolge von "Babylon Berlin" weichen musste?
Die ARD möchte viel Aufmerksamkeit für die Serie erreichen, das finde ich natürlich gut. Ich bin selbst mehr oder weniger regelmäßiger "Tatort"-Schauer, wäre aber nicht böse, wenn ich am Sonntagabend auch mal etwas Anderes sehe. Ich bin gespannt, wie die Reaktionen sein werden.
2007 wurde Ihr Roman "Der nasse Fisch" veröffentlicht, der erste Band rund um den Kölner Kriminalkommissar Gereon Rath. X Filme Creative Pool, ARD Degeto, Sky und Beta Film haben daraus die teuerste deutsche Fernsehproduktion und teuerste nicht englischsprachige Serie produziert. Was haben Sie als erstes gedacht, als mit der Planung im Oktober 2013 begonnen wurde?
Die ganzen Superlative sind mir herzlich egal. Entscheidend für mich war beim ersten Gespräch mit Tom Tykwer, dass er und die anderen Regisseure Feuer und Flamme für den Stoff sind und dafür brennen, diese Geschichte aus derselben Intention heraus zu erzählen, wie ich es in den Romanen tue. Das große Budget allein heißt gar nichts, es ist wichtig, dass große Kunst entsteht und dabei ist es hilfreich, wenn mehr Geld investiert werden kann. In "Babylon Berlin" wurde das Geld gut eingesetzt, um eine eigene Welt zu erschaffen. Es fühlt sich so an, als würde man wirklich durch das Berlin des Jahres 1929 fahren.
Autor Volker Kutscher wurde am 26. Dezember in Lindlar geboren. 2007 veröffentlichte er das erste Band rund um den Kölner Kriminalkommissar Gereon Rath unter dem Titel "Der nasse Fisch". Regisseur Tom Tykwer hat 2013 mit der Planung des Serienprojekts "Babylon Berlin" begonnen. Die Grundlage für die teuerste deutsche und nicht englischsprachige Serienproduktion lieferte Kutscher. Eine zweite Staffel ist bereits in Planung.
Eine Welt, in die der Zuschauer eintauchen kann.
Die drei Regisseure schaffen es, uns in diese Welt hineinzuziehen, und das ist mir auch in meinen Romanen das Wichtigste. Meine Leser sollen sich in dieser Welt zuhause fühlen, um dann umso mehr zu erschrecken, wenn sie realisieren, dass der Weg dieser Welt in den Nationalsozialismus führt. Das ist das Wesentliche meiner Romane und das ist auch in der Serie geglückt. Somit war das viele Geld hilfreich. Aber so etwas ist nicht selbstverständlich; man kann aus sehr viel Geld auch sehr viel Mist machen.
Die Idee für die Verfilmung haben Sie mit Ihrem Kriminalroman geliefert. Was hat Sie an den 20er Jahren so fasziniert und woher nehmen Sie sich Ihre Inspiration?
Im Grunde genommen hat das mit Literatur angefangen. Meine Inspiration stammt besonders von Erich Kästner und den Romanen der Neuen Sachlichkeit, die mich grundsätzlich für die Zeit angefixt haben. "Fabian" und Werke von Alfred Döblin haben bei mir die Faszination für diese Zeit ausgelöst. Ein wichtigerer Aspekt dabei ist aber auch die verhängnisvolle politische Entwicklung: Diese Welt der experimentierfreudigen Moderne ist nach und nach zerstört und dann durch das Dritte Reich abgelöst worden. In dieser Tragik, um nicht zu sagen Katastrophe der Geschichte, liegt die Triebfeder, die mich antreibt. Ein Thema, das tatsächlich auf erschreckende Weise immer aktueller wird, weil man am Beispiel von Weimar sieht, wie eine Demokratie zugrunde gerichtet werden kann. Es geht um die Gleichgültigkeit derjenigen, die nicht ernst nehmen wollen, was da passiert.
Einer der Schauplätze ist das Moka Efti, ein großer Nachtclub in Berlin.
Das Moka Efti, wie es in der Fernsehserie erscheint, ist ein Fantasie-Club. Tatsächlich hat es ihn aber in der Friedrichstraße gegeben. Die Lokalität dort war aber biederer als die in der Serie. Ursprünglich war es ein Café, in dem es aber schon nachmittags mit dem Tanz losging, was dann bis in den Abend hinein dauerte. Die TV-Serie achtet da nicht so genau auf die historische Exaktheit, ihr ist es wichtiger, eine Brücke zum heutigen Berlin und seiner Vergnügungssucht zu schlagen – Stichwort Berghain. Das gilt auch für die Musik. Der Song "Zu Asche, zu Staub" hört sich an, als spiele da Rammstein als Salonorchester. Das finde ich sehr genial und es ist gar nicht so anachronistisch, wie man denken mag. In Kunst und Musik war damals alles möglich.
Müssen Sie eigentlich noch Bücher schreiben oder haben Sie alles erreicht, was Sie einmal erreichen wollten?
Nur weil mein erster Roman verfilmt wurde? Ich schreibe meine Bücher nicht, damit sie verfilmt werden, sondern damit sie gelesen werden. Natürlich mache ich weiter.
Ihre Reihe besteht mittlerweile aus sechs Romanen. Wann ist Schluss?
Im November erscheint der siebte Rath-Roman mit dem Titel "Marlow". Mindestens zwei oder drei Teile werde ich noch schreiben. Ich hoffe, dass die Regisseure auch weitermachen. Sie sind bereits dabei den zweiten Band zu adaptieren. Für die Serie wäre es entscheidend, dass die Geschichte mindestens bis zum Dritten Reich erzählt wird. Ich höre 1938 mit der Reihe auf; das ist der Bogen, den ich erzählen möchte. Bei meinem Projekt lasse ich mich von keiner Adaption, egal wie nah sie an der Vorlage ist, ablenken.
Jede Adaption setzt eigene Akzente.
Der Comic hat eine eigene Optik und eine eigene Vision von der Geschichte, genauso wie die TV-Serie, und darüber hinaus zeigt das Hörspiel auch noch die akustische Seite. Diese Ebenen vermische ich aber nicht mit meiner Romanwelt. Es ist wichtig, dass ich mich nicht ablenken lasse. Ich weiß zwar, wie die Historie weitergeht, aber ich weiß noch nicht, was meinen Protagonisten widerfährt, das entscheidet sich erst beim Schreiben.