Literatur André Kubiczeks Vater-Sohn-Geschichte
Berlin (dpa) - Sehr lyrisch klingt der Titel von André Kubiczeks Roman "Komm in den totgesagten Park und schau", der einem Gedicht von Stefan George entnommen ist. Lyrik spielt auch im Leben der drei Protagonisten eine ganz besondere Rolle. Marek etwa, der Berliner Literaturwissenschaftler, dessen prekäre Hochschullaufbahn von Zeitverträgen und finanzieller Unsicherheit geprägt ist.
Wie sein Doktorand Veit, der mangelnde Sozialkontakte im echten Leben als Internet-Troll auszugleichen versucht, befasst er sich vor allem mit DDR-Lyrik - gewissermaßen einer Literaturgattung einer verschwundenen Welt.
Mareks Sohn aus erster Ehe, der 19-Jährige Felix wiederum, sucht in einem im Antiquariat gefundenen DDR-Lyrikband eine Verbindung zu dem unbekannten Vater, an den er sich gar nicht mehr richtig erinnern kann. Seine Mutter, die in Bonn für eine Hilfsorganisation arbeitet, hat alle Kontakte zu dem Ex-Mann gekappt.
Felix, ein Abiturient voller spätpubertärer Unsicherheiten und unerwiderter Gefühle für eine Mitschülerin, die er nach reichlich Alkoholgenuss mit dem Anschlag auf das Auto eines Burschenschaftlers zu beeindrucken versucht. Doch kaum ist der Kater verflogen, sieht sich der junge Mann bereits im Visier von Staatsschützern, flieht nach Berlin und hofft auf Unterschlupf bei seinem Vater.
Zu dumm, dass Marek selbst gerade auf der Flucht ist, nämlich vor Ärger mit dem Jugendamt und seiner immer chaotischer werdenden zweiten Ehe mit einer Brasilianerin. Verschwinden muss auch Veit, der in seiner Heimatstadt Cottbus einen Rechtsextremen mit einem Baseballschläger zusammengeschlagen hat. Der Mann hatte eine afrodeutsche Studentin Veits ins Koma geprügelt.
Die gemeinsame Flucht der drei Männer, mit Veits Promotionsmanuskript im Kofferraum, endet in einem morschen Weberhäuschen im Osten, das mit hereinbrechendem Winter Stück für Stück buchstäblich verheizt wird. Diese Auflösung der Unterkunft ist wie ein Symbol für das Auseinanderbrechen der drei Protagonisten, die in weitgehender Sprachlosigkeit und ohne Perspektive an ihrem Fluchtort warten - worauf, wissen sie wohl selbst nicht.
Die unbeschriebenen Rückseiten der Dissertation werden in dieser Isolation zum einzigen Ausdrucksmittel der drei, die sich vor dem Trümmerhaufen ihres jeweiligen Lebens glauben. Felix schreibt lange Briefe an seine Mitschülerin, in denen er sein Verhalten und seine Gefühle zu erklären versucht. Marek schreibt an Felix, späte Rechtfertigungsversuche eines Vaters, der doch genauso gut mit dem jungen Mann auf der anderen Seite des Küchentischs reden könnte.
Immer wieder wechseln sich die Erzählperspektiven der drei Anti-Helden ab, die auch auf engstem Raum in ihrem jeweiligen Innenleben gefangen sind und nicht die Energie aufbringen, weiter zu fliehen oder den Aufbruch zu wagen. Drei Monate müssen vergehen, bis Felix schließlich beschließt, nach Bonn zurückzukehren. Den beiden anderen, so scheint es, bleiben Resignation und Apathie.