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Literatur - Judith Kerr: Ich wollte immer zeichnen


Literatur
Judith Kerr: Ich wollte immer zeichnen

Von dpa
10.06.2018Lesedauer: 3 Min.
Die Illustration steht für Judith Kerr an erster Stelle.Vergrößern des Bildes
Die Illustration steht für Judith Kerr an erster Stelle. (Quelle: Soeren Stache./dpa)

London (dpa) - Judith Kerr hat die Flucht ihrer Familie vor Hitler im Jahr 1933 in einem Bestseller beschrieben. Ihre Kindergeschichten haben sich über 10 Millionen Mal verkauft, mit Übersetzungen in 25 Sprachen. In einem schriftlichen Interview beantwortete die Erfolgsautorin die Fragen der Deutschen Presse-Agentur.

Frage: Rückblickend - wie hat es Sie geformt, ein Flüchtling aus Nazi-Deutschland zu sein?

Antwort: Ich nehme an, es hat mich eher zu einer Europäerin gemacht. Ich schrieb einen autobiographischen Roman ("Als Hitler das rosa Kaninchen stahl", 1971) über mein Leben - wie wir Berlin verließen, über die Schweiz und Paris reisten und uns schließlich in London niederließen.

Frage: Fühlen Sie sich überhaupt deutsch, oder britisch, oder europäisch?

Antwort: Ich fühle mich britisch. Als das Brexit-Ergebnis feststand, versuchten viele Leute herauszufinden, ob sie eine irische Großmutter hatten, aber ich würde niemals die doppelte deutsche Staatsbürgerschaft annehmen, weil ich diesem Land zu viel schulde, und das würde ich nicht verwässern wollen. Dies ist meine Heimat seit 1936, noch vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, und obwohl meine Familie während des "Blitzes" (den deutschen Luftangriffen auf London) deutsch war, sagte niemand etwas Unfreundliches zu uns.

Frage: Wie stehen Sie heute zu Deutschland? Hat sich das geändert?

Antwort: Ich war schon einige Male in Berlin - das war meine Heimat, bevor die Nazis an die Macht kamen. Ich bin letztes Jahr mit meinen Enkeln nach Berlin gefahren, und es war so interessant, ihnen zu zeigen, wo wir lebten, und wir machten Station in der Nähe unseres Hauses im Grunewald, wo die Berliner Juden in die Lager geschickt wurden. Mein Enkel, der gerade 16 Jahre alt ist, sah später etwas komisch aus, und ich fragte ihn, was los sei. Er sagte mir, dass er noch nie etwas so Trauriges gesehen habe.

Frage: Wie sehen Sie die Welt als Illustratorin und Schriftstellerin? Was kommt zuerst?

Antwort: Die Illustration steht an erster Stelle. Ich liebe es, jeden Tag zu zeichnen. Ich kann mich nicht an eine Zeit erinnern, als ich nicht zeichnen wollte. Es schien normal zu sein, meine Zeit damit zu verbringen, genauso wie es für meinen Bruder Michael normal war, einen Ball herumzukicken. Mein visuelles Gedächtnis war schon immer ein bisschen anders. Meine Erinnerung speichert Menschen, die auf der Straße gehen, wie ihre Hosen sitzen, wie sie ihre Arme bewegen. Diese Dinge bleiben in deinem Kopf.

Frage: Was inspiriert Sie heute?

Antwort: So gut wie möglich zu zeichnen, und täglich arbeiten können.

Frage: Haben sich Ihre Arbeit und Kreativität mit dem Alter verändert?

Antwort: Ich hoffe, ich wurde besser - das sollte ich hoffen. Seit mein Mann gestorben ist, ist das einzige, was mir mit dem Alleinsein hilft, dass ich 24 Stunden am Tag arbeiten kann, wenn ich will. Wenn ich nicht zeichnen kann, werde ich ziemlich gereizt und traurig.

Frage: Was kommt als nächstes?

Antwort: Mein Verlag Harper Collins bringt im Herbst mein nächstes Buch heraus, und ich arbeite bereits an einem weiteren.

ZUR PERSON: Die Schriftstellerin und Illustratorin Judith Kerr feiert ihren 95. Geburtstag am 14. Juni. Ihr autobiografisches Kinder- und Jugendbuch "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" wurde zur Pflichtlektüre an deutschen Schulen. In Großbritannien wurde sie vor allem für ihr Erstlingswerk "Ein Tiger kommt zum Tee" und die Bilderbücher um ihren Kater Mog bekannt. Zuletzt erschien auf Deutsch "Ein Seehund für Herrn Albert" in Erinnerung an ihren Vater, den Theaterkritiker Alfred Kerr, der ein verlassenes Robbenbaby aufzog.

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