Literatur Was Promis als Kinder lasen
München (dpa) - Lesen bildet, Lesen eröffnet neue Welten, und Lesen in der Kindheit prägt manchen vielleicht für das ganze Leben. Was bewirken Bücher, die man als Kind verschlungen hat?
Für Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) war es Karl May, der die damals Neunjährige "mit voller Wucht" beeindruckte.
"Einerseits hat mich die Gerechtigkeitsfrage, die ja in seinen Büchern immer wieder eine zentrale Rolle spielt, als junge Leserin gleich gepackt und seither nicht mehr losgelassen. Das grundlegende Unrecht hinter Winnetous Tod im dritten Band hat mich damals derart erschüttert, dass mir meine Mutter erlaubte, am nächsten Tag nicht zur Schule zu gehen, sondern zu trauern", erinnert sich die Politikerin kurz vor dem bundesweiten Vorlesetag am Freitag.
Die Schauplätze der Romane haben einen Zauber bewirkt, der bei der 62-Jährigen bis heute anhält: May habe "die Sehnsucht nach fernen Ländern und langen Reisen in mir geweckt", erzählt Roth, die den Wahlkreis Augsburg/Königsbrunn im Bundestag vertritt. "Die Reiseerzählung 'Durchs wilde Kurdistan' von 1892 ist - neben den zahlreichen politischen Gründen - mit Sicherheit nicht unschuldig daran, dass ich mich schon früh für den Irak und insbesondere seinen Norden interessiert habe."
Michael Ende hatte es der Schauspielerin Katja Riemann angetan. "Ich war ein großer Astrid-Lindgren- und Michael-Ende-Fan als Kind", sagte die 54-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. "Pippi Langstrumpf" und "Die unendliche Geschichte" waren die Favoriten.
Mit der Vortragsreihe "Bücher der Kindheit" versucht derzeit die Internationale Jugendbibliothek in München, der Prägung durch frühes Lesevergnügen auf den Grund zu gehen. "Astrid Lindgren taucht fast bei jedem auf. Ihre Bücher sind sehr prägend und eindrücklich und hatten auch schöne Verfilmungen", sagt Pressesprecherin Carola Gäde. Die Idee der Reihe komme "sehr, sehr gut" an. "Jeder überlegt bei sich, welches das prägende Buch war."
Schauspielerin Uschi Glas lobt "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry. "Diese Fantasiewelt und dieses Eintauchen in verschiedene Geschichten", sagt sich die 73-Jährige, "das fand ich schon ganz große Klasse". Bei Ski-Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch (32) ist "Der 35. Mai" von Erich Kästner in Erinnerung geblieben. Mit etwa acht Jahren las sie das Buch von 1931 über Konrad, der mit seinem Onkel und einem rollschuhlaufenden Pferd Abenteuer erlebt - "ich hab's zwei Mal gelesen, weil ich es so spannend fand".
Der evangelische Landesbischof Bayerns und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, hatte eine Vorliebe für "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" von Michael Ende. "Was mich daran fasziniert hat, war die Verbindung von einer Fantasiewelt des Außergewöhnlichen wie dem Scheinriesen Herrn Tur Tur und der Liebe, die aus den Beziehungen in der Geschichte herausstrahlt", lobt er.
Er kann sich noch genau an die Charaktere des Buches erinnern, das in seinem Geburtsjahr 1960 erschien. Damals habe niemand an Multikulti-Diskussionen gedacht. Dass aber Jim Knopf ein schwarzer Junge ist, "hat vielleicht schon damals bei mir als Kind die Überzeugung gestärkt, dass jeder Mensch, unabhängig von der Hautfarbe, vor allem ein Mensch ist".
Auch auf den Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat Endes Klassiker, der in der Version der Augsburger Puppenkiste auch ein Fernseherfolg war, Eindruck gemacht: "Lokomotivführer wollte ich zwar nie werden, aber Abenteuergeschichten haben mich immer fasziniert. Und vielleicht hat es ja auch meine Liebe zum Bahnfahren geprägt."
Mit einem Augenzwinkern nennt der Chef der Bayerischen Staatskanzlei, Marcel Huber, "Der kleine dicke Ritter" von Robert Bolt als Lieblingsbuch. "Das Buch hat mich als Kind unglaublich fasziniert und es gibt tatsächlich ein paar Parallelen zu meinem Leben. Der kleine dicke Ritter war ein großer Tierfreund - ich wurde Tierarzt. Und uns eint die Grundüberzeugung, sich für andere und das Gemeinwohl einsetzen zu wollen."