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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Interview mit Jennifer Lawrence "Was in Hollywood passiert, ist schrecklich"
Witzig, locker und sympathisch – so hätte ich Jennifer Lawrence vor meinem Interview in London beschrieben. Danach kommt mir eher professionell, distanziert und konzentriert in den Sinn.
Vorab: Jennifer Lawrence ist ein Wunderkind. Sie ist eine starke, selbstbewusste und selbstbestimmte Frau. Sie weiß sich genau zu inszenieren, ist sich ihrer Wirkung bewusst und genau das macht sie wahrscheinlich zu einer so großartigen Schauspielerin. Die 27-Jährige nutzt ihren Körper für die Schauspielerei, ohne dabei Grenzen zu kennen.
In ihrem neuen Film "Red Sparrow" spielt sie die Rolle von Dominica Egorova, eine Ballerina, Sex-Spionin und liebende Tochter. Alles verkörpert Jennifer mit einer verblüffenden Perfektion. Nackt sein ist dabei ein Mittel zum Zweck, falsche Eitelkeiten kennt Lawrence nicht.
"Ich schüttele keine Hände"
Als ich sie in der britischen Hauptstadt zum Interview treffe, sitzt sie da wie eine Eisprinzessin. Einen Handschlag zur Begrüßung gibt es nicht: "Ich schüttele keine Hände, es tut mir leid", sagt sie im t-online.de-Interview. Ich werde vielleicht einen Zentimeter kleiner, rede mir aber ein, dass es nichts mit mir zu tun hat. Smalltalk gibt es mit Jennifer wenig. Es kann an dem langen Interviewtag liegen, den die Schauspielerin schon hinter sich hat, vielleicht ist es aber nur etwas, das ablenken würde von dem, was sie sagt. Ein unnötiges Geplänkel, auf das sie lieber verzichten will. Bildschön und nicht weniger klug nimmt sie sich Zeit, bevor sie Fragen beantwortet, wirkt reflektiert und konzentriert.
Stören sie die Nacktszenen?
Eines der Szenarien im Film ist die Ausbildung von Jennifers Charakter. Die Ballerina wird zur Spionin geformt, muss sich zahlreichen sexuellen Erniedrigungen unterziehen und ist im Endprodukt ziemlich häufig nackt zu sehen. Ob sie das stört, will ich wissen. "Nein! Absolut nicht. Es ist ein wichtiger Teil des Films. Es ist ein sehr spezifisches Programm, das wirklich existierte. Für die Geschichte ist es unbedingt notwendig. Wenn ich ein Problem damit gehabt hätte, dann hätte ich eine andere Schauspielerin den Film drehen lassen."
Die Männer in dem Spionagedrama sind meist angezogen, die Hüllen lässt nur Jennifer fallen. Gerade vor dem Hintergrund der #MeToo-Debatte ist es der Blondine wichtig klarzustellen: "Alles, was ich in diesem Film gemacht habe, war einvernehmlich. Ich hatte immer die Kontrolle und ich habe mir diese Szenen ausgesucht. Das, was vielen Frauen in Hollywood passiert ist, ist sehr schrecklich und unbeschreiblich. Und auch meine Rolle wird in Situationen gesteckt, in denen sie sexuell unterdrückt wird, aber es muss absolut klar sein, dass dazu ein Unterschied zu dem besteht, was mich angeht."
"Ich habe das Drehbuch immer nur für sie entwickelt"
Weil sie eine Primaballerina verkörpert, trainiert sie hart. Vier Monate macht sie täglich Ballett. Nicht nur, damit sie sich eine andere Körperhaltung aneignet, sondern auch, damit sie mentale und physische Disziplin einer Ballerina versteht. Halbe Sachen gibt es bei Jennifer Lawrence nicht. Kein Wunder, dass auch ihr berufliches Umfeld gerne mit ihr zusammenarbeitet. Regisseur Francis Lawrence liest die Romanvorlage von "Red Sparrow" noch während der Dreharbeiten zur "Hunger Games"-Reihe, in der Jennifer die Hauptrolle spielt. Es passiert, was passieren muss. Er kann nicht anders, als sich die Amerikanerin auch in seinem neuen Film vorzustellen. "Sie ist eine fantastische Schauspielerin", sagt er mir im Interview. "Ich habe sofort an sie gedacht, als ich das Buch gelesen habe. Ich habe das Drehbuch immer nur für sie entwickelt."
Drehpartner Matthias Schoenaerts ist genervt und begeistert zugleich: "Sie ist offensichtlich sehr talentiert, jeder sagte das, aber es ist nun mal auch so. Sie ist fokussiert, gut vorbereitet, hingebungsvoll und wild. Ich mag wilde Menschen", erklärt er leicht verrucht im t-online.de-Interview. Und auch Joel Edgerton ist beeindruckt: "Sie ist toll, es gab eine gewisse Chemie am Set, ich weiß nur nicht, ob sie das auch so sieht", witzelt er.
Es scheint, als könne Jennifer jeden auf ihre besondere Art beeindrucken. Die Oscar-Preisträgerin ist nicht umsonst eine der gefragtesten Schauspielerinnen unserer Zeit, sie hat sich ihren Ruf verdient. Ihr kann man vielleicht sogar einen Händeschüttelkorb verzeihen.