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Film: Lars Kraume über das Verschweigen der NS-Vergangenheit


Film
Lars Kraume über das Verschweigen der NS-Vergangenheit

Von dpa
19.02.2018Lesedauer: 3 Min.
Lars Kraume hat einen Film über die Rebellion von Jugendlichen in den 50er Jahren gegen die Elterngeneration gedreht.Vergrößern des Bildes
Lars Kraume hat einen Film über die Rebellion von Jugendlichen in den 50er Jahren gegen die Elterngeneration gedreht. (Quelle: Ralf Hirschberger./dpa)

Berlin (dpa) - Nach seinem preisgekrönten Justizthriller "Der Staat gegen Fritz Bauer" (2015) stellt der Regisseur Lars Kraume bei der Berlinale das DDR-Drama "Das schweigende Klassenzimmer" vor.

Im Interview der Deutschen Presse-Agentur sagt der 44-Jährige, warum ihn das Thema packt und was er sich für die Zukunft der Berlinale wünscht.

Frage: Wieder ein zeitgeschichtliches Drama - verfolgen Sie einen Aufklärungsauftrag?

Antwort: Nein, wirklich nicht. Aber ich bin durch "Fritz Bauer" an dieser Zeit der 50er Jahre hängen geblieben, an dem verschwiegenen Umgang mit der NS-Vergangenheit. Sowohl im Westen wie auch im Osten ging es darum, nach dem Dritten Reich eine neue Gesellschaftsordnung aufzubauen. Die Menschen haben sich nur damit beschäftigt, sie haben nicht darüber geredet, was im Krieg und in der NS-Zeit alles passiert ist. Und für ein Drama oder einen Thriller ist das eine wahnsinnig gute Zeit, weil in dem Verschweigen so viel Geheimnisvolles liegt, das man dann entdecken kann.

Frage: Es geht ja um eine wahre Geschichte nach dem Buch von Dietrich Garstka - was haben Sie dazuerfunden?

Antwort: Der Film besteht im Grunde aus zwei Teilen - der relativ genau erzählten Geschichte der äußeren Ereignisse: eine Klasse, die vor dem Hintergrund des Ungarnaufstands eine Schweigeminute einlegt, das Ultimatum des Ministers und schließlich die Flucht der Klasse in den Westen. Ausgedacht sind dagegen die Figuren und die familiären Hintergründe mit ihrer Einbettung in die deutsche Geschichte.

Frage: Was gefällt Ihnen an wahren Ereignissen?

Antwort: Bei politischen Dramen packt mich die Verankerung in einer wahren Begebenheit mehr, als wenn alles nur ausgedacht ist. Das wertet die Geschichten auf, es macht den Horizont größer, weil man dann tatsächlich über die Zeit nachdenkt. Letztlich interessiert mich aber das zeitlose Drama der Rebellion von Jugendlichen gegen eine Elterngeneration, die ihnen ein Gesellschaftbild aufzwingen will. Dafür erzähle ich die Geschichte. Für eine Geschichtsstunde allein ist ein Kinofilm zu aufwendig.

Frage: Was bedeutet es für Sie, den Film bei der Berlinale zu zeigen?

Antwort: Ich freue mich total. Ich habe ja in Berlin studiert und vor genau 20 Jahren hier meinen Abschlussfilm gemacht. Und die Berlinale gehört mit Cannes und Venedig zu den größten Festivals der Welt. Hier auf den persönlichen Wunsch von Festivaldirektor Kosslick eingeladen zu sein, ist schon toll. Ich kann den Film bei einer Galapremiere vor 2500 Leuten im Friedrichstadt-Palast zeigen und hab die Chance, mich mit meinem Team einen Augenblick nur zu freuen. Alles danach - Kritik, Schelte, Zahlen zum Ticketverkauf - kommt dann später.

Frage: Sie haben den offenen Brief mit unterzeichnet, der einen Neuanfang für die Berlinale fordert ...

Antwort: Es ist schade, dass der Brief nicht den gewünschten Effekt hatte. Er ist zu einem Bashing gegen Kosslick genutzt worden, und das war überhaupt nicht die Absicht. Ich habe kein Interesse, die Lebensleistung dieses Mannes infrage zu stellen. Es ging nur darum, dass die Neuordnung dieses international herausragenden Festivals nicht im Hinterzimmer verhandelt wird, wie das bei der Volksbühne mit der Castorf-Nachfolge passiert ist.

Frage: Jetzt ist eine Doppelspitze im Gespräch? Finden Sie das gut?

Antwort: Ich glaube, es geht gar nicht anders. Es ist ein zu großes Festival, als dass man Management und künstlerische Leitung in eine Hand legen sollte.

Frage: Was ist Ihr nächstes Projekt? 50er Jahre Teil drei?

Antwort: Nein, jetzt gehe ich erstmal zurück in die Weimarer Zeit. Ich werde im Herbst meine erste Serie drehen, eine Dramaserie über das legendäre Bauhaus. Da ist das ZDF mit dabei, geplant sind 6 mal 45 Minuten. Die erste Staffel spielt in der Zeit von 1919 bis 1924, dann kommt in der Dessauer Zeit die NSDAP ins Spiel und später die Exilzeit, wenn die Bauhaus-Lehrer alle fliehen müssen, nach Tel Aviv und Moskau und Amerika.

ZUR PERSON: Lars Kraume, 1973 im italienischen Chieti geboren, gehört zu den wichtigsten deutschen Regisseuren. Sein Justizthriller "Der Staat gegen Fritz Bauer" (2015) wurde mit sechs deutschen Filmpreisen ausgezeichnet. Schon sein Abschlussfilm an der Berliner Filmakademie - "Dunckel" - erhielt einen Grimme-Preis. Im Fernsehen war er mit zahlreichen "Tatort"-Folgen vertreten.

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