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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Karoline Herfurth "Bis dahin war es ein langer, harter Kampf"
Abtreibung, Kinderwunsch, Gleichberechtigung: Warum Karoline Herfurth in ihren Filmen feministische Themen behandelt, erzählt sie im Interview mit t-online.
Zu Beginn von "Einfach mal was Schönes" lässt Protagonistin Karla, gespielt von Karoline Herfurth, eine Abtreibung vornehmen. Wenig später ist die Radiomoderatorin wieder Single. Sie datet, aber wenig erfolgreich. Also beschließt sie, ohne Partner Mutter zu werden – und dann lernt sie doch noch jemanden kennen: den zwölf Jahre jüngeren Krankenpfleger Ole.
Im Interview erklärt Karoline Herfurth, weshalb sie auch schmerzhafte Momente des Lebens in ihren Filmen aufgreift. Sie spricht über das Frausein, Vorurteile und vor allem über vollständige Gleichberechtigung.
t-online: Zu Beginn des Films ist die Textzeile "Sometimes it's hard to be a woman" zu hören. Stimmen Sie zu: Ist es noch immer hart, eine Frau zu sein?
Karoline Herfurth: Oberflächlich fühlt es sich so an, als könnten Frauen hierzulande relativ frei über ihr Leben entscheiden. Tatsächlich aber sind wir noch nicht bei dem Ideal angekommen, strukturell selbstbestimmt entscheiden zu können. Das zeigt die Geschichte von Karla im Film gut, die unabhängig von einem Mann ein Kind bekommen möchte.
Im Film kommen eine Fehlgeburt und eine Abtreibung vor. Halten Sie diese Themen tatsächlich noch für Tabus?
Der gesellschaftliche Diskurs wird immer breiter, lauter und differenzierter. Aber es ist ein hart umkämpftes Gebiet, wie man in den USA gerade sehr deutlich sieht.
Sie meinen Roe vs. Wade, die Grundsatzentscheidung zu Schwangerschaftsabbrüchen in den USA von 1973, die der Supreme Court in diesem Jahr aufgehoben hat?
Genau. Reproduktion von Frauen ist in kaum einem Land tatsächlich von Frauen selbst bestimmt. Auch in Deutschland ist Abtreibung eigentlich verboten und nur in bestimmten Situationen straffrei. Das muss man sich mal überlegen: Erst dieses Jahr im Juni hat der Bundestag den Paragrafen 219a und damit das Werbeverbot für Abtreibungen aufgehoben. Bis dahin war es ein langer, harter Kampf. Mit solchen Tabus zu brechen, solche Bilder aufzumachen und zu reproduzieren, das finde ich wichtig.
Haben Sie keine Angst, Zuschauerinnen und Zuschauer mit solchen Themen im Kino zu überfordern?
In meinen Augen macht die Möglichkeit, emotional herausgefordert zu sein, den Zauber des Kinos aus. Es geht darum, solche Themen in eine Leichtigkeit einzubetten, aber den alltäglichen Schmerz nicht auszusparen. Ich habe nicht das Gefühl, dass Leute nur berieselt werden wollen. Wir erzählen im Film auch die schmerzhaften Dinge des Lebens, aber ohne die Leichtigkeit zu verlieren und mit liebevollen Augen. Auch mit Blick auf unterschiedliche Familienmodelle und Diversität.
Wir erzählen im Film auch die schmerzhaften Dinge des Lebens, aber ohne die Leichtigkeit zu verlieren und mit liebevollen Augen.
Karoline Herfurth
Halten Sie die Besetzungsliste Ihres Films also für divers genug?
Mir reicht es nie. Ich denke, es könnte noch diverser sein. Aber ich bemühe mich sehr und ich hoffe, das gelingt mir immer mehr. Die Diversität beim Film gehört vor und hinter die Kamera, an alle Positionen. Generell ist da noch viel zu tun.
Würden Sie Ihren Film als feministisch bezeichnen?
Klar. Für mich bedeutet Feminismus im Besonderen auf gar keinen Fall, Männer zurückzulassen. Ich finde es schön, dass sich Karla am Anfang ihrer Reise von dem vermeintlichen Ideal einer Familie verabschiedet und allein ihren Weg gehen will. Dann aber merkt, dass es nicht darum geht, das Leben allein durchzuziehen, sondern die eigenen Wünsche zu erkennen und zu verhandeln.
Karla und Ole stellen für sich ein neues Bild von Beziehungen auf: Sie quetschen sich nicht gemeinsam in eine Kutsche, sondern fahren in ihrer eigenen nebeneinanderher. Und wie das geht, verhandeln sie auf dem Weg immer wieder neu. Eine Beziehung auf Augenhöhe, in der selbstbestimmte Verhandlung zu einer gemeinsamen Vision führt, das hat für mich viel mit Feminismus zu tun. Für mich ist das das grundsätzliche Ziel von zwischenmenschlichen Beziehungen und geht wunderbar mit dem feministischen Gedanken einher.
Dass Karla im Film einen zwölf Jahre jüngeren Freund hat, kann man durchaus auch feministisch deuten. Im wirklichen Leben ist eine Frau, die mit einem jüngeren Mann zusammen ist, immer noch selten und vorurteilsbehaftet. Wie gehen Sie persönlich mit solchen Vorurteilen um?
Wir haben natürlich alle unsere Vorurteile in den Köpfen, weil wir alle durch eine bestimmte soziale Brille schauen. Dessen müssen wir uns bewusst sein und unserem Gegenüber dann einfach zuhören. Wenn mir jemand mit Vorurteilen begegnet, gucke ich, wie der drauf ist und ob er aufgeklärt werden und zuhören möchte oder nicht. Wenn mir jemand wichtig ist, würde ich mir die Mühe immer machen, aber wenn mir jemand nicht wichtig ist oder die Situation nicht wichtig ist, dann nicht. Es ist ein Geschenk, über ein Vorurteil aufzuklären.
"Einfach mal was Schönes" mit Karoline Herfurth, Nora Tschirner, Milena Tscharntke, Aaron Altaras, Ulrike Kriener und vielen weiteren sehen Sie ab dem 17. November im Kino.
- Interview mit Karoline Herfurth
- Vorabsichtung von "Einfach mal was Schönes" (ab dem 17. November im Kino)