Film "Kaffee mit Milch und Stress": Ein alter Finne und die Zeit
Helsinki (dpa) - Der Alte hat keine Lust auf dieses moderne Leben. Früher, da war die Welt noch in Ordnung, meint er. Da baute ein Mann ein Haus, und Autos waren für die Ewigkeit. Da arbeitete man hart, redete wenig und sparte sich all die unausgesprochenen Gefühle für das Ende seines Lebens auf.
Doch die Zeiten ändern sich und irgendwann kann der namenlose Alte im finnischen Film "Kaffee mit Milch und Stress" das nicht mehr ignorieren. Seinen Unmut darüber, den kann der verschrobene Griesgram seine Umwelt aber kräftig und herrlich komisch spüren lassen.
Ein neuer Film mit einem grantigen alten Mann aus dem Norden - wie erfolgreich dieses Konzept sein kann, haben die Schweden mit dem "Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand" und "Ein Mann namens Ove" ja bereits gezeigt. Dem finnischen Regisseur Dome Karukoski ist nun mit einfachen Mittel und einem sehr reduzierten Stil erneut eine berührende Tragikomödie gelungen. "Kaffee mit Milch und Stress" ist eine Geschichte über das Altwerden, über das Alleinsein und über eine tiefe Liebe, die man nie zeigt, aber auch ohne Worte immer spürt.
Der Alte (Antii Litja) lebt allein in den finnischen Wäldern. Seine Frau ("die Alte") liegt dement im Pflegeheim. Geblieben ist ihm ein roter Ford Escort (Baujahr 72). Nach einem Unfall muss er vorübergehend zu seinem Sohn in die Stadt ziehen. Dort treffen Welten aufeinander. Das moderne Leben ist dem Alten zuwider, zu technisch, die Schwiegertochter zu dominant, der Sohn nicht Mann genug - denn schließlich lässt er eine Frau ans Steuer und kann nicht einmal einen Baum fällen.
Das alles spricht der Griesgram ohne Skrupel aus und ist dabei politisch erfrischend unkorrekt. Man verzeiht es ihm - ist aber doch irgendwie froh, ihn nicht als Vater, Opa oder Schwiegervater zu haben. Seine Familie jedenfalls treibt der Alte fast in die Verzweiflung, zieht wie ein Orkan durch deren geordnetes Leben.
Dann jedoch sagt er rührende, nachdenklich machende Sätze wie: "Ich dachte auch, dass das Zusammensein bis zum Schluss hält" und "Warum muss man ständig auf dem Sprung nach vorn sein? Warum kann man nicht auf der Stelle bleiben?" Er gesteht seinem Sohn, dass die Frau ihn einmal verlassen hat. 168 Nächte lang, er hat sie gezählt. "Mir fehlen die Zeiten, wo ich mit der Alten über so viele Sachen geschwiegen habe", gibt er zu.
Schweigen kann auch der Film gut. Karukoski lässt stattdessen Bilder sprechen. Bilder wie das des Alten auf seinem Kartoffelacker. Er sieht seine Frau nach 168 Nächten Trennung das erste Mal wieder, schaut ihr in die Augen und zieht dann ganz leicht einen Mundwinkel hoch - der ultimative, wortlose Ausdruck seines Glücks.