Ex-Biathlon-Star Groß zur neuen Saison "Laura Dahlmeier ist die absolute Topfavoritin"
Viermal Olympiasieger, neunmal Weltmeister – als Aktiver hat Ricco Groß im Biathlon alles gewonnen. Nun ist er Trainer des russischen Männerteams, traut den deutschen Athleten aber immer noch eine Menge zu.
Am Sonntag beginnt im schwedischen Östersund die neue Biathlon-Weltcupsaison. Bei t-online.de erklärt Groß, warum eine Deutsche dabei wohl ganz vorne landen wird, auf wen man sonst noch achten sollte und wie er den Doping-Verdächtigungen rund um sein Team begegnet.
Das Interview führte Alexander Kohne
t-online.de: Wer sind Ihre Favoriten auf den Gesamtweltcup bei den Herren?
Ricco Groß (47): Da wird sich im Vergleich zur Vorsaison wenig verändern: Simon Schempp, Anton Schipulin und vor allem Martin Fourcade. Ich glaube aber, dass der Gesamtweltcup in diesem Jahr nicht im Fokus steht. Das große Ziel sind die Olympischen Spiele.
Im vergangenen Jahr lagen zwischen dem Gesamtweltcupsieger Fourcade und dem zweitplatzierten Schipulin, den Sie trainieren, über 400 Punkte. Wird es in diesem Jahr spannender?
Ricco Groß holte als aktiver Biathlet zwischen 1992 und 2006 vier olympische Goldmedaillen. Außerdem wurde er neunmal Weltmeister. Nach seinem Karriereende 2007 arbeitete er als TV-Experte und Trainer der deutschen Biathletinnen. Seit 2015 betreut er die russische Männermannschaft.
Welche Ziele haben Sie mit dem russischen Team in dieser Saison?
Mit den Olympischen Spielen ist diese Saison etwas ganz besonderes. Da wollen wir natürlich entsprechend auf unserem Formhöhepunkt sein und die bestmöglichen Ergebnisse erzielen. Das gilt für den Staffel- wie auch für den Einzelbereich.
Ist dadurch ihre gesamte Saisonvorbereitung und Trainingssteuerung automatisch auf Olympia ausgerichtet?
Ja, wir arbeiten gezielt auf dieses Event hin. Natürlich wollen wir auch im Weltcup eine gute Rolle spielen, im Vordergrund stehen aber ganz klar die Spiele in Pyeongchang.
Welche Tipps können Sie als Olympiasieger da konkret geben?
Es geht vor allem darum, mental auf die Spiele vorbereitet zu sein und mit den olympischen Emotionen entsprechend umgehen zu können. Da versuche ich natürlich, meinen Erfahrungsschatz einzubringen.
Wie schätzen Sie die Chancen der deutschen Biathleten ein?
Deutschland hat in der Breite ein sehr starkes Team. Neben Aushängeschild Simon Schempp muss man unbedingt auch Benedikt Doll, Erik Lesser und Arnd Peiffer auf der Rechnung haben. Die deutschen Athleten gehören in jedem Rennen zum engeren Favoritenkreis.
Und was ist für die deutschen Frauen drin?
Deutschland hat mit Laura Dahlmeier eine absolute Ausnahmeathletin. Laura ist im Hinblick auf den Gesamtweltcup und die Olympischen Spiele die absolute Topfavoritin. Wenn sie gesund bleibt, ist sie schwer zu schlagen.
Wie gehen Sie mit Doping-Verdächtigungen rund um das russische Team um?
Dieses Thema ist natürlich nicht angenehm. Aber es muss aufgearbeitet werden, das ist klar. Man wird immer wieder damit konfrontiert, aber wir lassen uns davon in unserer täglichen Arbeit nicht beeinflussen.
Wie versuchen Sie, für mehr Transparenz zu sorgen?
Es wurde uns oft vorgeworfen, dass unsere Athleten von Doping-Kontrolleuren nicht greifbar wären. Daher haben wir unsere Vorbereitung hauptsächlich in Mitteleuropa absolviert, um diesen Vorwurf aus der Welt zu schaffen. Mehr kann ich als Trainer an dieser Stelle auch nicht tun. Ich vertraue meinem Team. Aber ich habe schon oft betont, dass man für keinen Athleten der Welt die Hand ins Feuer legen kann.
Und die Debatten rund um russisches Staatsdoping?
Da stehen sehr viele Dinge im Raum, die aber auch endlich einmal nachgewiesen werden müssen. Da diesbezüglich noch nichts Konkretes vorliegt, habe ich auch nicht die Handhabe, Athleten zu suspendieren oder entsprechende Handlungen innerhalb des russischen Teams vorzunehmen.
Wird die Sicherheitslage in Südkorea innerhalb des russischen Teams ähnlich heiß diskutiert, wie es im deutschen Olympia-Team der Fall ist? Felix Neureuther und Felix Loch hatten ja beispielsweise offen über einen Boykott gesprochen.
Natürlich wurde darüber auch in Russland gesprochen. Aber nicht so tiefgründig wie in Deutschland. Jedem Sportler sollte es selbst überlassen sein, da eine Entscheidung zu treffen. Grundsätzlich sehe ich da aber das Internationale Olympische Komitee gefordert, dort für Sicherheit zu sorgen.