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Marcel Wüst: "Kittel hätte das Grüne Trikot verdient gehabt"


Ex-Rad-Star Wüst im t-online.de-Interview
"Kittel hätte das Grüne Trikot verdient gehabt"

t-online, Alexander Kohne

Aktualisiert am 20.07.2017Lesedauer: 3 Min.
Marcel Wüst ist begeistert von Marcel Kittels Leistung. Trotz des Ausscheidens bei der Tour.Vergrößern des Bildes
Marcel Wüst ist begeistert von Marcel Kittels Leistung. Trotz des Ausscheidens bei der Tour. (Quelle: imago-images-bilder)

Ein Sturz auf der 17. Etappe zerstörte Marcel Kittels Traum, erstmals bei der Tour de France das Grüne Trikot zu gewinnen. Ex-Sprint-Star Marcel Wüst weiß, wie es ist, die Frankreich-Rundfahrt vorzeitig beenden zu müssen.

Im Interview mit t-online.de spricht der 49-Jährige über Stürze, den nächsten deutschen Etappensieger und das Rennen ums Gelbe Trikot.

t-online.de: Herr Wüst, Marcel Kittel musste die Tour de France beenden. Zuvor gewann er fünf Etappen und war Führender in der Sprintwertung. Wie bitter ist das?

Marcel Wüst: Das ist wirklich sehr schade. Was Kittel gezeigt hat, war einfach Weltklasse. Er hat in den Sprints immer alles richtig gemacht und hätte das Grüne Trikot auf jeden Fall verdient gehabt. Seine Aufgabe zeigt, wie hoch das Risiko bei der Tour ist und wie viele Faktoren eine Rolle spielen: Um Paris zu erreichen muss wirklich alles passen. Und so ein Sturz bedeutet eben häufig das Aus. Das gehört leider dazu.

Sie mussten die Tour 1992 ebenfalls vorzeitig beenden. Was bedeutet das für einen Rennfahrer?

Für mich war das damals die erste Tour-Teilnahme. Und gleich auf der ersten Etappe habe ich mir das Schlüsselbein gebrochen. Das war sehr enttäuschend, weil die Rundfahrt für mich schon vorbei war, bevor sie richtig begonnen hatte. Bei Kittel ist es anders. Für ihn ist das, wie beim Marathon bei Kilometer 39 aufgeben zu müssen. Er hat sich ewig lange gequält und gezeigt, dass er der allerbeste Sprinter ist. So kurz vor Paris raus zu müssen, ist besonders bitter, weil er schon so viel gelitten hat.

Marcel Wüst
Der gebürtige Kölner war zwischen 1989 und 2001 Rad-Profi und feierte über 100 Siege – darunter 14 Etappenerfolge bei Giro d’Italia, Tour de France und Vuelta a España. 2004 veröffentlichte er seine Autobiografie "Sprinterjahre".

Welcher deutsche Fahrer hat Sie neben Kittel am meisten überzeugt?

Gestern habe ich mich besonders über Emanuel Buchmann gefreut, der am Anstieg zum Galibier sehr lange in der Favoritengruppe geblieben ist. Das war stark. Aber auch die anderen machen einen Hammer-Job. Ich möchte da niemanden besonders herausheben. Bei der Tour muss man sich jeden Tag neu beweisen. Am Ende ist der körperliche Verschleiß extrem hoch. Das auch mental durchzustehen, ist etwas ganz Großes. Deshalb ziehe ich vor jedem den Hut.

Sie sprachen Emanuel Buchmann an. Er ist aktuell 15. des Gesamtklassements. Wo landet er am Ende?

Für die Top Ten wird es in diesem Jahr noch nicht reichen. Aber er ist noch jung, kann noch viel lernen. Die physische und mentale Härte, die man durch die Tour erwirbt, kann man nicht trainieren. Das wird ihn weiter formen. In den kommenden Jahren kann er auf jeden Fall unter die ersten Zehn fahren.

André Greipel hat einen Etappensieg bisher mehrmals knapp verpasst. Gelingt ihm dieser noch?

Ja, in Paris. (lacht) Das kennt Greipel ja schon vom letzten Jahr, als er auf den Champs-Élysées gewonnen hat. Ich würde ihm das extrem zu gönnen. Er ist einer der beständigsten, professionellsten und geradlinigsten Fahrer. Aber Greipel muss erstmal gut durch die nächsten zwei Bergetappen kommen. Davon wird abhängen, wie es in Paris läuft.

John Degenkolb hat sich nach seinem dritten Platz bei der 16. Etappe über die Fahrweise des Siegers Michael Matthews beschwert. Dieser habe „seine Fahrlinie verlassen und die Tür zugemacht.“ Degenkolbs Team Trek-Segafredo hat später Protest eingelegt. Wurde dieser zurecht abgelehnt?

Ja. Denn sonst müsste man 20 Linien auf der Zielgeraden ziehen und jeder Rennfahrer sprinten wie in der Leichtathletik. Solche Zielankünfte gehören im Radsport dazu – gerade bei so einem schwierigen Finale mit der Links-Rechts-Kurvenkombination kurz vor Schluss. Matthews Fahrweise war absolut regelkonform.

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Chris Froome liegt im Gesamtklassement immer noch vorne. Wird er zum vierten Mal das Gelbe Trikot gewinnen?

Vermutlich ja. Gestern am Galibier sah er schon sehr kontrolliert aus. Da kann ihm eigentlich nur ein schwacher Tag einen Strich durch die Rechnung machen. Aber: Rigoberto Uran und Romain Bardet liegen nur 27 Sekunden zurück – da ist noch alles offen. Die Fahrweise von Uran ist wirklich ungewöhnlich. Die meiste Zeit fährt er total defensiv, holt sich am Ende dann aber die Zeitgutschrift für die Etappenplatzierung. Unter dem Strich ist es toll, dass die Tour spannend bleibt. Das ist die beste Werbung für den Radsport.

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