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Winterspiele in Peking - Eiskunstlauf-Star Witt zu Olympia: "Wir wollten ja nicht"


Winterspiele in Peking
Eiskunstlauf-Star Witt zu Olympia: "Wir wollten ja nicht"

Von dpa
Aktualisiert am 07.02.2022Lesedauer: 5 Min.
Die ehemalige Eiskunstläuferin Katarina Witt.Vergrößern des Bildes
Die ehemalige Eiskunstläuferin Katarina Witt. (Quelle: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa./dpa)
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Peking (dpa) - Doppel-Olympiasiegerin Katarina Witt fordert bessere Möglichkeiten für die deutschen Eiskunstläufer, um Anschluss an die Weltspitze finden zu können.

"Die Trainingsbedingungen in Deutschland sind leider so, dass wir der gesamten Weltspitze nur hinterher träumen", sagte sie im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Und die Deutsche Eislauf-Union müsse sich fragen, ob man "im undankbaren Mittelfeld" bleiben wolle.

Sie haben einen besonderen Blick auf die Eiskunstlauf-Damen. Sind die Vierfach-Springerinnen aus Russland zu bewundern oder stellt sich die Frage: Bleibt die Kunst auf der Strecke?

Katarina Witt:Zunächst eine große Verbeugung meinerseits für diese sportlichen Höchstleistungen. Mit dem Punktesystem ist das Eiskunstlaufen mathematischer und fairer geworden: Daher bauen zum Teil Läuferinnen nach einem Fehler noch während der Kür ihr Programm spontan um, damit sie trotzdem noch genügend Punkte sammeln. Dann wird es tatsächlich zur Kunst, die Balance zwischen Sprüngen und Choreographie beizubehalten.

Gilt das auch für das erst 15 Jahre alte russische Wunderkind Kamila Walijewa. Auch sie beherrscht die Vierfachen und holte bei der EM im Januar in Tallinn ihren ersten internationalen Titel.

Witt:In ihren Programmen stimmte alles. Ich bin wirklich erstaunt, wie sie mit 15 Jahren diese Ausstrahlung und Erfahrung auf dem Eis verkörpert, wie leichtfüßig die Sprünge aussehen - und woher sie dieses Selbstbewusstsein nimmt.

Russland will bei der Internationalen Eislauf-Union beantragen, Vierfachsprünge bei den Damen auch im Kurzprogramm zuzulassen. Ist das richtig?

Witt:Es ist immer schwierig, eine Entwicklung bewusst zu bremsen. Natürlich forcieren sie dies, weil sie sportlich das Eislaufen dominieren, jedoch könnte dies vielleicht vielen anderen Läuferinnen jegliche zukünftige Motivation nehmen. Es ist schon unglaublich, wohin die Entwicklung gegangen ist.

Woran liegt es? Nur an der Masse der Läufer in Russland, wo Eiskunstlauf ein Volkssport ist?

Witt:Die Talentdichte, die sich dort in nur einer von zahlreichen Eislauf-Akademien tummelt, finden wir in ganz Deutschland nicht. Es braucht perfekte Trainingsbedingungen, um es in die Weltklasse zu schaffen oder die Sportart zu dominieren. Außerdem Vorbilder und Konkurrenz. In Russland sind die Eisbahnen reichlich voll damit.

Ist das ein Grund, warum die deutschen Eiskunstläufer es schwer haben, zu den besten Zehn bei einer EM zu gehören?

Witt:Ja, ganz genau. Es nutzt nichts, auf die Sportler kritisch einzuklopfen. Man kann ihnen weder den Ehrgeiz, den Fleiß noch den Willen absprechen. Die Trainingsbedingungen in Deutschland sind leider so, dass wir der gesamten Weltspitze nur hinterher träumen.

Muss man deshalb akzeptieren, hinterher zu laufen?

Witt:Nein, man muss sich bei der Deutschen Eislauf-Union hinterfragen: Was müssen wir tun, damit wir wieder in der Weltspitze mitmischen können? Dafür müssen die Bedingungen für die Sportler geschaffen werden. Oder man entscheidet: Wir sind zufrieden, wie es ist, bleiben im undankbaren Mittelfeld und hoffen auf den einen oder anderen Ausreißer nach oben und auf einzelne Erfolge. Ich denke, es ist eine Sache von Planung und kompromissloser Ehrlichkeit.

Der Paarlauf-Olympiasieg mit der Jahrhundertkür von Aljona Savchenko und Bruno Massot jährt sich bei den Winterspielen in Peking zum vierten Mal. Hätte man aus dem legendären Gold-Triumph nicht mehr für die Popularität des Eiskunstlaufs in Deutschland machen können?

Witt:Ja, sicherlich. So ein Momentum kann etwas auslösen. Zum Beispiel, dass die nächste Generation oder mehr Kinder sie als Vorbilder ansehen und Lust auf Eiskunstlauf bekommen. Vielleicht hat sich in manchem Verein daraus etwas entwickelt, aber die Eis-Welt um uns herum hat sich um ein Vielfaches weitergedreht. Wir sind in kleinen Schrittchen vorangegangen, während die Russen in Meilenstiefeln davon stürmen.

Die deutschen Olympia-Starter erleben in Peking nicht nur Winterspiele unter Corona-Bedingungen, sondern werden mit vielen politischen Themen konfrontiert wie Menschenrechten in China. Hat das Internationale Olympische Komitee alles richtig gemacht?

Witt:Athleten sind mündiger geworden, sind eine junge Generation, die sich für Nachhaltigkeit und Menschenrechte stark macht und viel offensiver ihr Mitspracherecht einfordert. Und sie haben Recht! Es muss eine engere Zusammenarbeit zwischen ihnen und den Verbänden geben und man sollte ihnen mehr Gehör schenken und damit Vertrauen schaffen.

War die Vergabe der Winterspiele nach Peking falsch?

Witt:Es bekommt derjenige die Spiele, wer um sie kämpft. Wenn wir nur richtig gewollt hätten, wären wir mit Deutschland und München die Ersten in der Welt gewesen, wo nach Sommerspielen auch Winterspiele stattgefunden hätten. Ich bin mir sicher, man hätte uns die Spiele auf dem Silbertablett serviert. Aber wir wollten ja nicht!

Wie sieht es in Zukunft mit einer deutschen Olympia-Bewerbung aus? Sollte man es trotz des Scheiterns zuletzt mit München und Hamburg wieder versuchen?

Witt:Es gibt kein größeres öffentliches Bekenntnis zu seinen Athleten und der Wichtigkeit des Sports, wenn man eine Austragung anstrebt. Einer Sportnation wie Deutschland würden Olympische Spiele schon mal wieder stehen. Was können die anderen, was wir nicht können? Warum finden die Winterspiele nach 2006 in Turin 2026 erneut in Italien und in Mailand/Cortina d'Ampezzo statt? Wir haben einige Chancen an uns vorbeiziehen lassen.

Wie schaut es mit einer Bewerbung von München für die Winterspiele 2030 aus? Gäbe es nach zwei vergeblichen Bemühungen um die Austragung für 2018 und 2022 noch eine Chance?

Witt:Vielleicht sollte man auf eine Volksbefragung verzichten.

München wäre ein idealer Schauplatz für Winterspiele...

Witt:Absolut. München und Bayern als Wintersportland. Außerdem könnte man auch traditionelle Wintersportorte wie Oberhof mit dazu nehmen. Deutschland ist nicht so groß, dass die Wege zu weit wären, zumal in anderen Sportarten - wie zuletzt im Handball die EM - Ereignisse in zwei Ländern ausgetragen wurden.

Wie kann man die Bevölkerung überzeugen, Olympische Spiele nach Deutschland zu holen?

Witt:Im Augenblick steht das sicherlich nicht ganz oben auf der Prioritätsliste unserer Bürger. Es ist momentan etwas unnötig, darüber zu diskutieren, zumal die nächsten Spiele erstmal vergeben sind. Man muss aber auch weiter nach vorne denken: Bei uns feiern die Fans die schönsten Sportfeste, das ist einfach so, egal, welche Welt- oder Europameisterschaft bei uns stattfindet. Die Menschen in unserem Land lieben Sport. Deshalb müssten die Verantwortlichen einfach sagen: Wir ziehen es durch!

Wäre für Sie auch eine Bewerbung um die Sommerspiele 2036, 100 Jahre nach den Nazi-Spielen, denkbar?

Witt:Natürlich würde es bei dieser Bewerbung eine Rolle spielen, dass die sportliche Bühne der Spiele 1936 für die grausige Nazipropaganda genutzt wurde. Dieser furchtbaren Vergangenheit stellt sich unser Land mit großer Verantwortung und sie spielt bei aktuellen Entscheidungen, wie bei der Frage, ob Waffen in Länder geliefert werden sollen oder nicht, eine entscheidende Rolle. Jedoch haben wir über Jahrzehnte und bei zahlreichen internationalen Veranstaltungen bewiesen, was Deutschland für ein modernes, weltoffenes und gastfreundliches Land ist.

Zur Person:Die früher DDR-Eiskunstläuferin Katarina Witt holte 1984 und 1988 jeweils Olympia-Gold. Die 56-jährige Sächsin, die im damaligen Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) aufgewachsen ist, gewann zudem sechs EM- und vier WM-Titel.

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