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Olympia 2024: Wenn die Spiele vorbei sind, wird es dunkel um die Sportler


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Ein schwerer Absturz
Nach der Goldmedaille kommt der tiefe Fall


13.08.2024Lesedauer: 5 Min.
Adam Peaty: Auch der britische Schwimm-Olympiasieger von Tokio berichtete bereits von mentalen Problemen nach Olympischen Spielen.Vergrößern des Bildes
Adam Peaty: Auch der britische Schwimm-Olympiasieger von Tokio berichtete bereits von mentalen Problemen nach Olympischen Spielen. (Quelle: IMAGO/JOEL MARKLUND)
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Die Olympischen Spiele in Paris sind vorbei, das Scheinwerferlicht schwenkt um. Einige Sportler haben damit kein Problem, anderen stehen schwere Zeiten bevor.

Michael Phelps brauchte nur zwei Wochen in Athen, um sich für die Sportgeschichte unsterblich zu machen. Sechs Goldmedaillen gewann der US-Schwimmer bei den Olympischen Spielen 2004, knackte Weltrekorde und olympische Bestzeiten. Das renommierte Magazin "Sports Illustrated" widmete dem "Medal Man", dem Medaillenmann, ein Cover. TV-Sender luden ihn ein, wollten Interviews mit ihm. Die USA feierten ihren neuen Helden.

Millionen Menschen hätten wohl viel dafür gegeben, ihr Leben mit dem des damals 19 Jahre alten Ausnahmeschwimmers zu tauschen. Zu ihrer Überraschung wäre Phelps den Tausch wahrscheinlich eingegangen. Denn trotz all des Golds, der Rekorde und der Jubelstürme sah es im "Medaillenmann" ganz anders aus. Phelps litt an "post-olympischer Depression". "Ich habe eine Phase durchlebt, in der ich nicht mehr leben wollte", gestand er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP.

Das Ende der Olympischen Spiele traf ihn viel härter, als er es vorher gedacht hatte. "Wenn du von einem solchen Hoch kommst, dann stehst du an dem Rand der Klippe und fragst dich: 'Cool, und was jetzt? Ich schätze, ich muss noch vier Jahre warten, um eine Chance zu haben, das wieder zu erreichen"', offenbarte Phelps erst nach seinem Karriereende beim US-Sender NBC.

Phelps hatte sein ganzes Leben darauf ausgerichtet, bei den Olympischen Spielen Höchstleistungen abzurufen. Das Erlöschen des olympischen Feuers in Athen traf ihn knallhart. Ein tiefer Fall, der ihn komplett aus der Bahn warf. Es sollte ihn auch nach den Spielen in Peking 2008, in London 2012 und Rio de Janeiro 2016 treffen. Mit diesem Phänomen ist Phelps nicht allein. Viele Sportler berichten davon, dass sie nach Triumphen bei Olympischen Spielen in ein Loch fallen.

Katie Moon, Olympiasiegerin von Tokio (2021) im Stabhochsprung, berichtete im Juni dieses Jahres in einem Interview mit NBC: "Ich hatte das, was man als 'post-olympische Depression' bezeichnet. Ich bin einfach in jeder Hinsicht abgestürzt." Erst mit psychologischer Hilfe kam sie aus dieser Situation heraus. In Paris gewann sie vergangene Woche Silber.

"Bei Hochleistungssportlern kann sich das extremer ausdrücken"

Anna Faghir Afghani weiß, was in Momenten wie diesen in Menschen wie Michael Phelps passiert. Faghir Afghani ist Sozialpsychologin und arbeitet seit vielen Jahren mit Sportlern und ihren Trainern zusammen. Für sie gibt es mehrere Ansätze, um das zu erklären, was einige Spitzenathleten nach Olympischen Spielen erleben.

(Quelle: Anna Faghir Afghani)

Zur Person

Anna Faghir Afghani stammt aus Hamburg. Sie hat Sozialpsychologie studiert und ist Expertin auf dem Gebiet der Motivationsdiagnostik im Kontext Führung und High Performance. Sie arbeitet seit vielen Jahren mit Leistungs- und Profisportlern sowie ihren Trainern zusammen und bildet sie aus und weiter, Letzteres vertieft sie als Mitgründerin des Unternehmens "ELEVENHEADS".

Zum einen sei da die evolutionsbiologische Erklärung. Der menschliche Körper ist bei Wettkämpfen wie den Olympischen Spielen in einem "Überlebensmodus", das Stresslevel ist hoch. "Das ist wahnsinnig anstrengend", erklärt Faghir Afghani im Gespräch mit t-online und fügt an: "Wenn der Wettkampf vorbei ist, ruht sich der Körper aus und das Hormonlevel fällt ab. Im besten Fall zeigt sich das einfach nur durch so etwas wie Schlappheit, aber bei Hochleistungssportlern kann sich das auch extremer ausdrücken."

Eine Situation, die auch auf Nichtsportler übertragbar ist. Manager, die nach 80-Stunden-Wochen im Urlaub krank werden, Projektleiterinnen, die nach der finalen Abgabe keine Energie mehr haben, Verkäufer, die nach dem Weihnachtsgeschäft an Fieber leiden. Drei Fälle aus dem Alltag, die auf ähnlichen Mechanismen basieren.

Perfektionismus mit Schattenseite

Für das Phänomen, mit dem Athleten wie Michael Phelps und Katie Moon zu kämpfen hatten, hat Anna Faghir Afghani aber noch einen zweiten Erklärungsansatz. Der liegt in der Motivation der Olympioniken, den Faktoren, die sie zu ihren Höchstleistungen antreiben. "Habe ich das starke Bedürfnis nach Anerkennung? Ist mir Status sehr wichtig? Strebe ich permanent nach Sicherheit? Dann bin ich viel anfälliger dafür, danach in ein solches Loch zu fallen", erklärt sie. Diesen motivationalen Antrieb, wie es die Expertin nennt, erlebt sie bei vielen Sportlern. Es ist ein Perfektionismus, der Goldmedaillen einbringen kann, aber eben auch seine Schattenseite hat.

Faghir Afghani: "Ich habe eine permanente Orientierung nach außen, will angesehen sein und arbeite extrem hart dafür, meinen Erfolg sicherzustellen. Und wenn ich dann vielleicht sogar Olympiasieger werde, sind alle Kameras auf mich gerichtet und ich habe das Maximum erreicht. Und dann, zwei Tage später, ist das Licht aus und andere stehen im Fokus. Von bedeutsam zu "egal" in 48 Stunden". Ein harter Aufprall in der Realität. Das Nichts, das vier Jahre lange Warten, das An-der-Klippe-Stehen, was Michael Phelps beschrieb, es spiegelt sich darin wider.

Im Jahr 2021 untersuchten britische Wissenschaftler 394 olympische und paralympische Athleten aus dem Vereinigten Königreich nach den Spielen in Tokio. Rund 24 Prozent gaben an, nach den Spielen eine starke oder sehr starke psychische Belastung zu verspüren. Zwei Jahre später untersuchten dänische Wissenschaftler 49 Olympioniken und Paralympioniken. 27 Prozent berichteten, nach den Spielen ein unterdurchschnittliches Wohlbefinden oder eine mittelschwere bis schwere Depression erlitten zu haben.

Das Phänomen einer "post-olympischen Depression" ist weitverbreitet. Sozialpsychologin Afghani stellt aber klar: "Es ist wichtig, dass wir genau unterscheiden und sauber diagnostizieren. Es ist nicht alles eine schwere Depression. In vielen Fällen ist es eine klar kontextbezogene tiefe Niedergeschlagenheit oder womöglich eine depressive Verstimmung, die sich schnell und gut überwinden lässt. Jeder Fall ist anders." Im Englischen ist daher auch oft vom "post-olympic blues", einer "post-olympischen Verstimmung/Trauer" die Rede.

Manche haben nur wenige Wochen mit dem Gefühl zu kämpfen und können sich mit dem kommenden Wettkampf neu motivieren, andere brauchen tatsächlich Monate oder Jahre, um wieder in Form zu kommen. Stabhochspringerin Katie Moon zum Beispiel war in Tokio noch über 4,90 Meter geflogen. Eine Höhe, von der sie anschließend ein halbes Jahr lang weit entfernt blieb. Im Januar 2022 konnte sie einen Wettkampf gewinnen, die acht darauffolgenden verlor sie alle. "Ich war das ganze Jahr über so gestresst, und ich hatte eine schreckliche Saison", verriet sie NBC. Erst bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft im Juli 2022 war sie wieder zurück an der Weltspitze.

"Du hast bei Olympia eine Medaille gewonnen und bist am Boden?"

Anderen Athleten macht das Ende der Olympischen Spiele wenig aus. Besonders dann, wenn der intrinsische Antrieb ein anderer ist, erklärt Expertin Faghir Afghani: "Wenn ich motivational anders gestrickt bin, mir die Anerkennung von außen oder auch Status egal sind, dann habe ich nach einem Höhepunkt wie einem Olympiasieg womöglich gar kein Verlustgefühl." Der spürbare Rückgang der sozialen Anerkennung und des Medienrummels habe keine Bedeutung für diese Athleten. "Das ist keine Frage von Stimmung oder Laune, das ist tief in einem verankert."

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Das zeigt nicht, dass einzelne Sportler stärker oder schwächer als andere sind, es zeigt nur, dass sie anders sind. So werden auch einige deutsche Olympioniken in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten nach ihrer Heimkehr noch beseelt von ihren Erlebnissen wieder das Training aufnehmen. Andere werden mit einem Gefühl der tiefen Niedergeschlagenheit zu kämpfen haben.

Gerade Olympiasieger, die zur letzteren Gruppe gehören, haben es schwer, erklärt Expertin Faghir Afghani: "Das ist etwas, das viele Außenstehende nicht verstehen können. Du hast eine Medaille bei den Olympischen Spielen gewonnen, erntest Ruhm und Ansehen – und bist emotional am Boden?" Ihr Appell: "Es ist wichtig, dass wir über diese Themen sprechen."

Michael Phelps und Katie Moon haben den Anfang gemacht. Eine befreiende Erfahrung, sagt Phelps: "Ich hatte es satt, Dinge zu verstecken, über die ich nicht reden wollte. Also habe ich mich geöffnet und wissen Sie was? Seitdem ist mein Leben leichter geworden."

Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, finden Sie hier sofort und anonym Hilfe.

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