DFB-Frauen gefordert Das wäre eine große Enttäuschung
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Deutschland steht im Viertelfinale der Olympischen Spiele. Für Bronzemedaillen-Gewinnerin Inka Grings ist das DFB-Team dort keinesfalls Favorit. Eine Kolumne.
Die DFB-Frauen haben mit dem 4:1 über Sambia souverän das Viertelfinale erreicht. Sambia ist ein sehr unangenehm zu bespielender Gegner, das durfte Deutschland ja bereits vor der WM 2023 erfahren. Trotz einiger Fehlpässe im zweiten Durchgang war es ein ungefährdeter und verdienter Erfolg.
Dennoch war in der Vorrunde bei Weitem nicht alles perfekt. Es war wichtig, zum Auftakt gegen Australien gut reinzukommen und direkt dreifach zu punkten, die Spielerinnen wussten diesen Sieg aber richtig einzuordnen. Auch gegen die USA war das Team zu Spielbeginn äußerst wach und präsent, spielte sich etliche Chancen heraus.
Die Amerikanerinnen haben ihre Möglichkeiten aber eiskalt ausgenutzt und Deutschland im zweiten Durchgang überhaupt nicht mehr ins Spiel kommen lassen. Das war ein Dämpfer, der gezeigt hat: Das DFB-Team ist nicht dort, wo es hinwill. Nämlich zurück in die Weltspitze. Dafür war die Mannschaft insbesondere offensiv zu hilflos, hat sich im zweiten Durchgang kaum mehr Chancen herausgearbeitet.
Zur Person
Die 45-jährige Ex-Nationalspielerin Inka Grings absolvierte zwischen 1996 und 2012 insgesamt 96 Länderspiele für Deutschland, erzielte dabei 64 Treffer. Im Jahr 2000 nahm sie mit den DFB-Frauen an den Olympischen Spielen in Sydney teil und gewann die Bronzemedaille. Bei der WM der Frauen 2023 in Australien und Neuseeland betreute sie das Schweizer Team und erreichte dort das Achtelfinale.
Schon jetzt ist klar: Dieses Team steht vor einem Umbruch, der aber nicht mehr von Horst Hrubesch angegangen wird. Er hat eine verunsicherte Mannschaft übernommen, ihr Stabilität gegeben und sich mit ihr zu den Olympischen Spielen gezittert. Die Qualität der deutschen Mannschaft blitzt immer wieder auf, nur selten ist sie aber auch über 90 Minuten auf dem Platz zu sehen.
Ob Deutschland bald wieder zur absoluten Top-Riege gehört, wird aber vor allem in den Vereinen entschieden. Auch Christian Wück wird nicht mehr Trainingseinheiten mit der Mannschaft bekommen als Hrubesch. Die Basis für eine erfolgreiche Weiterentwicklung beim DFB wird auf Vereinsebene entstehen müssen.
Erst mal gilt es nun aber, die Kanadierinnen zu schlagen. Deutschland ist dabei keinesfalls der Favorit. Wenn man sich die jüngsten Ergebnisse des kanadischen Teams anschaut, sind sie leicht in der Favoritenrolle. Alle ihre Partien verliefen bislang äußert eng, aber sie haben Gastgeber und Nations-League-Finalist Frankreich mit 2:1 besiegt. Das ist eine überragende Leistung. Auch ohne die wegen des Drohnen-Eklats gesperrte Cheftrainerin Bev Priestman überzeugt das Team – und steht verdient im Viertelfinale. Kanada ist laufstark, kampfstark und extrem torgierig. Als Titelverteidiger werden sie ein maximal ekliger Gegner werden.
Deutschland wird einen verdammt guten Tag brauchen, um weiterzukommen. Die Spielerinnen müssen wie zu Beginn gegen die USA agieren. Wachsam und druckvoll, das dann aber auch über 90 Minuten durchziehen. Stabil stehen und vorne noch mal deutlich konsequenter agieren. Denn auch gegen Sambia hat das Team etliche Torchancen vergeben. Das Spiel hätte bei besserer Chancenverwertung viel höher ausgehen können.
Vom Personal her scheint es so zu sein, dass die Innenverteidigung um Kathy Hendrich und Marina Hegering fit wird. Dennoch halte ich es für problematisch, dass es einige Spielerinnen gibt, die immer Wackelkandidaten sind. Spielt sie oder spielt sie nicht? Wird die oder die rechtzeitig fit? Das verunsichert eine Mannschaft auch und strahlt innerhalb des Teams keine Souveränität und Sicherheit aus.
Offensiv wünsche ich mir noch viel mehr Durchschlagskraft. Gegen ein Top-Team wie die USA hat Deutschland kaum Eins-gegen-Eins-Duelle gewonnen. Da hat man gesehen, dass diese Mannschaft auf internationalem Top-Niveau limitiert ist. Natürlich kommen die DFB-Frauen aus einer nicht ganz einfachen Phase. Aber es bereitet mir schon ein wenig Sorgen, wenn ich beispielsweise sehe, wie die US-Amerikanerinnen marschieren und jedem Ball nachjagen.
Da vermisse ich eine gewisse gierige Mentalität, die ich nicht bei jeder Spielerin sehe. Jede Einzelne sollte sich da hinterfragen. Es klingt hart, und ich begrüße voll und ganz die positive Entwicklung im Profifußball bei den Frauen, aber der einen oder anderen geht es vielleicht zu gut.
Ich wünsche den DFB-Frauen, dass sie die Hürde Kanada meistern und ihren Medaillentraum weiterverfolgen können. Nach diesem komplizierten Jahr wäre bereits eine Bronzemedaille ein Riesenerfolg. Ein Aus am Samstag hingegen, so ehrlich müssen wir auch sein, wäre trotz des Erreichens des Viertelfinales eine große Enttäuschung. Dafür war Deutschland in der Vergangenheit einfach zu erfolgreich.