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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Skandalspiel bei Olympia So hätte das Drama verhindert werden können
Was für ein Chaosstart des Olympischen Fußballturniers. Nach zweistündiger Unterbrechung wurde ein spätes Tor Argentiniens zurückgenommen. Für Fanforscher Gunter Pilz ein Desaster.
Diesen Beginn in das Olympische Fußballturnier werden sich die IOC-Vorsitzenden und die Fifa anders vorgestellt haben. Im Spiel zwischen Marokko und Argentinien (2:1) gab es 16 Minuten Nachspielzeit. Kurz vor Ablauf dieser Zusatzzeit erzielten die favorisierten Argentinier den vermeintlichen 2:2-Ausgleich, woraufhin zahlreiche marokkanische Fans den Platz stürmten.
Doch damit nicht genug: Wegen der Ausschreitungen auf dem Spielfeld wurde das Spiel für zwei Stunden unterbrochen. Erst dann griff der Videoassistent ein und entschied, dass das Tor Argentiniens nicht zählte. Die Teams kehrten auf den Platz zurück und spielten die letzten drei Minuten der Nachspielzeit vor leeren Rängen aus, am Ende gewann Marokko das Auftaktspiel mit 2:1 – und die Olympischen Spiele hatten ihren ersten Skandal.
Das ist Gunter A. Pilz
Gunter A. Pilz ist ein deutscher Soziologe mit dem Schwerpunkt Sportsoziologie. Der 78-Jährige hat sich vor allem als Gewalt- und Konfliktforscher in den Bereichen Sport und Gesellschaft einen Namen gemacht. Er ist unter anderem Vorsitzender des Netzwerks "Sport & Politik für Fairness, Respekt und Menschenwürde" und war Mitglied der Fair Play- und Ethikkommission der UEFA.
"Das ganze Drama hätte nur durch einen vernünftigen Ordnungsdienst verhindert werden können. Bei der Euro wäre so etwas niemals passiert", sagt Sportsoziologe Gunter Pilz exklusiv zu t-online. Bei den Olympischen Spielen gebe es nicht die notwendige Anzahl an Ordnern, die 90 Minuten lang mit dem Gesicht zu den Tribünen stehen – anders als bei der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland.
Dennoch gab es auch bei der Euro zahlreiche Flitzer – besonders bei Spielen mit Beteiligung Portugals und Cristiano Ronaldo. "Das sehe ich etwas lockerer, das waren ja eher lustige Szenen, Ronaldo hat mit dem ersten Flitzer sogar ein Selfie gemacht", so Pilz, und weiter: "Da haben dann anscheinend die zuständigen Ordner geschlafen. Das Einzige, was man da machen kann, ist, die individuellen Ordner auszutauschen." Die Vorgänge nun aber seien ernster: "Klar ist auch: Die hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Was aber in St. Étienne passiert ist, das ist nicht nachvollziehbar und völlig indiskutabel."
"Dann wird es Zeit, den VAR wieder abzuschaffen"
Seine Kritik richtet Pilz dabei gar nicht in erster Linie an die Fans, sondern vielmehr an die Veranstalter. "Diese 16 Minuten Nachspielzeit waren absurd. Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb der Schiedsrichter das Spiel so lange hat laufen lassen. Ich kann mir vorstellen, dass die Fifa ihre dritte Garde an Schiris zu Olympia schickt." Der international erfahrene schwedische Schiedsrichter Glenn Nyberg pfiff das Duell.
Pilz legt noch nach: "Es ist völlig normal, dass die Fans bei 16 Minuten Nachspielzeit unruhig werden. Man muss sich das mal vorstellen: Der Underdog führt mit 2:1 und bekommt dann den Eindruck, es würde so lange gespielt werden, bis der Favorit doch noch trifft", so der 79-Jährige. "Dass die Emotionen dann hochkochen, die Fans ausrasten, ist nicht unwahrscheinlich," ohne das Verhalten der Fans entschuldigen zu wollen.
Doch nicht nur die lange Nachspielzeit des Schiedsrichters stieß bei Pilz auf Unverständnis, sondern auch die Abseitserkennung des VAR, die zwei Stunden andauerte. "Wenn das der Regelfall ist, dann wird es Zeit, den VAR wieder abzuschaffen." Dass es jedoch besser ginge, habe kürzlich die Fußball-Europameisterschaft 2024 bewiesen.
- Telefongespräch mit Gunter Pilz