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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Handballer vor Schicksalsspiel "Wir wissen, es ist ein Endspiel"
Die Niederlage gegen Dänemark hatte das DHB-Team zwar einkalkuliert, dennoch ist der Druck nun groß. Ausgerechnet ein Deutscher könnte zum Stolperstein werden.
Aus Dänemark berichtet Nils Kögler
Nur nicht in Panik verfallen. Als unter anderem Kapitän Johannes Golla, Rechtsaußen Timo Kastening und Nationalmannschaftsmanager Benjamin Chatton am Mittwoch einen Tag nach der deutlichen 30:40-Niederlage zum Hauptrundenauftakt gegen Dänemark vor die Presse traten, bemühten sie sich, Gelassenheit auszustrahlen.
"Ich glaube, dass sich die Ausgangsposition nach der Vorrunde und auch nach dem Dänemark-Spiel aus meiner Sicht für uns nicht verändert hat", sagte etwa Chatton. "Wir wussten, dass wir zwei Spiele in der Hauptrunde gewinnen müssen."
Die Niederlage gegen die schier übermächtigen Dänen war eingeplant, erst jetzt geht die Hauptrunde so richtig los: Das war der Grundtenor der DHB-Akteure. Ihre Blicke waren dennoch ernst, die Lockerheit wirkte etwas aufgesetzt. Denn die Tabelle der deutschen Hauptrundengruppe spricht eine deutliche Sprache. Die deutsche Mannschaft steht unter Druck. Im nächsten Spiel gegen Italien am Donnerstag (ab 18 Uhr im Liveticker bei t-online) gilt bereits das Motto "Verlieren verboten", will man die Chance auf den Viertelfinaleinzug wahren.
Eine Niederlage wäre wohl das Aus
Eine Niederlage gegen die punktgleichen Italiener (beide 4:2) würde praktisch das Aus in der zweiten Turnierphase bedeuten – und wäre eine herbe Enttäuschung für den Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele in Paris.
Bei einem Sieg kann die Auswahl von Bundestrainer Alfred Gislason dagegen schon vor dem letzten Hauptrundenspiel gegen Tunesien für das Viertelfinale in Oslo planen. "Für uns beginnt das Turnier jetzt richtig", hatte Linksaußen Rune Dahmke bereits unmittelbar nach der Dänemark-Niederlage bekräftigt. Mehr noch: "Das ist für uns ein Endspiel."
Italien ist die Sensation des Turniers
Dabei sind die Deutschen jedoch durchaus gewarnt. Italien spielt bei dieser WM groß auf. Zum ersten Mal seit 1997 schafften es die Südeuropäer überhaupt wieder, sich für eine WM zu qualifizieren. Doch in der Gruppenphase mussten sie sich lediglich Dänemark geschlagen geben und zogen mit zwei Siegen in die Hauptrunde ein. Dort gewannen sie am ersten Spieltag ebenfalls souverän gegen Tschechien.
Italien ist die Sensation des Turniers und schwimmt entsprechend auf einer Euphoriewelle. Überraschend komme der Erfolg des nächsten Gegners jedoch nicht, betonte derweil Kastening. Immerhin hätten die Italiener bereits im Vorfeld des Turniers gute Gegner geschlagen. "Ich glaube, es war nur überraschend, weil du Italien nicht als Handball-Land auf der Agenda hast", so Kastening. Der Kader habe durchaus Qualität.
Die Italiener begeistern auch das Publikum
Ein Faktor, der das Spiel für das DHB-Team zusätzlich verkomplizieren dürfte: Das Publikum wird sich wohl auf die Seite des Außenseiters schlagen. "Sie haben das sehr mitreißend gemacht – und in einer Form, die das dänische Publikum durchaus animiert, auch Partei zu ergreifen", warnte Nationalmannschaftsmanager Chatton mit Blick auf die bisherigen Italien-Spiele. "Das ist etwas, worauf wir uns vorbereiten müssen, dass wir gegebenenfalls noch ein Auswärtsspiel haben", so Chatton weiter.
Einer, der das Publikum bislang besonders zu begeistern wusste, ist Domenico Ebner. Der Torwart der Italiener zeigte starke Leistungen. Jede seiner zahlreichen Paraden feierte er dabei ausgelassen – und das Publikum mit ihm. Wer Ebner nach den Spielen zu seiner Leistung befragen wollte, der war jedoch gut beraten, das auf Deutsch zu tun.
Ebner ist nämlich in Freiburg geboren und verbrachte sein ganzes Leben in Deutschland. In der Bundesliga läuft er nach Stationen bei SG BBM Bietigheim und TSV Hannover-Burgdorf aktuell für den SC DHfK Leipzig auf. Für Italien spielt Ebner lediglich aufgrund seiner italienischen Mutter. Erst als er im Jahr 2017 von der italienischen Nationalmannschaft angefragt wurde, nahm er kurzerhand die doppelte Staatsbürgerschaft an.
"Wäre ein wenig wie Hochverrat"
Mit der Sprache hat er immer noch einige Probleme: "Mein Italienisch ist noch nicht ganz so gut. Die Grammatik ist schwierig, und mir fehlt auch noch ein bisschen der Wortschatz", gab Ebner zu. Immerhin die Nationalhymne hat er aber schon verinnerlicht. "Als Italiener muss man die Nationalhymne natürlich mitsingen. Die habe ich mit meiner Mutter gelernt. Wenn man das nicht machen würde, wäre das ein wenig wie Hochverrat", so Ebner.
Das Spiel gegen das DHB-Team ist für ihn ein ganz besonderes. Schließlich kennt er alle deutschen Spieler aus der Bundesliga. Den favorisierten Olympia-Zweiten würde er mit der "Squadra Azzurra" daher nur zu gern überraschen. Markige Parolen verkniff sich Ebner aber vor dem Showdown. "Es wäre vermessen zu sagen, die Deutschen müssen sich warm anziehen. Wenn man sieht, wie ausgeglichen die deutsche Mannschaft besetzt ist, hat man großen Respekt", sagte der Schlussmann.
Genau daraus leitet auch die DHB-Auswahl ein gewisses Selbstvertrauen ab. "Ich glaube, dass wir in eigentlich allen Mannschaftsteilen besser sind", sagte Kastening. "Auf dem Papier hat Italien keine Chance", so der Rechtsaußen, um dann einzuschränken: "aber auf dem Papier ist immer einfach gesagt." Wichtig sei, dieselbe Motivation an den Tag zu legen wie der Gegner. "Wenn wir unser Energie- und Motivationslevel auf das der Italiener bringen, wird sich am Ende die Qualität durchsetzen", so der 29-Jährige. Ein Problem sieht er darin nicht: "Wir wissen, es ist ein Endspiel, und jeder von uns hat Bock, das Spiel zu gewinnen. Wir brauchen keine Motivationshilfe." Sollte er recht behalten, dann dürften sich auch die Mienen auf der nächsten DHB-Pressekonferenz wieder entspannen.
- Eigene Beobachtungen vor Ort
- Pressekonferenz mit Johannes Golla und Benjamin Chatton
- Gespräch mit Timo Kastening
- Gespräch mit Domenico Ebner
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa