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Handball-WM 2017: Christian Schwarzer deckt Defizite der DHB-Auswahl auf


Christian Schwarzer im Interview
"20 Tore sind in Spitze des Welt-Handballs zu wenig"

t-online, Maximilian Miguletz

Aktualisiert am 23.01.2017Lesedauer: 3 Min.
Umstrittene Szene: Paul Drux (hinten) und Katars Ali Youssef prallen zusammen - die Schiedsrichter entscheiden auf Foul des Deutschen.Vergrößern des Bildes
Umstrittene Szene: Paul Drux (hinten) und Katars Ali Youssef prallen zusammen - die Schiedsrichter entscheiden auf Foul des Deutschen. (Quelle: Agentur 54 Grad/imago-images-bilder)

Der Titel-Traum der deutschen Nationalmannschaft ist jäh geplatzt. Durch das überraschende 20:21 (10:9) gegen Katar war für die DHB-Auswahl bei der Handball-WM in Frankreich bereits im Achtelfinale Schluss. Für Christian Schwarzer eine Folge der "schwächsten Leistung im Turnier".

Der Rekordtorschütze Deutschlands spricht im Interview mit t-online.de über die fehlende Durchschlagskraft des deutschen Teams, die Fehler von Bundestrainer Dagur Sigurdsson und die fragwürdigen Schiedsrichterentscheidungen.

Außerdem bewertet der 47-jährige Weltmeister von 2007, wo Deutschland im Welt-Handball steht, wer nun Weltmeister werden könnte - und verrät, wer seinen Informationen zufolge neuer Coach des Nationalteams wird.

t-online.de: Herr Schwarzer, für Deutschland ist die Handball-WM schon im Achtelfinale vorbei. Wie bewerten Sie die Leistung der Nationalmannschaft gegen Katar?
Christian Schwarzer:
Die Mannschaft hat ihre schwächste Leistung im Turnier gezeigt. Man darf aber nicht vergessen: Es ist noch eine junge Mannschaft, die immer mal ein schwächeres Spiel im Turnier hatte. Wenn das aber in einer K.-o.-Runde passiert, dann ist es natürlich doppelt schmerzhaft.

Wo lagen die Defizite der DHB-Auswahl?
Die Abwehr zusammen mit Andi Wolff hat super funktioniert, 21 Gegentore sind in Ordnung. Aber nur 20 Tore zu werfen ist in der Spitze des Welt-Handballs zu wenig. Das Team hat nicht genug Druck aus dem Rückraum entwickelt und konnte dementsprechend nicht die Lücken am Kreis schaffen. Uwe Gensheimer ist komplett ohne Tor geblieben, das ist seltsam in einem Achtelfinale gegen eine nicht gute katarische Mannschaft.

Eine Reihe umstrittener Schiedsrichterentscheidungen kurz vor dem Ende hat für Ärger im deutschen Lager gesorgt. Wie haben Sie die Szenen gesehen?
Zu meiner aktiven Zeit haben mir Schiedsrichter mal den Spaß am Handball genommen, aber schon damals habe ich mir abgewöhnt, mich darüber aufzuregen. In diesem Achtelfinale waren natürlich schon haarsträubende Entscheidungen dabei, aber ich habe als Trainer gelernt, mich mit der eigenen Leistung auseinanderzusetzen und mich nur um Dinge zu kümmern, die ich beeinflussen kann.

In der Schlussphase ließ DHB-Coach Dagur Sigurdsson eine Auszeit ungenutzt. Hat er hier einen Fehler gemacht?
Bei so einem wichtigen Angriff, bei dem ich unbedingt ein Tor brauche, hätte ich die Auszeit für eine Besprechung genutzt. Aber im Nachhinein sind alle schlauer. Es zeichnet Sigurdsson aus, dass er diesen Fehler eingesteht, dass er den Arsch in der Hose hat zu sagen: 'Mensch, auch ich hätte vielleicht was anders machen können.'

Wie ist Sigurdssons Arbeit bei dieser WM insgesamt zu bewerten?
Nach dem Aus kann man beispielsweise schon fragen, ob es gut war, eine bis dahin gut funktionierende Mannschaft nochmal umzubauen und Rune Dahmke nach Hause zu schicken. Aber Sigurdsson hat sehr gute Arbeit geleistet und den deutschen Handball wieder auf den richtigen Weg gebracht. Daran ändert auch das Achtelfinal-Aus nichts. Wer auch immer kommen mag, hat ein schweres Erbe zu übernehmen.

Die Partie war Sigurdssons Abschiedsspiel als Bundestrainer. Hatten sein feststehender Abschied und das Getöse darum Einfluss auf die Leistung des Teams?
Schon im Vorfeld habe ich gesagt, dass so etwas nicht optimal ist. So eine öffentliche Diskussion zu führen, ist sicherlich alles andere als förderlich für eine Mannschaft. Und es kann sein, dass vielleicht ein, zwei Prozent, die in der Enge eines solchen Spiels den Ausschlag geben, gefehlt haben.

Europameister 2016, Bronze bei den Olympischen Spielen, nun das Aus im WM-Achtelfinale: Wo steht die deutsche Handball-Nationalmannschaft?
Wir sind in der Weltspitze zurück. Wir haben eine sehr gute und junge Mannschaft, die auch gerade mit Hinblick auf die WM in zwei Jahren im eigenen Land von sich reden machen wird. Das Aus im Achtelfinale ist ein kleiner Rückschritt, aber wir sind weiterhin auf dem richtigen Weg.

Nun wird die Frage sein, wer als kommender Bundestrainer die Nationalmannschaft in Richtung Heim-WM führen wird.
Ich habe gehört, dass die Verpflichtung von Christian Prokop fix ist. Was ich mitbekommen habe, habe man sich mit ihm geeinigt, auch auf eine Ablösesumme. Damit habe ich übrigens meine Probleme: Wenn man den Landesverbänden kommuniziert, dass kein Geld da sei und eingespart werden müsse, aber dann für einen Bundestrainer Ablöse zahlt…

Abschließend noch der Blick auf den weiteren Turnierverlauf: Wer wird Weltmeister?
Für mich ist Frankreich der absolute Topfavorit. Wir wissen es selbst, wie es 2007 bei der WM im eigenen Land war. Die Franzosen sind teilweise schon etwas älter und wollen jetzt nochmal alles investieren, um vor dem heimischen Publikum den Titel zu holen. Ansonsten kann Spanien ganz weit kommen, für sie war der hauchdünne Sieg gegen Brasilien womöglich eine Initialzündung.

Das Interview führte Maximilian Miguletz

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