Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Wirbel um den Superstar Der Vulkan brodelt
Rund um Portugal gibt es bei der WM nur ein Thema: Cristiano Ronaldo. Spieler und Trainer sind genervt, die Journalisten auch. Die Folgen sind unklar.
Guten Morgen aus Doha,
es gibt ein Gesicht, das kann ich nicht mehr sehen. Es ist das Gesicht von Cristiano Ronaldo. Ich habe das Gefühl, dass der portugiesische Superstar überall ist. Bei YouTube wirbt er für eine Krypto-Börse, im katarischen TV für einen Online-Lebensmittellieferanten. Und wenn ich Sportnachrichten lese, geht es seit Wochen andauernd um Ronaldo. Ich kann ihm nicht aus dem Weg gehen.
Erst war da sein umstrittenes Interview kurz vor dem WM-Start, in dem er seinen Klub mit einem Rundumschlag kritisierte. Dann folgte die Vertragsauflösung mit Manchester United. Anschließend die Gerüchte um einen Wechsel nach Saudi-Arabien. Und zwischendurch immer wieder das Theater um seinen Platz im portugiesischen WM-Kader. Spielt er? Spielt er nicht? Wollte er sogar abreisen? Jeden Tag gibt es neue Fragen und Nachrichten rund um den 37 Jahre alten Stürmer.
Auch bei der Pressekonferenz vor dem WM-Viertelfinale gegen Marokko ging es fast nur um Ronaldo. Die ersten Fragen sollten alle an João Félix gerichtet werden, der neben Trainer Fernando Santos auf dem Podium saß. Wirklich viel erfahren habe ich bei seinen Aussagen nicht. Denn zu "CR7" wollte Félix nichts sagen. Ab und zu schaute er den portugiesischen Pressesprecher links von sich an, als würde der für ihn antworten. Doch er tat es nicht. Félix war weiter gefordert. Viel gebracht haben die Bemühungen der Journalisten nicht, der 23-Jährige ließ sich nichts entlocken.
Also war Fernando Santos gefragt. Der Nationaltrainer sollte den Wissensdurst der Portugiesen stillen. Und tatsächlich erzählte der 68-Jährige in einem mehrminütigen Monolog vom Gespräch mit Ronaldo vor dem Achtelfinale gegen die Schweiz, in dem er ihm erklärte, dass er auf der Bank sitzen würde. "Die Konversation war notwendig, er ist der Kapitän der Mannschaft", sagte Santos. "Am Spieltag habe ich ihm nach dem Mittagessen erklärt, warum er nicht in der Startelf steht. Wir erwarteten ein schweres Spiel, in dem wir ihn in der 2. Hälfte brauchen. Er war nicht glücklich, weil er immer spielen will. Er fragte mich: Denkst du wirklich, dass das eine gute Idee ist? Ich habe ihm dann aber alles erklärt und er hat es akzeptiert."
Santos' Transparenz kam gut an, zumindest folgten danach einige Fragen zu Gegner Marokko und dem Gesundheitszustand von Abwehrass Rúben Dias, auch wenn er selbst einen Anteil von 90 Prozent Ronaldo-Fragen beklagte. Als die Pressemitarbeiterin der Fifa die Pressekonferenz beendete, nickte Santos erleichtert. Und auch ich muss sagen, dass ich damit leben konnte, dass es vorbei war.
Bisher hat sich die portugiesische Mannschaft das Drama rund um Cristiano Ronaldo nicht anmerken lassen. Auf den Gruppensieg folgte ein 6:1 gegen die Schweiz. Doch am heutigen Samstag treffen die Iberer auf Marokko und damit auf einen ganzen Kontinent. Ruhig wird es im Al-Thumama-Stadion definitiv nicht. Aber mit Unruhe kennen sich die Portugiesen ja aus.
WM-Anekdote
Wenn ich schon von der Pressekonferenz Portugals erzähle, möchte ich Ihnen mein Highlight nicht vorenthalten. Es waren Fragen in vier Sprachen erlaubt: Portugiesisch, Arabisch, Französisch und Englisch. Denn nur für diese Sprachen gab es vor Ort Dolmetscher. Ein spanischer Journalist wollte trotzdem sein Glück versuchen und begann seine Frage auf Spanisch. Die Pressemitarbeiterin der Fifa unterbrach die Frage und bat ihn, in einer anderen Sprache zu fragen.
Seine Antwort. "Okay, ich frage auf Portugiesisch." Nach wenigen Sekunden wurde er erneut unterbrochen. "Sir, das ist Spanisch", sagte die Fifa-Mitarbeiterin. "Nein, Portugiesisch", antwortete er. Doch seine Lüge flog schnell auf. Ein Lachen ging durch den Raum. Anschließend gab er klein bei und fragte auf Englisch: "Was halten Sie von Marokko?" Geht doch.
Heutige WM-Spiele
16:00 Uhr, Viertelfinale: Portugal gegen Marokko
20:00 Uhr, Viertelfinale: Frankreich gegen England
Weitere Hinweise
Mit dem Ende der Viertelfinalspiele scheiden zwei weitere Stadien aus: das Al-Thumama-Stadion und das Education-City-Stadion. Beide werden nach der WM um rund die Hälfte ihrer Kapazität reduziert, werden dann noch um die 20.000 Plätze fassen.
Nur noch drei Stadien kommen zum Einsatz: Al-Bayt (ein Halbfinale), Lusail (ein Halbfinale, Finale) und Khalifa International (Spiel um Platz 3).
- Eigene Beobachtungen