Fußball-WM Gepennt und getrödelt: Kritik an Duo Süle und Schlotterbeck
Nico Schlotterbeck zuckte mit den Schultern. Niklas Süle sagte nichts. Den Frust über ihren verbockten WM-Auftakt konnten die Verteidiger von Borussia Dortmund nicht verbergen.
Nach der ungewöhnlich offenen Kritik von Kollege Ilkay Gündogan und der verbalen Watschen von Rio-Weltmeister Bastian Schweinsteiger tat sich sogar Hansi Flick am Tag nach dem 1:2 der Fußball-Nationalmannschaft gegen Japan schwer, die Mitverantwortung seiner Abwehrspieler für den krassen Fehlstart in Katar zu kaschieren.
"Die zwei Tore können wir anders verhindern, die müssen wir anders verhindern", sagte der Bundestrainer, ohne die Namen von Schlotterbeck und Süle auszusprechen. Gündogan hatte mit seinen klaren Worten die Defizite schonungslos benannt und wurde dafür von Flick nicht zurückgepfiffen. "Gerade beim zweiten Tor, ich weiß nicht, ob jemals bei einer WM ein einfacheres Tor erzielt wurde. Das darf nicht passieren", sagte der Torschütze.
Ernüchternde Abwehrbilanz
Gepennt und getrödelt. Und das bei beiden Gegentoren, lautete die öffentliche Anklage. Sündenböcke kann sich Flick vor dem Duell mit Final-Charakter gegen Spaniens imposante Tor-Fabrik aber nicht leisten. Gerade dann wird es auf eine funktionierende Defensive besonders ankommen, um einen schnellen WM-K.o. zu verhindern. Eine ernüchternde Abwehrbilanz lässt Zweifel aufkommen: In den vergangenen neun Länderspielen stand nur beim 1:0 im Oman hinten die Null - und das mit reichlich Glück.
Dass nach dem Wackel-Auftritt in der Schlussphase im Chalifa-Stadion der Name von Mats Hummels als angeblich fehlendem WM-Element wieder fiel, wird Flick als unvermeidlichen Medien-Reflex ignorieren. Gerade gegen das hohe Tempo der Japaner hätte der 33 Jahre alte Club-Kollege von Süle und Schlotterbeck wohl noch weniger ausrichten können.
Eine Mitschuld bleibt unvermeidlich am Bundestrainer hängen. Dass sein Abwehr-Schachzug mit Süle als Rechtsverteidiger und Schlotterbeck als Nebenmann von Antonio Rüdiger in der Zentrale schiefgegangen war, das wusste Flick wohl. "Wir haben einige Sachen auch von der Taktik nicht gut gemacht", gestand der 57-Jährige. Allerdings habe "Niki (Süle) gut trainiert und das im Training gut gemacht", erklärte Flick seine Entscheidung.
Die von Flick und Schlotterbeck gleichermaßen angeführten Entlastungsargumente, dass bei einer besseren Chancenverwertung beim Stand von 1:0 die späten Abwehrprobleme irrelevant gewesen wären, klangen nach hilfloser Relativierung. ARD-Experte Schweinsteiger hatte sein vernichtendes WM-Urteil über die beiden glücklosen Dortmunder schon gefällt.
Harsche Worte
Besonders Süle, der für sein zweites WM-Turnier vollmundig eine Führungsrolle proklamiert hatte, musste sich harsche Worte gefallen lassen. "Das ist ein klassischer, richtig schwerer Abwehrfehler", sagte er zu dessen mangelhaftem Stellungsspiel vor dem japanischen Ausgleich durch Ritsu Doan. Und legte nach: "Der Fehler darf nie passieren", sagte er zum Bock vor dem zweiten Treffer durch Takuma Asano, als Süle das Abseits aufhob und Schlotterbeck nur noch vergebens hinter dem Bochumer Bundesliga-Profi herlief.
Flick war mit seiner Aufstellung ins Risiko gegangen. Süle-Schlotterbeck, diese Formation hatte beim BVB in der Bundesliga zuletzt Schwächen offenbart. Schlotterbecks noch junge Nationalmannschaftskarriere ist bei allen taktischen Verheißungen wie der vertikalen Spieleröffnung gespickt von Pannen. Drei Elfmeter verschuldete er in seinen nur sechs Länderspielen vor dem WM-Debüt. Und er ist immer beteiligt, wenn in der DFB-Elf besonders in der Schlussphase regelmäßig Dinge schiefgehen. "Wir müssen irgendwie den Kopf nach oben kriegen und versuchen, das zweite Spiel zu gewinnen", sagte der 22-Jährige.
Welche Möglichkeiten hat Flick? Gegen Spanien sollte Schlotterbeck auf der Bank sitzen, Süle wieder in die Zentrale rücken. Thilo Kehrer auf der rechten Seite wäre die logische Alternative. Safety first ist angesagt. An eine radikale Änderung wie einer Rückversetzung von Joshua Kimmich in die Viererkette oder ein Umstellen auf ein 3-4-3 denkt Flick nicht. "Soweit sind wir noch nicht, dass wir unser System umstellen", sagte der Bundestrainer.
- Nachrichtenagentur dpa